Die Retter im Land sollen schneller werden. Über das Wie sind sich Politik und Fachleute uneinig Foto: dpa

Die Notfallrettung im Land soll sich ver- bessern. Dafür will das Land die Rechte von Städten und Landkreisen stärken. Krankenkassen und Rettungsorganisationen werden in die Verantwortung genommen. Doch Experten hätten sich deutlich größere Schritte gewünscht.

Stuttgart - Seit Jahren schaffen es Rettungsdienste und Notärzte in vielen Regionen des Landes nicht, gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Zuletzt hat sich die Lage sogar wieder verschlechtert. Viel zu häufig reißen die Retter die sogenannte Hilfsfrist, binnen der sie am Einsatzort sein müssen. Besonders in ländlichen Regionen sind die Wege zu weit, die Einsätze zu zahlreich, die Fahrzeuge und Mitarbeiter zu wenig. Doch mehr Geld von den Krankenkassen gibt es nur in den wenigsten Fällen.

Die Landesregierung will jetzt mit einer Neufassung des Rettungsdienstgesetzes die Situation verbessern. „Dazu werden wir alle Elemente des Rettungseinsatzes beleuchten und die Bereichsausschüsse verpflichten, jedes Glied dieser Rettungskette regelmäßig zu überprüfen und zu optimieren“, sagte Innenminister Reinhold Gall am Dienstag. In Baden-Württemberg regeln sogenannte Bereichsausschüsse die Versorgung der Bevölkerung mit Rettungsmitteln. Vertreten sind dort die Rettungsorganisationen und die Krankenkassen zu gleichen Teilen. Diese Ausschüsse nimmt das Land damit stärker in die Pflicht, die aktuelle Lage jederzeit im Auge zu haben und zu verbessern.

Erfahrungsgemäß sind die Diskussionen zwischen Kassen und Rettungsorganisationen aber zäh – vor allem, wenn es ums Geld geht. Deshalb soll künftig den Städten und Landkreisen als Rechtsaufsicht mehr Bedeutung zukommen. Die Bereichsausschüsse sind künftig zur Berichterstattung verpflichtet. Wenn sie notwendige Verbesserungen nicht schnell genug umsetzen, können die Städte und Landkreise die Maßnahmen anordnen. Zum Gesetz gehören noch weitere Punkte – unter anderem eine Anpassung an das neue Notfallsanitätergesetz des Bundes. So werden in Baden-Württemberg von Januar 2021 an auf Rettungswagen keine Rettungsassistenten mehr erlaubt sein, sondern nur noch Leute, die das neue Berufsbild des Notfallsanitäters erfüllen.

Vielen geht das Gesetz nicht weit genug

Die Landesregierung erhofft sich von den Änderungen direkte Auswirkungen auf die Einsatzzeiten der Retter. „Wir wollen damit Verbesserungen zur Sicherheit der Notfallpatienten erzielen“, sagt Gall. Und gleichzeitig „weitere Erkenntnisse über den tatsächlichen Zeitbedarf des Rettungsdienstes gewinnen“.

Die Hilfsfrist selbst wird allerdings nicht angerührt. Bei den Diskussionen über das neue Gesetz war auch erwogen worden, sie künftig zweizuteilen. Bisher müssen sowohl Notarzt als auch Rettungswagen binnen zehn, in Ausnahmefällen 15 Minuten an Ort und Stelle sein – und das in 95 Prozent aller Einsätze. Hätte man das geändert, hätten Notärzte künftig mehr Zeit gehabt. Das war von Experten scharf kritisiert worden. Sie warfen der Regierung vor, das Gesetz an den mangelhaften Ist-Zustand anpassen zu wollen, anstatt sich um echte Verbesserungen zu bemühen. „Wir haben davon Abstand genommen“, sagt ein Ministeriumssprecher. Es habe aber ohnehin lediglich einen „Prüfauftrag“ gegeben.

Das stößt in Fachkreisen auf Zustimmung. Allerdings dürfte das neue Gesetz vielen nicht weit genug gehen. Die Landesärztekammer hatte nicht nur eine Verschlechterung der Hilfsfrist abgelehnt, sondern auch eine bessere finanzielle Ausstattung des Rettungsdienstes gefordert. Ob und wo die kommt, ist mit den neuen Regelungen offen.

„Eine Fachaufsicht ist nicht zu erkennen“

Nicht wenige Experten wollen nach wie vor eine komplette Neuaufstellung des Systems in Baden-Württemberg. Sie fordern eine Abschaffung der Bereichsausschüsse mit ihrem Selbstverwaltungsprinzip. Stattdessen sollen wie in anderen Bundesländern die Kommunen und Kreise direkt festlegen können, was für die Versorgung der Bevölkerung notwendig ist. „Mit dem neuen Gesetz wird wieder nur herumgedoktert, anstatt etwas zu verbessern“, sagt ein Experte vom Forum Notfallrettung Stuttgart, „die Selbstverwaltung funktioniert nicht.“

Dazu gehört für ihn auch, dass eine weitere Forderung vieler Fachleute nicht umgesetzt werden soll. Sie fordern einen sogenannten Ärztlichen Leiter Rettungsdienst, der innerhalb des Rettungsdienstbereichs unabhängig von den beteiligten Rettungsorganisationen die Qualität überwachen kann. „Eine Fachaufsicht ist nicht zu erkennen“, sagt der Experte.

Das Rettungsdienstgesetz kommt jetzt in die Anhörung. Laut dem Ministeriumssprecher soll es nach der Sommerpause vom Kabinett verabschiedet werden. Im Oktober soll dann der Landtag darüber entscheiden.