Jana Nowak ist Tragwerkplanerin im Stuttgarter Ingenieurbüro knippershelbig und für nachhaltige Strukturen zuständig. Foto: knippershelbig

Die Stuttgarter Bauingenieurin Jana Nowak hält kreislaufgerechte Projekte wie die weitere Verwendung von Teilen des Breuninger-Parkhauses für „entscheidend“ für die Weiterentwicklung der Baubranche. Sie weiß, wie sich Bauabfall deutlich verringern ließe.

Das Breuninger-Parkhaus in Stuttgart weicht einem Smart Mobility Hub, bei dem das Ingenieurbüro knippershelbig die Tragwerksplanung übernimmt. Teile des abgebrochenen Parkhauses werden weiter verwendet. Bauingenieurin Jana Nowak ist im international tätigen Stuttgarter Ingenieurbüro knippershelbig als Tragwerkplanerin beschäftigt und auch für nachhaltige Strukturen zuständig. Im Interview erklärt sie, wo die Herausforderungen bei der Weiterverwendung gebrauchter Bauteile liegen.

 

Frau Nowak, Sie haben beim Abbruch des Breuninger-Parkhaus-Aufzugs Stahlbauteile ’gerettet’, was passiert nun damit? Was sind die Herausforderungen bei solch einer Weiternutzung?

Derzeit arbeiten wir in interdisziplinären Teams an mehreren zirkulären Pilotprojekten, darunter der ‚Mobilitäts Hub‘ in Stuttgart mit haascookzemmrich STUDIO2050 und dem Kinder- und Jugendhaus ‚Regenbogenwald‘ in Darmstadt mit blrm Architekten und Architektinnen aus Hamburg. Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Breuninger und der Kooperationsbereitschaft des Abrissunternehmens AWR Abbruch sollen Stahlbauteile aus dem ehemaligen Breuninger-Parkhaus in beiden Projekten zum Einsatz kommen.

Das Breuninger-Parkhaus in Stuttgart weicht dem Mobility Hub, Teile des Altbaus werden weiter verwendet. Foto: Alexander Müller

Wo liegt der Nutzen bei solch einer Weiternutzung?

Kreislaufgerechte Pilotprojekte wie diese sind entscheidend für die Transformation der Baubranche. Also weg von einer emissions- und ressourcenintensiven Linearwirtschaft,

. . . bei der Material nur einmal verwendet wird . . .

. . . und die enorm viel Bauabfälle produziert, und hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Diese nutzt dann ausschließlich die innerhalb der planetaren Grenzen zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Was sind die Herausforderungen beim kreislaufgerechten Bauen und Umbauen?

Zwischenlagerung stellt eine große Hürde dar. Denn meistens gibt es eine erhebliche zeitliche Diskrepanz zwischen Rückbau oder Erwerb der Bauteile und Errichtung des neuen Bauwerks. Hinzu kommt die Logistik beziehungsweise der Transport der gebrauchten Bauprodukte und die Frage danach, wer für diesen Zeitraum die entstehenden Lager- und Transportkosten und die Gewährleistung übernimmt.

Wie könnte die Weiternutzung in rechtlicher Hinsicht leichter gemacht werden?

Eigentlich braucht es einen neuen Akteur am Markt, den „Einführer“.

Was würde dieser Akteur tun?

Dieser „sammelt“ sozusagen gebrauchte Bauteile, bereitet diese auf und gibt ihnen eine „Leistungserklärung für gebrauchte Bauteile“, wobei er denselben Pflichten wie ein Hersteller eines neuen Produktes nachkommen muss. Die dann vorliegende technische Leistungserklärung entbindet den ersten Wiederverwender, also den Bauherrn, von seiner Gewährleistung und damit vom Risiko, mit gebrauchten statt mit neuen Bauteilen zu bauen. Rückbauunternehmen oder Bauunternehmen könnten diese Marktsegmente zukünftig erschließen.

Und wie könnte das Problem der Platzbeschaffung für die Zwischenlagerung gelöst werden?

Generell ist die Schaffung von großen Lagerplätzen nicht unbedingt sinnvoll und eventuell zukünftig auch nicht nötig. Die Idealvorstellung wäre über computergestützte Entwurfsmethoden, die auf Bauteildatenbanken zugreifen, ein Bauteil-Matching durchzuführen. Bei dem findet Ausbau und Einbau ohne Wartezeiten statt, just-in-time sozusagen, so wäre keine Zwischenlagerung mehr nötig.

Wie wichtig sind Bauteil-Börsen, bei denen man gebrauchtes Material anbieten oder sich besorgen kann, gibt es die schon in Baden-Württemberg?

Bauteil-Börsen gibt es schon einige, bundesweit sind das Bauteilnetz, Restado und Concular zu nennen. Ein eigenes Bauteilbörse für Baden-Württemberg gibt es noch nicht. Aber Plattformen wie Ebay, Kleinanzeigen, nebenan.de und so weiter werden auch schon für die Suche und das Angebot von gebrauchten Bauteilen genutzt, vor allem für Ausbauelemente. Trotzdem werden wir als Tragwerksplaner hier kaum fündig.

Warum nicht?

Das Angebot von gebrauchten tragenden Bauteilen auf Bauteilbörsen und -katalogen ist stark begrenzt. Die bessere Möglichkeit für die Wiederverwendung von tragenden Bauteilen ist es, diese bereits im Zuge von Rückbauvorhaben zu übernehmen oder zu erwerben.

Und woran hapert es da?

Leider erschwert die mangelhafte Informationsübermittlung über anstehende Abrisse oder Rückbauvorhaben dieses Vorgehen. Darüber hinaus erfolgt der Abriss eines Gebäudes oftmals bevor Überlegungen angestellt werden, ob man selektiv rückbaut und verbaute Bauprodukte wieder verwenden könnte, sodass die Möglichkeit einer Rückgewinnung nicht mehr besteht.

Info

Jana Nowak
arbeitet als Tragwerksplanerin bei dem Ingenieurbüro knippershelbig. Sie hat an der Universität Stuttgart ihren Bachelor und Master in allgemeinem Bauingenieurwesen mit der Vertiefungsrichtung konstruktiver Ingenieurbau absolviert. Bei knippershelbig ist sie als „Head of Sustainable Structures” zuständig für nachhaltige Strukturen.

Büro
knippershelbig (www.knippershelbig.com) mit Sitz in Stuttgart, New York und Berlin ist ein international tätiges Ingenieurbüro für Tragwerks- und Fassadenplanung und setzt sich selbst zum Ziel, im Bereich der digitalen Planungsmethoden und der Umsetzung von emissions- und ressourceneffizienten Konstruktionen Pionierarbeit zu leisten. Das Büro schreibt sich nachhaltiges Planen und Bauen als gesellschaftliche Notwendigkeit auf die Fahnen: „Aus diesem Grund treiben wir seit 2001 zukunftsweisende Ansätze voran“, heißt es auf der Homepage des Unternehmens.

Projekte
Neben dem Smart Mobility Hub für die Firma Breuninger als Bauherrin und haascookzemmrich STUDIO2050 als Architekten wird das Büro gemeinsam mit den Architekten Hermann+Bosch und MKK-Architekten den Bau der Elefantenwelt in der Wilhelma in Stuttgart übernehmen und ist da für die Tragwerks- und Fassadenplanung verantwortlich. Bis 2029 soll für die Stadt München ein Konzerthaus nach dem Plan von Cukrowicz Nachbaur Architekten entstehen, knippershelbig übernimmt die Fassadenplanung und Sonderkonstruktion.