Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Schluss mit Gastro statt Theater: Dank städtischer Förderung kann das „La Lune“ den Stuttgarter Osten wieder neu beleben.

Stuttgart - Julianna Herzberg streut Parmesan auf rohe Blätterteighalbkreise. Ein Klecks Tomatensoße, Kräuter, Käse: fertig. „Aber es sind Halbmonde, keine Kreise“, verbessert sie und schiebt das Blech mit den gelblichen Teigwinzlingen in den Ofen. Es quietscht. Der Lack an der Ofentür ist mit den Jahren fleckig geworden, die Arbeitsfläche über der Spüle schimmert matt. Doch trotz aller Makel: In der Zwei-Quadratmeter-Küche duftet es. Nach Blätterteighalbmonden also, passend zur französischen Phrase „La Lune“. So nämlich heißt Herzbergs kleines Theater am Ostendplatz, für das sie heute selbstgebackenes Finger Food vorbereitet.

Seit 2013 führt die Halbfranzösin ihre 25-Quadratmeter-Spielstätte, die Kunst und Kulinarik mit französischem Einschlag bieten will, quasi im Alleingang: 36 Zuschauerplätze gibt es hier, wenn Herzberg zusätzlich ein paar Stühle auf den Gang stellt, knapp 40. Das kleinste Theater Stuttgarts, meint sie selbst und schaut sich um.

Vor ein paar Jahren noch stand an derselben Stelle der Verkaufsraum einer ansässigen Bäckerei, die heutige Bühne markierte den Aufgang zu einem kleinen Stehcafé. Bevor Herzberg, die selbst ausgebildete Schauspielerin ist, ihr Theater eröffnete, baute sie die Jugendstilwohnung in der Haußmannstraße um, riss zum Beispiel die Wand zum ehemaligen Kühlraum ein und schaffte so Platz für eine Bühne. „Wir wollten dem Osten damit eine Alternative zwischen Dönerbude und Casino bieten“, erklärt sie.

Mit Theatern ist der Stuttgarter Osten bisher nämlich alles andere als gesegnet. Nur fünf kleine Spielstätten befinden sich nach Angaben der Stadt in dem Bezirk. Zu wenig Publikum, zu hohe Mieten, zu schlechte Anbindung – die Gründe dafür könnten vielfältig sein. „Auch bei mir gab es den Moment, an dem ich dachte, ich kann nicht mehr“, erinnert sich Herzberg. Um das Theater finanziell über Wasser zu halten, bot sie ihren Kunden dreieinhalb lang Jahre regelmäßig einen Mittagstisch an. In der winzigen Küche neben dem Bühnenraum kochte sie täglich fast 60 Mittagessen – und das lange Zeit in Eigenregie. „Das machen nur Verrückte“, gibt sie heute zu.

Inzwischen hat sich die Situation der jungen Mutter jedoch deutlich entspannt. Der Grund: eine institutionelle Förderung. 12000 Euro erhält Herzberg inzwischen jährlich von der Stadt Stuttgart, die die frankophile Spielstätte für ihren interkulturellen Ansatz lobt. Eine Erleichterung – wenn auch in der Realität nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Im Grunde ist die Summe nicht mal die Miete“, gibt Herzberg zu. Doch um reale Zahlen gehe es ihr nicht: „Ich bin froh, etwas Gesichertes zu haben und freue mich über die Anerkennung der Stadt.“

Mit der Summe im Rücken habe sie nun endlich Zeit, gezielt Eigenproduktionen zu entwickeln und sich auf die Stücke zu konzentrieren. Der Mittagstisch sei passé, jetzt stehe für sie die Kunst im Vordergrund. Mit dem Stuttgarter Regisseur Dieter Nelle teilt sich Herzberg ab der kommenden Spielzeit die künstlerische Leitung des Theaters und entwickelt gerade einen Spielplan. Der Fokus: Eigenproduktionen mit Botschaft und französischem Flair.