In Stuttgart und im Land fehlt es an Rettungsfahrzeugen Foto: Kraufmann

Patienten klagen über lange Wartezeiten, Mitarbeiter über Dauerstress: In Stuttgart sind zu manchen Tageszeiten nicht einmal halb so viele Fahrzeuge im Krankentransport unterwegs wie nötig. Im Land sieht es ähnlich aus. Einige Betroffene wollen das jetzt ändern.

Stuttgart - Rund 721 000 Einsätze für den Krankentransport gibt es pro Jahr im Land, Zehntausende davon in Stuttgart. Immer, wenn Patienten von einem Krankenhaus zum anderen verlegt, in der Arztpraxis oder zu Hause abgeholt werden müssen und dafür medizinisches Fachpersonal notwendig ist, rollt der Krankentransportwagen (KTW) an. Zumindest in der Theorie. Denn tatsächlich werden die Wartezeiten immer länger.

„Ich musste sieben Stunden warten, bis ich von der Klinik abgeholt wurde“, erzählt ein älterer Patient. Eine Situation, die für kranke Menschen oft unerträglich ist. Und für das eingesetzte Personal. „Das System ist völlig ausgebucht“, sagt ein Mitarbeiter einer Krankentransport-Organisation. Speziell montags, mittwochs und freitags, wenn viele Menschen zur Dialyse müssten, seien Wartezeiten zwischen drei und fünf Stunden normal. „Es rumort auch unter der Belegschaft, weil die Fahrzeuge so gebucht sind, dass keine Pausen mehr möglich sind.“

In Stuttgart hat die Leitstelle eine Erhebung gemacht. Die zeigt, wie viele Fahrzeuge zu welcher Tageszeit notwendig wären, um die Wartezeit auf eine Stunde zu begrenzen. „Die Situation ist unbefriedigend“, sagt Stadtsprecher Sven Matis. Speziell zwischen 8 und 12 Uhr sei der Bedarf wesentlich höher als die Zahl der bereitstehenden Fahrzeuge. Bis zu 43 KTW wären da pro Stunde nötig. An manchen Tagen sind aber nicht einmal 20 im Einsatz.

Im Krankentransport gilt seit einiger Zeit der freie Markt. Das bedeutet, dass sich in Stuttgart neben bekannten Namen wie dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) acht weitere, zum Teil private Anbieter tummeln. Der Markt ist hart umkämpft. Wie viel Geld es für eine Fahrt von den Krankenkassen gibt, wird in jeder Region des Landes direkt verhandelt. Derzeit liegen die Preise meist zwischen 45 und 55 Euro. „Das ist oft billiger als ein Taxi“, kritisiert ein Branchenexperte.

„Die Vorhaltung von zusätzlichen Fahrzeugen wird nach EU-Recht nicht mehr bezahlt“, sagt Wilfried Klenk, DRK-Rettungsdienstleiter in Stuttgart. Für 45 Euro könne man kein Auto mit zwei Leuten wirtschaftlich betreiben, müsse aber jeden Auftrag annehmen. „Neulich hatten wir einen Tag mit 180 Fahrten“, erzählt Klenk. 129 davon seien am selben Tag kurzfristig reingekommen, zum Teil zu Zielen in ganz Deutschland.

Die Beteiligten wollen die Lage nicht mehr akzeptieren. In Stuttgart hat der Verband der Krankenhäuser jüngst einen Vorstoß bei den Krankenkassen beschlossen. Der Gemeinderat soll demnächst darüber diskutieren. Auf Landesebene will das DRK auf die Regierung zugehen. „Das muss der Gesetzgeber regeln“, fordert Sprecher Udo Bangerter. Ziel: eine Festschreibung der Zeit, in der ein Krankentransport da sein muss, ähnlich wie bei der Notfallrettung. Das könnte die Grundlage für mehr Geld von den Krankenkassen sein.

Mit viel Gegenliebe dürfen DRK und Krankenhäuser nicht rechnen. Zwar müsse man unzumutbaren Wartezeiten entgegenwirken, heißt es im Innenministerium, aber eine gesetzliche Regelung sei wegen des „hohen Vorhalteaufwands und der damit verbundenen Mehrkosten“ schwierig. Die Partner müssten sich schlicht einigen.

Das ist nicht so einfach. Eine Art Hilfsfrist für KTW lehne man ab, sagt eine Sprecherin der AOK. Der Krankentransport im Land funktioniere, nur „in Spitzenlastzeiten kann es mitunter zu Überschreitungen kommen“. Die Kassen versuchten, dafür Entlastung herbeizuführen – indem man manche Patienten auf spezielle Taxis umbucht, wo immer das geht. „In der Region Stuttgart und Esslingen werden derzeit zwölf zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt, um vertretbare Bedienzeiten zu erreichen.“ Für viele Beteiligte ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein.