Auf dem Podium der „Mittendrin“-Veranstaltung diskutierten: Christoph Reisinger, Erdìnç Altuntas, Bahattin Akyildiz, Fritz Kuhn, Barbara Traub, Kamal Ahmad, Sören Schwesig und Jörg Hamann Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Mindestens zwei muslimische Vereine wollen in der Landeshauptstadt eine repräsentative Moschee errichten. Die Meinungen, wo das mit Minarett aus jeder Ecke erkennbare Gebetshaus stehen soll, gehen aber heftig auseinander.

Stuttgart - Ein Bild von der großen Moschee hängt bereits im Veranstaltungsraum des örtlichen Ditib-Vereins in der Mauserstraße 19. Ein Bild, das den Gläubigen Ansporn sein soll. Repräsentativ wäre der Bau, der der Feder des Architekten der allseits gelobten Bil-Schule entstammt, auf jeden Fall. Aber kann man in einem Gewerbegebiet in Feuerbach tatsächlich repräsentieren?

Auf jeden Fall, findet Bahattin Akyildiz, der stellvertretende Vorsitzende des örtlichen Ditib-Ablegers, bei der „Mittendrin“-Veranstaltung unserer Zeitung am Montag in den Veranstaltungsräumen des Vereins. Näher an der City ließen sich nie die erforderlichen Parkplätze unterbringen, und „das Gelände, 8500 Quadratmeter, gehört uns, schuldenfrei!“, unterstreicht Akyildiz den Anspruch des Vereins, nur hier zu bauen. „Bis in vier Jahren soll die Moschee stehen, mit Gemeindezentrum brauchen wir wohl acht Millionen Euro“, sagt Akyildiz.

Ditib steht für Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion. Der Ditib-Vorstand für Württemberg ist Erdìnç Altuntas. Auch Altuntas will nach Jahrzehnten endlich in Stuttgart erreichen, was in der Region schon möglich war: Ein Moscheebau, der ein Signal setzt, der sich nicht in früheren Fabrikgebäuden quasi versteckt. Altuntas vertritt 100 000 Muslime. „Zentrumsnah zu bauen, damit würden wir ein Zeichen setzen, dass wir angekommen sind in dieser Stadt.“ In Feuerbach werde auf jeden Fall gebaut, aber „einen zweiten Neubau kann Stuttgart stemmen, bei 65 000 Muslimen allein hier“, wirbt Altuntas für seine Idee.

Bei OB Fritz Kuhn (Grüne) rennt er offene Türen ein. „Wenn 65 000 Menschen sagen, sie wollen eine ordentliche Moschee, dann haben sie ein Anrecht darauf, hier gilt schließlich Religionsfreiheit“, so Kuhn. In Feuerbach gebe es Baurecht, auch wenn der Gemeinderat natürlich noch zustimmen müsse. „Feuerbach hat Vorteile, hier wäre es leichter“, macht Kuhn Akyildiz Mut. Und wenn es Widerstände geben würde, „wollen wir diese in guter liberaler Stuttgarter Tradition abbauen“. Allen Stuttgartern empfehle er, sich mit der Moschee-Diskussion zu beschäftigen. „Religionsfreiheit heißt Respekt voreinander und gegenseitige Toleranz“, sagt das Stadtoberhaupt.

Toleranz ja, aber kein gemeinsamer Bau und keine Moschee, in der Imame unterschiedliche Ausrichtungen predigen, das will Kamal Ahmad, der Sprecher der Ahmadiyya Muslim Jamaat Stuttgart, nicht. „Es gibt im Islam eine Vielfalt wie im Christentum“, so der Vertreter einer Richtung, die sich in Bad Cannstatt trifft. „In einem Provisorium“, sagt Ahmad, und deutet an, dass auch er gern bessere Räume beziehen wollte.

Für Barbara Traub ist der Wunsch nach einem erkennbaren Ort pure Selbstverständlichkeit. „Die Synagoge im Hospitalviertel war für uns sehr wichtig, sie ist Gebetsraum und Gemeindezentrum für alle Generationen“, sagt die Vorstandssprecherin Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg auf die Frage von Jörg Hamann, Chef der Lokalredaktion. Die Türen der Synagoge stünden allen offen.

„Ich war sehr froh, als ich Ihren Entwurf gesehen habe“, sagt Søren Schwesig, Stadtdekan der Evangelischen Kirche und Sprecher der Ökumene in Stuttgart, und erhält dafür von den 220 Zuhörern viel Beifall. „Denn der Entwurf zeigt, dass Sie angekommen sind in diesem Land.“ Er erwarte aber, dass zum Beispiel die Türkei auch Kirchenneubauten zulasse. „Muslime sollten den Stuttgarter Geist bei Besuchen in ihrer Heimat mitnehmen“, so Schwesig, das könne in Sachen Toleranz helfen.

Ein Thema der Diskussionsrunde ist die Ausbildung und Bestellung der Imame. „Wäre es in Deutschland nicht richtig, dass Deutsch gepredigt wird, damit alle den Imam verstehen können?“, fragt Chefredakteur Christoph Reisinger. Erdìnç Altuntas verteidigt die bisherige Praxis, Imame aus der Türkei zu holen und sie vom Türkischen Staat bezahlen zu lassen. Die Ausbildung eigener Gelehrter in Tübingen sei im Aufbau. Der türkische Staat nehme trotz der Personalauswahl keinen politischen Einfluss, versichert Altuntas, „und wir wollen keine radikalen Strömungen“. Er solle sich dafür einsetzen, dass der türkische Staat auch hier ausgebildete Imame bezahle, fordert bei der Publikumsrunde die Grünen-Landtagsabgeordnete Muhterem Aras. Sie stammt aus Anatolien. „Mehr begrüßen würde ich, wenn der deutsche Staat uns als Religionsgemeinschaft anerkennen würde“, kontert Altuntas. Dann hätten die Gemeinden hier womöglich mehr eigene Mittel. Bei Muslim Jamaat werde „seit Jahrzehnten auf Deutsch gepredigt“, zeigt Kamal Ahmad Unterschiede zwischen den Glaubensrichtungen auf. „Deutsch zu sprechen wäre klug und ein Schritt der Integration, sonst kann Argwohn entstehen“, sagt Fritz Kuhn.

Einig sind sich die Muslime, dass beim größten Christentreffen in Stuttgart, dem Kirchentag, jeder für Übernachtungsmöglichkeiten sorgen würde. „Selbstverständlich kann ich mir vorstellen, bei uns Christen aufzunehmen“, sagt Ahmad. „Ich auch“, versichert Altuntas.