Die Restaurierung der alten Grabsteine ist aufwendig. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Arbeiten auf dem denkmalgeschützten Hopenlaufriedhof sind im Zeitplan: Die Hälfte der 1600 Grabsteine ist restauriert. Die Schrift wieder lesbar zu machen ist mit viel Aufwand verbunden.

Stuttgart - Restaurator Karl-Heinz Alber steht vor zwei Grabplatten mit den Aufschriften „Charlotte Veronika Doertenbach (1823–1836)“ und „Marie Charlotte Doertenbach (1794–1829)“. Beide sind jung gestorben, die eine mit 13, die andere mit 35 Jahren. Nachdem die Platten restauriert sind, sprechen sie wieder, denn die Inschriften sind nun gut lesbar. Jetzt rätselt der Restaurator, ob es sich bei den Verstorbenen um Mutter und Tochter handelt. „Dass die beiden Grabsteine direkt nebeneinander liegen und die Namensgleichheit der Vornamen lassen darauf schließen“, sagt Alber. Gedanken darüber, was die Inschriften über die Toten und ihr Leben aussagen, macht er sich häufig, wenn er ein gusseisernes Kreuz, eine Tafel und Grabsteine auf Stuttgarts ältestem 1626 angelegtem Friedhof so präpariert, dass die Schrift wieder entzifferbar und der Verfall der Denkmale gestoppt ist.

Er und die fünf Kolleginnen und Kollegen der Betriebe von Daniel Friedrich und Bärbel Dieruff sind mittlerweile im vierten Baufeld des ersten Bauabschnitts mit 160 Kreuzen und Grabsteinen angekommen. Damit sie ungestört arbeiten können, schirmt sie ein blickdichter Bauzaun ab. Spaziergänger können allerdings durch Gucklöcher auf die Baustelle blicken und auf den angebrachten Informationstafeln lesen, was sich dort tut. Und das ist bisher schon einiges: „Wir sind hervorragend im Zeitplan, haben dann insgesamt 850 von genau 1674 Kreuzen und Grabsteinen restauriert“, sagt Maurus Baldermann vom Garten-, Friedhofs- und Forstamt. Er ist selbst Steinmetzmeister und verantwortlich für die Arbeiten. „Es ist ein Riesenglücksfall für mich, das Projekt begleiten zu können. So eine Chance bekommt man nur einmal im Leben“, freut er sich darüber, dass der Gemeinderat nach anfänglichem Zögern grünes Licht für die 1,5 Millionen Euro teure Restaurierung gegeben hat. Mit rund einer Million beteiligen sich auch die Denkmalstiftung, der Bund sowie der Schwäbische Heimatbund. Letzterer hat das Projekt angestoßen und eine Spendenaktion ins Leben gerufen.

Bis auf elf Grabsteine können alle Denkmale auf dem Friedhof erhalten werden. In jedem steckt mindestens eine Woche Arbeit: Nach einer schonenden Reinigung werden die Grabplatten auf einem Kiesbett kaum sichtbar schräg gestellt. Dadurch dringt der Regen nicht mehr in den Stein, sondern läuft ab. Außerdem werden alle Steine mit Kieselsäure-Ester zum Schutz gefestigt. Hohlräume in den Grabsteinen und Platten werden hinterfüllt. Am meisten Arbeit steckt mit 300 Stunden in einem der beiden größten Monumente auf dem Hoppenlaufriedhof: in der Familiengrabstätte der Sicks. Sie waren Silberschmiede am Württembergischen Hof und Weinhändler. Der bekannteste Sick, Stadtschultheiß Heinrich von Sick (1822– 1881) wurde auf dem Pragfriedhof beigesetzt. Ebenso der Architekt Karl von Etzel (1812–1865). An dessen Familie erinnert das andere große Monument auf dem Hoppenlaufriedhof. Auch Karl von Etzel war dort begraben. Weil er jedoch seine letzte Ruhestätte neben seiner Frau haben wollte und auf dem Hoppenlaufriedhof zu deren Todesdatum kein Platz mehr für Erdbestattungen war, wurde er exhumiert und neben seiner Gattin auf dem Pragfriedhof bestattet.

Ende Oktober werden die Arbeiten auf dem Hoppenlaufriedhof bis zum Frühjahr eingestellt. Dann nehmen die Restauratoren den israelitischen Teil des Hoppenlaufriedhofs in Angriff. Baldermann: „Da sind noch viele Absprachen zu treffen, da es Regeln gibt, die beachtet werden müssen.“ Zum Beispiel müssen Männer Kopfbedeckung tragen, und Grabsteine dürfen nur in die Hand genommen werden, wenn es unbedingt erforderlich ist. Abgeschlossen sein sollen sämtliche Arbeiten 2020/21.

Baldermann würde sich anschließend für den Friedhof ein Parkpflegewerk wünschen, dass Wege, Mauern, Baumbestand einbezieht. Das wurde bisher vom Gemeinderat nicht bewilligt. Doch steter Tropfen höhlt den Stein – mit Ausnahme der restaurierten Grabsteine auf dem Hoppenlaufriedhof. Die sind jetzt für eine lange Zeit davor geschützt, vom Regen ausgehöhlt zu werden.