Eskrima lehrt nicht nur den Angriff mit Stöcken, sondern auch die elegante Abwehr mit den bloßen Händen. Foto: KS-Images.de / Karsten Schmalz

Stefan Stöhr ist seit seinem siebten Lebensjahr im Kampfsport aktiv. Sein Wissen gibt der Ju-Jutsu-Lehrer in seiner Budokwai-Schule in Steinheim und in der olympischen Bewegung weiter.

Steinheim - Mit Engelsgeduld wehrt Corinna den unbeholfenen Stockschlag ihres Trainingspartners ab. Wie selbstverständlich integriert die Kampfsportlerin den etwas tapsigen Anfänger in den Trainingsalltag bei Budokwai in Steinheim. Kein Wunder, denn sie erinnert sich noch an ihre eigenen Anfänge. Mit asiatischer Langmut zeigt sie dem Novizen nochmals in Zeitlupe die Bewegungsfolge. „Schau, klatsche mit der Hand wie mit einem nassen Waschlappen hier auf meinen Arm, und dann kontere mit einem Schlag. Und jetzt entwaffne mich so . . . !“

„Es ist eine Schule fürs Leben“

Und schon zeigt der muskulöse Trainer Stefan Stöhr die nächste Übung. Seit 2003 ist er hauptberuflicher Kampfsporttrainer mit eigener Sport- und Kampfkunstschule in Steinheim. Mit Leidenschaft und viel Einsatz trainiert Stöhr seit seinem siebten Lebensjahr Kampfsport. Nach seiner Prüfung zum schwarzen Gürtel im Judo hat er parallel mit Ju-Jutsu begonnen, das sich aus vielerlei Techniken zu einer Art übergeordnetem Kampfsport entwickelt hat und sehr viele Elemente aus den Kampfkünsten der Samurai beinhaltet. „Ju-Jutsu wird oft als der Zehnkampf der Kampfsportkünste bezeichnet, weil es so vielfältig ist. Von Schlag- und Tritttechniken bis hin zum Bodenkampf oder zur Abwehr von Angriffen ist alles dabei. Genau so lernst du, wie du Messer- oder Stockangriffe konterst“, beschreibt Stöhr den Facettenreichtum der Sportart. All das zu lernen, bedeutet lebenslanges Lernen. Heute ist Stöhr Meister und hat in Ju-Jutsu bereits den 5. Dan von zehn möglichen Meistergraden erreicht. Zusätzlich hat er Dan-Weihen in den unterschiedlichen Stilrichtungen von Jiu-Jitsu, Hanbo-Jutsu und Eskrima. Stefan Stöhr spricht mit ruhiger, fast sanfter Stimme. „Bei Ju-Jutsu lernst du nicht nur Kampfsport. Es ist eine Schule fürs Leben,“ sagt Stöhr. Offenbar mit Erfolg, denn die Silbe „ju“ steht für sanft und „jutsu“ für Kunst. Im Dojo – so wird der Übungsraum auf der gegenüberliegenden Seite des alten Bahnhofs in Steinheim genannt – hängen die Budo-Regeln. Sie deuten auf die Werte und den Respekt im Umgang miteinander hin. Spätestens im Training wird das offensichtlich. Vor dem Training verbeugt man sich, genauso wie nach jeder abgeschlossenen Einheit. „Ju-Jutsu ist defensiv, daraus resultieren unsere Gelassenheit und unser Selbstbewusstsein“, erläutert Stöhr die Grundlagen für einen wertschätzenden Umgang miteinander.

Philippinische Verteidigung mit Stöcken

In den Sechzigerjahren wurden die sich immer mehr zerfasernden Stilrichtungen von Judo, Jiu-Jitsu, Aikido und anderen ehemaligen Samuraitechniken zu Ju-Jutsu zusammengeführt. Vor allem die Polizeien in Deutschland waren an einer wirksamen Technik interessiert, wie sich ihre Teams bei Angriffen besser schützen könnten.

An diesem Tag steht Eskrima auf dem Trainingsprogramm. Das ist eine philippinische Verteidigung mit Stöcken, die auf den südostasiatischen Inseln entstanden ist. Weil Waffen für die einfache Bevölkerung verboten waren, bekämpften die Filipinos die Eindringlinge eben mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und wehrten sich so gegen ihre Peiniger und die zahlreichen Invasoren auf ihren Inseln.

„Wir lernen nicht nur sämtliche koordinativen Fähigkeiten, sondern schulen Körper und Geist in ihrer Gänze,“ sagt Stöhr. So beglückt es den Trainer ganz besonders, wie erfolgreich sich ehemalige Zöglinge auch im Berufs- und Privatleben entwickelt haben. Er freut er sich mit ihnen an deren Erfolg auf ihrem weiteren Lebensweg: „Meine Schüler sind meine zweite Familie.“ Längst trainiert Stöhr nicht nur in Steinheim. Zwischenzeitlich ist er Lehrwart im württembergischen Ju-Jutsu-Verband und bildet Trainer für den WLSB aus, den olympischen Ableger im Land Baden-Württemberg.

Selbstverteidigungskurse speziell für Frauen

Ein Thema liegt Stefan Stöhr ganz besonders am Herzen: Selbstverteidigung speziell für Frauen. In seinen zahlreichen Kursen bisher haben ihm die Teilnehmerinnen aller Altersgruppen gespiegelt, dass Gewalt und sexuelle Übergriffe leider keine Seltenheit sind. Das bedrückt Stöhr. Umso erfreulicher ist es für ihn, wenn die Absolventinnen hinterher schildern, wie sich ihr Sicherheitsgefühl und Selbstbewusstsein durch den Kurs gesteigert haben. Sie alle haben die Maxime von Stefan Stöhr verinnerlicht: „Der beste Kampf ist der, den man nicht kämpft. Die Vorbereitung schult, diszipliniert und prägt uns.“ Davon ist der sanfte Kampfkünstler Stöhr absolut überzeugt.