Die jährliche Weidenschnitt-Aktion im Erdmannhäuser Biotop Höfle hat in diesem Jahr eine begeisterungswürdige Unterstützung erfahren.
Erdmannhausen - Kinder und Jugendliche, die Dritt- und Viertklässler der Astrid-Lindgren-Grundschule, deren Eltern und ganz allgemein Menschen, die sich in der Natur wohlfühlen oder sich für sie engagieren – sie alle tummeln sich an einem Samstag im Februar um die späte Mittagszeit auf dem Wiesengrund des Erdmannhäuser Biotops Höfle. Knapp 40 Entschlossene sind es, die bei kaltem, aber sonnigem Wetter mit Gartenscheren aller Couleur erschienen sind, um bei den dort üppig wachsenden Weiden Friseur zu spielen. „Man kann nicht viel falsch machen“, sagt Sabine Roth bei der Begrüßung zu den Umstehenden und antwortet so auch einer Teilnehmerin auf deren bange Frage.
„Ungefähr so dick, wie der Durchmesser einer Rute ist, so viel sollte etwa stehenbleiben“, erklärt die Vorsitzende des örtlichen Obst- und Gartenbauvereins (OGV), der in Kooperation mit der Grundschule und dem neu gegründeten Ausschuss für Landschafts- und Biodiversität (ALB) auch heuer wieder den Aufruf für die Schnitt-Aktion gestartet hat. Denn die typische Kopfform der Weiden kann sich nur ausbilden, wenn die wasserliebende Pflanze regelmäßig geschnitten wird. Ohne Pflege würde sie irgendwann sogar auseinanderbrechen.
Wichtig für das Ökosystem
Im Schnitt sind es zwei Zentimeter, die stehen bleiben und die der Pflanze den eigenwilligen Look einer Stoppelfrisur geben. Das regelmäßige Kappen in Reichhöhe des Menschen macht sichtlich Spaß. Der Stamm wird im Laufe der Jahre zunehmend kräftiger und bildet am oberen Ende Verdickungen, eine Art Kopf, aus dem immer wieder Ruten wachsen. „Bis zu 450 Weidenarten soll es geben“, sagt Sabine Roth und erklärt, dass schon mal bis zu neunzig verschiedene Käferarten in den Weiden leben. „Die Höhlungen und Nischen, die sich bilden, werden auch von kleinen Vögeln als Behausung genutzt und sind für das Ökosystem sehr wichtig“, erklärt Roth weiter, bevor die Gruppe der Helfer sich auf einzelne Weiden verteilt. Rund 30 Exemplare weist das Terrain auf, die jetzt den Kopf herhalten müssen.
Ein lebhaftes Schnipp-schnapp ist zu hören. Ein akustisches Element, das sich zum plätschernden Singsang des kleinen Baches hinzufügt, der hier über den Wiesenboden mäandert und über den jeder vorsichtig hinweg steigen muss, der keine nassen Füße haben mag.
Aufpassen ist auch beim Schneidevorgang selbst angesagt, um nicht eine der herunterfallenden Ruten auf den Kopf zu bekommen. Denn oft stehen zwei oder drei Personen um eine Weide und legen Hand an.
Nur noch selten für Körbe verwendet
Die Ruten des kräftigen Wasserschlürfers werden auch heute noch, jedoch selten, für Körbe aller Arten verwendet. Die fleißigen Helfer vor Ort dürfen sie, nach erfolgreichem Schnitt, mit nach Hause nehmen, wenn sie dies wollen. ALB-Mitglied Martin Probst hat sich bereit erklärt, die Ruten-Bündel, die manch ein Helfer vor sich aufgetürmt hat, jedem Einzelnen vors Wohnhaus zu fahren. Das restliche Schnittgut kommt in einen großen Container.
Manfred Elsner, der mit seiner Tochter Carmen und den Enkelsöhnen Lenny (6 Jahre) und Collin (4 Jahre) gekommen ist, hat vor einiger Zeit selbst noch Körbe geflochten. „Aber aus geschälten Weidenruten“, sagt der Helfer, der sich in diesem Moment mit solchen abkämpft, die mehr nach innen gewachsen sind.
Remus Brehm hat an diesem Tag eine komplett andere Aufgabe: Der 15-Jährige hat ein Steuergerät in der Hand und verfolgt seine Drohne, die über dem Geschehen schwebt und Aufnahmen aus der Luft macht. „Fotos fürs Gemeindeblättle“, sagt er strahlend. Derweil müht sich die zehnjährige Tamara damit ab, mit der Gartenschere die dünneren Exemplare langer Ruten abzuschneiden. Hilfe kommt schließlich von ihrer Mutter und Schwester Elena.
Weiter oben kommt die Teleskop-Schere zum Einsatz
Albert Fischer ist zum neunten Mal mit von der Partie. Geschickt bringt er die Teleskop-Schere zum Einsatz, um die höher gewachsenen Weiden zu beschneiden. „Heute fehlt leider unser Zweimetermann“, sagt er bedauernd und passt auf, dass sich nicht gleich drei Rutenschlangen in die Öffnung der Schere einfädeln. „Das schafft sie dann nämlich nicht.“
Die Schulleiterin der Grundschule, Beate Hartmann-Matter, hat nach sieben Jahren der Teilnahme, „die aber stets auf Freiwilligkeit basiert“, inzwischen recht viel Übung gesammelt.„Dieses Mal sind es echt viele“, sagt Hartmann-Matter beeindruckt von der großen Helferschar.
Die zwölfjährige Dulfina ist darüber aber gar nicht so froh: „Schade, dass es so schnell vorbei ist. Letztes Jahr waren es viel weniger Leute“, sagt sie, als sie bemerkt, dass nach einer knappen Stunde nicht mehr viel zu tun ist. „Ratzfatz geht das“, sagt Sabine Roth. Sie ist wiederum sehr erfreut, aber auch etwas überrascht von dem Tempo. Schnell muss sie nach Hause, um die heißen Würste und Brötchen zu holen, damit die Helfer noch rechtzeitig ihr Vesper erhalten.