Fabian Raum rettete bei einem Wohnungsbrand seinen querschnittsgelähmten Nachbarn. Dafür wurde er nun mit der Rettungsmedaille des Landes ausgezeichnet.
Mitten in der Nacht wird Fabian Raum von einem seltsamen Geräusch geweckt. „Es war kurz nach zwei, da bin ich aufgewacht und habe die Sirenen des Rauchmelders aus der Wohnung nebenan gehört und dann Rufe draußen“, erzählt er.
Raum steht auf, zieht sich schnell an und läuft über die Terrasse seiner Erdgeschosswohnung an der Saalfeldener Straße in den Garten. „Als ich zur Tür raus bin, habe ich schon den Rauch aus der kompletten Nachbarwohnung kommen sehen.“ Die Wohnung seiner Nachbarn, Nadine und Michael Feist, beide sind kleinwüchsig, steht in Flammen. Ein defekter Staubsauger-Akku hat den Brand ausgelöst, wie sich später herausstellt.
Ausbruch des Feuers
Fabian Raum springt über den Zaun in den Garten nebenan, wo bereits zwei Nachbarn stehen, auch Nadine Feist ist da mit ihrem zweijährigen Sohn. „Ich habe gesehen, dass die Wohnung komplett brennt und sie gefragt: Wo ist der Micha?“ Nadine Feist zeigt auf das Schlafzimmerfenster, hinter dem sich ihr querschnittsgelähmter Mann in hilfloser Lage befindet. „Ich riss das Fliegengitter ab“, erzählt Fabian Raum, „kletterte ins Schlafzimmer und setzte Michael aufs Fensterbrett, wo ein Nachbar ihn übernahm.“ Das Wohnzimmer steht bereits in Flammen, der Rauch dringt ins Schlafzimmer. Bevor er das Zimmer verlässt, bittet Michael Feist seinen Retter noch, den Spezialrollstuhl zu holen. „Ich kehrte um, schnappte den Rollstuhl und kletterte hinaus.“ Mit einem inzwischen angerückten Polizeibeamten rennt Raum dann um das Haus, klingelt andere Bewohner wach und warnt sie.
„Wir kennen die Feists, haben ein gutes, nachbarschaftliches Verhältnis, und ich weiß, dass Micha im Rollstuhl sitzt“, sagt Raum. „Mir war klar, dass er sich nie über das brennende Wohnzimmer retten kann, ich musste rein.“ Über mögliche Gefahren für sich, habe er sich bei seiner Rettungsaktion keine Gedanken gemacht, sagt der 32-Jährige. „Das ging alles so schnell. Ich habe das Feuer gesehen, bin ans Fenster und habe einfach reagiert. Erst hinterher wurde mir bewusst, dass ich vielleicht hätte ohnmächtig werden können.“ Dennoch: „Für mich wäre es keine Option gewesen, draußen stehen zu bleiben und zu wissen, es brennt und da ist noch jemand in der Wohnung. Da nur zuzuschauen, das könnte ich nicht.“
Anerkennung für den Lebensretter
Für seinen außergewöhnlichen Mut und seine Mitmenschlichkeit, die er in jener Novembernacht 2023 gezeigt hat, wurde Fabian Raum am Samstag im Rahmen des „Backnanger Blaulichttages“ die Rettungsmedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen. Die Rathausspitze hatte die Auszeichnung beim Staatsministerium angeregt.
Der Blaulichttag, ein Festtag, der den ehrenamtlichen Mitgliedern der Blaulichtorganisationen der Stadt gewidmet ist, bot den würdigen Rahmen für die Verleihung. Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich würdigte den herausragenden Einsatz Raums, um ein Menschleben zu retten: „Sie haben sich nicht von Angst oder Gefahr einschüchtern lassen“, sagte der OB. „Ihr außergewöhnlicher Mut und Ihre Selbstlosigkeit sind beispielhaft für die Werte, die unsere Gemeinschaft zusammenhalten. In einer Welt, die oft von Egoismen geprägt ist, haben Sie eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig es ist, füreinander da zu sein und Verantwortung zu übernehmen.“ In einer Situation, die für die meisten unvorstellbar sei, habe Fabian Raum bewiesen, dass Solidarität und der Einsatz für andere die höchsten Werte unserer Gesellschaft sind. „Sie haben den Geist der Gemeinschaft und des Zusammenhalts gelebt“, sagte Friedrich. „Sie sind ein Vorbild für uns alle, und es ist daher mehr als angemessen, dass Ihnen heute die Rettungsmedaille des Landes verliehen wird, so der OB: „Höchsten Respekt, höchste Anerkennung und höchsten Dank!“
Verändert habe sich sein Leben nach der Rettungsaktion im November nicht wirklich, sagt Fabian Raum. „Wir haben uns einen Feuerlöscher zugelegt, und ich achte darauf, welche elektronischen Geräte ich vielleicht besser ausstecke.“ Die Angelegenheit sei für ihn eigentlich erledigt gewesen. „Als ich dann den Brief der Stadt bekommen habe, in dem stand, dass ich die Medaille bekomme, bin ich aus allen Wolken gefallen.“ Über die hohe Auszeichnung freue er sich, wenngleich er nicht im Mittelpunkt stehen mag, schon gar nicht in der Zeitung: „Ich habe jemandem geholfen, so haben mich meine Eltern zum Glück erzogen“, sagt Raum: „Das muss man nicht so hoch hängen.“
Neben der Rettungsmedaille des Landes an Fabian Raum wurden beim Blaulichttag auch rund ein Dutzend engagierte ehrenamtliche Mitglieder der Einsatz-, Rettungs-, Hilfs- und Blaulichtorganisationen gewürdigt. OB Maximilian Friedrich verlieh den vom Gemeinderat gestifteten „Backnanger Stadtturm“ an:
– Anne Fix (DRK-Kleiderkammer)
– Irma Reisbich (DRK-Kleiderkammer)
– Ludmila Schneider (DRK-Kleiderkammer)
– Theo Fleischmann (Feuerwehr Steinbach)
– Robin Hutt (Technisches Hilfswerk Backnang)
– Wolfgang Kasper (Feuerwehr Backnang)
– Anna-Theresa Langenstroer (Feuerwehr Backnang)
– Matthias Mauritz (Feuerwehr Backnang)
– Jörg Schaal (Feuerwehr Backnang)
– Hauke Simoneit (Deutsche Lebensrettungsgesellschaft Backnang)
– Karl-Heinz Vogel (Feuerwehr Backnang)
– Rolf Waibel (Feuerwehr Backnang)
– Roger Weik (Feuerwehr Backnang)
Rettungsmedaille und Anerkennung
Medaille
Die Rettungsmedaille kann an Personen verliehen werden, die unter besonders schwierigen, mit Gefahr für das eigene Leben verbundenen, Umständen Menschen aus Lebensgefahr gerettet haben.
Anerkennung
Eine öffentliche Anerkennung kann ausgesprochen werden, wenn eine Rettungstat zwar unter besonders schwierigen Umständen, aber ohne unmittelbare Gefahr für das eigene Leben ausgeführt worden oder ohne Erfolg geblieben ist.