Hans-Peter Lindenmann hat vor mehr als 40 Jahren die Maienfelser Naturkosmetik-Manufaktur aufgebaut. Foto: Werner Kuhnle

Hoch über dem Brettachtal bei Wüstenrot betreibt Hans-Peter Lindenmann am Fuß der Burg Maienfels eine kleine Manufaktur für Düfte und Naturkosmetik. Über die Geschichte der einstigen Burgbesitzer führt eine Spur auch direkt ins Bottwartal.

Wüstenrot - Schon beim Eintreten werden die Sinne von der Vielfalt der Düfte in eine andere Welt entführt. Direkt unterhalb der Burg Maienfels liegt ein verwunschenes Anwesen mit einem großen Kräutergarten. Die kleine Manufaktur klebt wie ein Adlerhorst steil am Hang unterhalb der Burg hoch über dem Brettachtal. Über die Geschichte ihrer ehemaligen Besitzer führt eine Spur auch direkt ins Bottwartal. Die Freiherren von Weiler und einstigen Hüter des Bottwartals teilten sich für lange Zeit die Herrschaft über die Höhenburg mit anderen adligen Familien. Um 1800 herum haben sie jedoch ihr letztes Drittel am Besitz von Maienfels an die Herren von Gemmingen veräußert.

Hans-Peter Lindenmann ist heute am geschichtsträchtigen Ort der Herr der Düfte, Essenzen und Tinkturen. Der bald 70-Jährige hat vor mehr als 40 Jahren die Maienfelser Naturkosmetik aufgebaut. Dabei war ihm die Profession eines Düftezauberers nicht in die Wiege gelegt. „Im ersten Leben war ich ein Jünger Gutenbergs“, umschreibt er seinen ursprünglich erlernten Beruf des Typographen. Mit dem Verschwinden des Bleisatzes ließ er sich, der Not gehorchend, zum Krankenpfleger ausbilden. Für seine bettlägerigen Patienten mixte er Ringelblumensalbe oder setzte Johanniskrautöl an. Mit dem Segen der Pflegeleitung, wie er betont. Seine Cremes haben dann gegen Wundliegen weit besser geholfen als die üblichen, industriell gefertigten Salben.

„Hier brauchst du Liebe und Leidenschaft!“

Doch bis zum heutigen Wissen und der daraus entstandenen Manufaktur war es ein langer und steiniger Weg. Zehn Jahre hätte es gedauert, bis er ein bisschen davon leben konnte. Heute ist das anders: „Ohne Übertreibung kann ich sagen: Wir haben rund 1000 ätherische Öle, die wir alle selbst destillieren“, ist Hans-Peter Lindenmann auf das Erreichte stolz. Dafür sind dann seine Frau Caren und er noch bis vor kurzem in die Provence oder nach Kroatien gefahren und haben dort Blumen und Kräuter selbst gesammelt. „Das ist ein mühsames Geschäft“ und wird nach einigen Stunden zur Knochenarbeit. Bis heute ist Geld für den Unternehmer nicht der entscheidende Antreiber. „Hier brauchst du Liebe und Leidenschaft!“ Mit den Großen der Branche könne man sowieso nicht mithalten. „Wir fertigen ja nur mit einer Auflage von maximal 100 Einheiten. Mehr geht nicht in unsere Destille.“ Klein aber fein, nennt das Lindenmann. Denn jede Essenz, jeder Duft durchwandert die kleine Kupferdestillationsanlage. Hier wird in aufwendiger, ja fast alchemistisch anmutender Arbeit jedem Blümlein oder Kräutlein sein Duft entzogen.

Bis zu 20 000 Euro für einen Liter Rosenöl

Die Jagd nach ätherischen Ölen macht viel Arbeit und kostet noch mehr Zeit. Nicht umsonst sind die wertvollen Rohstoffe wie Rosenöl so teuer. Bis zu 20 000 Euro für einen Liter kostet dieses edle Öl. Es braucht dazu die schier unvorstellbare Menge von 8000 Kilogramm frischer Rosenblüten. Das muss alles durch die kupfernen Kessel hindurch. Und so sei es nicht verwunderlich, welche horrenden Summen manche Sammler für Düfte und Öle auf den Tisch blättern.

Lindenmann nimmt ein Stück Adlerholz aus dem Büroregal. Im Arabischen steht Oud für das wertvollste Holz der Welt. Das Holz des Aquilaria-Baumes wird übrigens erst durch einen Pilzbefall so wertvoll. Nur durch diese Krankheit entsteht dann das begehrte Harz. Sammler bezahlen bis zu einer Viertel Million Euro für das Kilo Holz in höchster Qualität. Das ist fünfmal teurer als Gold. Lindenmann hält ein Feuerzeug ans Holz. Feine Duftschwaden wabern durch die Luft. Experten beschreiben die Duftnote von holzig animalisch bis hin zu würzig bitter mit einer Spur von balsamischer Süße. Lindenmann riecht, genießt mit geschlossenen Augen und scheint weit in transzendente Sphären entrückt. Nicht umsonst galt der Duft bei vielen Naturvölkern als anregend für die Sinne und noch viel mehr.

Die Farbe des Duftes

Den Sinn für Düfte könne man wieder erlernen, ist sich Lindenmann sicher. Die Nase würde nach kurzer Zeit einen feinen Riecher für die unterschiedlichen ätherischen Öle entwickeln. Es gäbe ja allein rund 30 verschiedene Sorten unterschiedlicher Lavendelarten – und jede mit einer eigenen Note. „Synthetische Parfüms wären bei uns fast so etwas wie ein Kündigungsgrund“, zeigt sich Hans-Peter Lindenmann entsetzt über die vielen, heute meist künstlich erzeugten Chemieattacken mancher Zeitgenossen. Das bestätigt Sarah Deininger. Seit sie hier arbeitet, habe sich ihr Geruchssinn spürbar verfeinert. Früher war sie in der Welt unterwegs, heute ist sie eine Globetrotterin in der Welt der Düfte. Dabei ist ihr Geruchssinn schon von Haus aus sehr fein, denn sie hat Synästhesie. Riecht sie einen Duft, sieht sie eine Farbe, beschreibt sie dieses Phänomen, „zugleich über zwei Sinneskanäle wahrzunehmen.“ Doch diese besondere Form der Sinneswahrnehmung irritiert hier keinen der Kollegen in der Gilde der Supernasen.

Sehen und Hören machen heute in unserer medial überfluteten Welt mehr als neun Zehntel unserer Sinneswahrnehmungen aus. Doch wenn wir etwas Intensives riechen, geht das ungefiltert am Großhirn vorbei – direkt ins Stammhirn. Viele kennen das: ein Duft – und schon ist eine längst vergessen geglaubte Erinnerung plötzlich wieder präsent. Und so wird die Reise in diese kleine Manufaktur zu einer Reise zurück zu unserem fast verschütteten Geruchssinn.