Die Bäuerin Zilima in Maroambihy ist für ertragreichere Vanille-Ernte, faire und feste ­Preise. Foto: Molitor

85 Prozent der Haushalte auf Madagaskar nutzen Holz als Energiequelle. Illegale Abholzung gefährdet nicht nur die biologische Vielfalt der Insel – sie schadet auch der Landwirtschaft.

Diego Suarez - Rauch beißt in den Augen. Dünne hellgraue Wölkchen wabern über die Lichtung, auf der Abdoul Mouknel einen Kuppelmeiler gebaut hat. Mitarbeiter befeuern den mehr als mannshohen grauen Kasten mit Eukalyptus-Holz. „Wir machen hier grüne Kohle“, sagt der 46-Jährige, den alle im Dorf nur Doudou rufen, stolz. Holzkohle der etwas anderen Art. Ein effizienter Brennstoff, der Madagaskar davor bewahren soll, weiter kopflos wie verschwenderisch seinen Naturwald abzuholzen. Mittlerweile sind gut 90 Prozent gerodet.

85 Prozent der Haushalte auf der viertgrößten Insel der Erde nutzen Holz als Energiequelle. Das war schon immer so. Das wird so bleiben. Fast die gesamte städtische Bevölkerung kocht auf den dreibeinigen Tukus mit Holzkohle. 590 Kilogramm Naturholz verbraucht eine Familie durchschnittlich im Jahr, denn Gas ist für die allermeisten Madagassen viel zu teuer. Und Solar-Öfen setzen sich in den dunklen Gassen nicht durch. Zudem sind kaum mehr als 15 Prozent der Stadthaushalte ans Stromnetz angeschlossen, auf dem Lande sind es sogar nur fünf Prozent. Untersuchungen zeigen, dass ein einziger Haushalt, der Kohle aus dem Naturwald in den traditionellen Kochöfen verbrennt, pro Jahr ein Hektar Naturwald vernichtet. Ein Haushalt, der Doudous grüne Kohle auf energetisch verbesserten Herden nutzt, verbraucht dagegen nur 0,35 Hektar – und zwar ökologisch akzeptabel aus nachwachsenden Eukalyptus-Plantagen.

Die illegale Abholzung gefährdet nicht nur die einmalige biologische Vielfalt der Insel und schadet dem Klima – sie bedroht letztlich auch die Lebensgrundlage der überwiegend von der Landwirtschaft lebenden Dorfbevölkerung. Denn sie führt nach immer öfter auftretenden heftigen Regenfällen zu Erosion und hinterlässt unfruchtbare Böden, die sich für einen profitablen Ackerbau nicht mehr eignen. Deshalb gibt es im Norden der Insel Männer wie Christian Andriamanantseheno.

Der 58-Jährige arbeitet in der Gegend um die 120 000 Einwohner große Provinzhauptstadt Diego Suarez im Auftag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) daran, dass die Bewohner von 88 Dörfern den Naturwald schützen und zugleich ihre Lebenssituation verbessern. 9000 Hektar Wald sind so seit 2005 wieder aufgeforstet worden. 3000 Hektar sollen folgen. Auf ödem rotbraunem Boden werden seit fast zehn Jahren in den hügeligen Plantagen Eukalyptus-Bäume angepflanzt. Ihr Vorteil: Sie schießen schnell in die Höhe und wachsen nach dem Fällen in fünf bis sechs Jahren wieder nach. Vier Meter hoch und mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern. „Das war am Anfang ein schwieriger Prozess“, sagt Christian. Denn die Madagassen lieben das Holzfeuer im Ofen, das ihren Reis so schmackhaft macht.

Nur langsam setzt sich das Projekt durch, das  von der GIZ noch bis Ende dieses Jahres mit insgesamt 20,6 Millionen Euro unterstützt wird. „Geduld ist nicht die Stärke der Madagassen“, sagt Christian gelassen. Und fünf Jahre Wartezeit bis zur ersten Eukalyptus-Ernte – das ist auf der Insel eine lange Zeit. Doch der 58-Jährige sieht Erfolge. „Mittlerweile machen 4200 Parzellen-Besitzer in 25 der 62 Gemeinden in der Region mit“ sagt er. „Die Leute merken: Je länger sie warten mitzumachen, desto größer ist der Druck auf den Naturwald.“

Abdoul Mouknel ist einer von denen, die die GIZ-Strategie früh begriffen und es damit zu bescheidenem Wohlstand gebracht haben. Sein Öko-Meiler bringt einen bis zu 100 Prozent höheren Gewinn, weil der fest installierte Ofen fast dreimal energieeffizientere grüne Kohle herstellt als offene traditionelle Meiler. Demnächst wird Doudou der Erste sein, der im Dorf Ankitsaka zwischen den Holzhütten und Wellblechverschlägen ein Steinhaus baut. 24 Mitglieder zählt seine Meiler-Kooperative, die die grüne Kohle produziert. Fast alle sind durch die Zusammenarbeit der GIZ mit den lokalen Behörden Landbesitzer geworden. Ein Drittel von ihnen sind Frauen.

3000 Ariary, kapp einen Euro, bekommt die Kooperative für einen Zehn-Kilo-Sack. Verkauf pro Monat: um die 1000. Marie Odette Bodivao trägt die Einnahmen säuberlich in eine Liste ein. Sie hat mit Hilfe der GIZ alles technisch, organisatorisch und buchhalterisch Nötige gelernt, um das Projekt selbstständig weiterzuführen. „Jetzt zahlen wir ordentlich Steuern und sind als Unternehmer auf der sicheren Seite“, sagt sie und lächelt.

Auch die Herstellung von energiesparenden Kochherden gehört zur deutschen Energieeffizienz-Strategie. In einem Hinterhof sitzen 17 Männer und Frauen auf der Erde im Schatten. Sie lernen, kleine von der GIZ entwickelte Lehmherde herzustellen, die etwa ein Drittel weniger Kohle als herkömmliche Metallöfen verbrauchen. Die Lehrlinge hämmern große Lehmklumpen zu Staub, rühren mit gleichmäßiger Bewegung eine braune Masse an, klopfen geduldig Metallplatten rund – am Produktionsende steht der eimergroße Herd für 3000 bis 7000 Ariary (ein bis zwei Euro) auf einer Verkaufstheke am Straßenrand in Diego. Neben fleckigen Bananen und ein paar kleinen Tomaten. 20 bis 30 Stück schafft ein Arbeiter im Monat. Bisher sind 8000 Stück verkauft – und die Nachfrage ist groß. Im nächsten Schritt sollen lokale Firmen entstehen, die die Kochherde in größerem Stil produzieren.

Hilfe zur Selbsthilfe. Drei Tagesreisen mit dem Bus entfernt, das sind rund 1200 Kilometer, pflanzen Maria Olga Rasoajanahary und Rosa Raveloaritiana in Analamanga nahe der Insel-Hauptstadt Antananarivo auf 100 Quadratmetern in fünf Reihen grüne Bohnen an. Auch sie werden von der GIZ unterstützt. Die Pflanzen werden mit einer Tröpfchenbewässerung großgezogen, sind qualitativ besser als die wild wachsenden und können so sechsmal im Jahr geerntet werden. Dem Klimawandel mit immer mehr sturzflutähnlichen Zyklonen zum Trotz. „Das Wetter kommt vom lieben Gott“, sagt die 45-jährige Maria und zuckt mit den Schultern. Aber sie begreift allmählich, dass ihr die neue Bohnenernte nicht nur etwa 60 Euro zusätzlich pro Jahr einbringt.

Mit Unterstützung der GIZ haben sie und 12 000 andere Kleinbauern Verträge mit der Firma Lecofruit abgeschlossen, die ihnen die Bohnen in garantierter Menge abkauft und unter anderem an deutsche Supermärkte wie Rewe und Penny exportiert. „Rund 500 000 Gläser im Jahr“ sagt Sylvain Perrusset, der Lecofruit-Regionalchef. Die Firma finanziert 4000 Bauern eine Krankenversicherung. Umgerechnet rund 60 Euro mehr im Jahr, das ist für die alleinerziehende Maria eine Menge Geld. Etwas über einen Euro kostet im Monat das Schulgeld für ihren siebenjährigen Sohn.

Die sieben Kinder von Zilima sind längst aus dem Haus. Weit weg von Maroabihy, 60 Kilometer von Sambava entfernt. Die 61-jährige Bäuerin pflanzt auf gut einem Hektar Vanille, das grüne Gold Madagaskars, an. Rund 80 Prozent der Vanille-Weltproduktion kommen aus Madagaskar. Das Gewürz bringt gutes Geld. In ihrem Häuschen stehen ein Fernseher und eine Sony-Anlage, der Strom kommt vom Generator. Neben der Couch hängt ein Plakat mit Abc-Symbolen, von Apple bis Zebra. Zur Vanille-Ernte muss Zilima zu ihren kleinen versteckten Plantagen oft weit in den Dschungel gehen. „Dieses Jahr bin ich zum ersten Mal nicht bestohlen worden“, sagt sie. Auch hier hilft die GIZ. Mamy Rajaonarisoa unterstützt Bauern wie Zilima, ihr Einkommen durch Ausweitung des Sortiments zu steigern und durch feste Verträge mit der Fabrik des Holzmindener Unternehmens Symrise vor Ort zu sichern. Training, Beratung, Schulung – die GIZ leistet ganze Arbeit.

Abdoul Mouknel heizt das Feuer unter seinem Meiler an. Er weiß längst, dass er den Naturwald schützen und trotzdem gutes Geld verdienen kann. „Später will ich auch mal Bäume pflanzen“, sagt Labasy, sein kleiner Sohn. Die deutsche Saat geht langsam auf.