Julia Hennig von der DLRG Bietigheim-Bissingen war eine Woche lang zur Sicherheit der Athleten in Paris im Einsatz. Wie es dazu kam, welche Eindrücke sie bei den Olympischen Spielen sammelte und was dem Fernsehzuschauer verborgen bleibt.
„Das war ein einmaliges Erlebnis für mich“, sagt Julia Hennig. Die 26-Jährige ist Rettungsschwimmerin bei der DLRG in Bietigheim-Bissingen und war bis Donnerstagabend als Lifeguard im Einsatz bei den Olympischen Spielen in Paris. Sie ist laut dem DLRG-Bundesverband eine von 14 deutschen Rettungsschwimmern und Rettungsschwimmerinnen, die dort zum Einsatz kommen. Hintergrund ist eine Anfrage des französischen Verbands, der die Deutschen um Unterstützung während der Spiele bat.
Hennig tritt bei Wettkämpfen im Rettungsschwimmen an. Wäre das Rettungsschwimmen olympisch, wäre sie also vielleicht als Athletin dabei. „2032 soll es ins Programm aufgenommen werden“, sagt die Würzburgerin, die seit Anfang des Jahres zur DLRG-Mannschaft in Bietigheim-Bissingen gehört. Bis also ihre Hauptsportart olympisch wird, muss sich die 26-Jährige noch gedulden. Dennoch konnte sie nun als Freiwillige viel Olympialuft schnuppern. Bei allen Wettbewerben auf oder im Wasser müssen Rettungsschwimmer bei den Spielen vor Ort sein. Die Eröffnungsfeier hat Hennig schon in Paris miterlebt und war seither im Einsatz. Beim Wasserball, Rudern oder Turmspringen. Immer stand sie parat, falls ein Unfall passiert oder ein Sportler Hilfe braucht. „Das sind natürlich alles fitte Athleten, aber die gehen eben auch bis ans Limit in ihren Sportarten, und da kann es schon vorkommen, dass sie sich verausgaben und im Wasser Hilfe brauchen“, sagt Hennig, die im Hauptberuf gerade ihr juristisches Referendariat abgeschlossen hat.
Stimmung bei Olympia „unglaublich“
Untergebracht war Hennig in einem Studentenwohnheim in Paris. Ein Shuttle brachte sie und ihre Kollegen täglich zu ihren Einsätzen. Kost und Logis waren frei, bezahlt wurden die Freiwilligen nicht. Das Highlight für die Juristin war ihr Einsatz in der großen Schwimmarena. „Die Stimmung dort war einfach unglaublich“, sagt sie.
Als Rettungsschwimmerin bekomme man viele Einblicke, die dem Fernsehzuschauer verborgen bleiben. „Ich habe noch nie so viele weinende Athleten gesehen, und das sind nicht immer Freudentränen. Man merkt, unter welch enormem Druck viele stehen.“ Seit sie zwölf Jahre alt ist, misst sich Hennig in Schwimmwettkämpfen, daher war es für sie etwas ganz Besonderes, den großen Stars des Schwimmsports so nahe zu kommen. „Natürlich fragt man nicht nach einem Selfie, dazu sind die Athleten auch viel zu fokussiert, aber schon der Blick hinter die Kulissen war beeindruckend“, sagt Hennig. Sie berichtet davon, dass die Rettungsschwimmer auch Nichtathleten stets im Blick haben: „Die Kameramänner beugen sich beim Finish im Schwimmen richtig über die Anschlagmatte und werden teilweise nur am T-Shirt festgehalten.“ Eintrittskarten für andere Events erhalten die Freiwilligen nicht, und um Tickets zu kaufen, reichte die Vorlaufzeit bei der Schichteinteilung nicht aus.
Organisation bei den Olympischen Spielen enttäuschte
Enttäuscht hat Hennig, die an diesem Freitag die Heimreise antrat, die Organisation. Meist habe sie erst sehr kurzfristig ihren Einsatzplan erhalten. Auch die Einteilung, also wer zu welcher Sportart gehe, sei nicht immer nachzuvollziehen. So war sie einmal bei heimischen Fans postiert, obwohl dort Muttersprachler besser aufgehoben wären. Sie berichtet auch davon, wie sie einmal bis 23.30 Uhr beim Wasserball Dienst geschoben habe, erst um 1 Uhr in ihrer Unterkunft angekommen sei und am nächsten morgen um 4.30 Uhr schon wieder mit dem Shuttle zur 7-Uhr-Schicht fahren sollte.
Trotzdem hat sie das Erlebnis „Olympia“ sehr genossen. Am Donnerstagabend hatte sie bei den Finals der Schwimmwettbewerbe „den besten Platz im ganzen Stadion“. Das sei „ein wunderschöner und krönender Abschluss gewesen“.
Was ist Rettungsschwimmen?
- Wettbewerbe: Etwa 60 000 Mitglieder der DLRG betreiben aktiv Rettungsschwimmen als Sportart, von lokalen Meisterschaften bis hin zu deutschen und internationalen Wettkämpfen. Dabei kämpfen die Sportler sowohl im Pool als auch im Freigewässer.
- Disziplinen: Es gibt verschiedene Kategorien beim Rettungsschwimmen. So werden in einer Disziplin etwa Puppen geschleppt, in einer anderen mit Flossen geschwommen oder Hindernisse überwunden. Auch in Freigewässern gibt es mehrere Disziplinen, die tatsächliche Rettungseinsätze oder Teile davon simulieren.
- Olympia: Derzeit ist der Rettungssport ein Kandidat für die Olympischen Spiele 2032 in Brisbane, Australien. In der Szene gilt Down Under sozusagen als Mutterland des Rettungssports. Der Weltverband der Wasserrettungsorganisationen International Lifesaving Federation arbeitet intensiv an der Aufnahme ins olympische Programm, und die DLRG unterstützt das Vorhaben. Im kommenden Jahr soll dann die Entscheidung fallen.