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Zeitarbeitsfirmen wollten durch Billiglöhne sparen, das kommt sie wohl teuer zu stehen.

Berlin - 2700 Unternehmen der Zeitarbeitsbranche bekommen in den nächsten Tagen unangenehme Post. Sie werden von der Deutschen Rentenversicherung Bund offiziell darauf hingewiesen, dass sie womöglich noch Sozialbeiträge seit 2006 in ansehnlicher Höhe entrichten müssen. Schätzungen zufolge geht es um rund 600 Mio. Euro, die allein für das Jahr 2006 an die Sozialkassen überwiesen werden müssen. Für 2007, 2008, 2009 und 2010 ist jeweils mit Beträgen in dieser Größenordnung zu rechnen.

Dies beschlossen gestern Nachmittag die Spitzen von gesetzlicher Rentenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung, Unfallversicherung sowie der Bundesagentur für Arbeit (BA). Damit stellen sie sicher, dass nach dem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Zeitarbeit den Sozialkassen keine Beiträge verloren gehen. Die Sozialkassen waren unter Zeitdruck: Wenn der Brief erst 2011 auf die Post gegangen wäre, wären Ansprüche für das Jahr 2006 womöglich bereits verfallen.

Zum Hintergrund: Das BAG hatte Mitte Dezember ein weit reichendes Urteil zur Zeitarbeit gefällt: Demnach sind die Christlichen Gewerkschaften nicht tariffähig. Daraus folgt wiederum, dass die Tarifverträge, die die "Christlichen" mit einem der drei Arbeitgeberverbände der Zeitarbeit abgeschlossen haben, nichtig sind, damit schätzungsweise rund 300.000 Zeitarbeiter Anspruch auf den gleichen Lohn haben wie die Stammbelegschaften. Für sie gilt also das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Rentner können auf Nachzahlungen hoffen

Zudem kommen auf die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche womöglich noch nachträglich die Forderungen der Sozialversicherungen auf Beiträge für den zu Unrecht nicht gezahlten Lohn zu. Letztlich gibt es hier aber erst Gewissheit, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Damit wird frühestens im Februar gerechnet.

In dem Schreiben der Rentenkasse, das unserer Zeitung vorliegt und heute abgeschickt werden soll, heißt es: "Um Schaden von den Sozialversicherungen abzuwenden, sehen wir uns verpflichtet, hiermit fristwahrend die Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge geltend zu machen." Die betroffenen Unternehmen müssten selbst unverzüglich prüfen, "welche Beitrags- und Meldepflichten im Nachgang zu diesem Urteil zu erfüllen sind". Zudem müssen sich die Unternehmen der Zeitarbeitsbranche auf eine Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung im Jahr 2011 einstellen. Dabei werde dann ermittelt, "ob die Beiträge zutreffend abgeführt und entsprechende Meldungen abgegeben wurden".

Auch 300.000 Zeitarbeiter, die seit 2006 nach Tarifverträgen der "Christlichen" gearbeitet haben, sind nun gefordert. Sie können nicht nur die Differenz zum Lohn der Stammbelegschaft geltend machen. Wenn in der Folge des Urteils tatsächlich Sozialbeiträge nachentrichtet werden, könnten sie zusätzlich in Form höherer Rentenansprüche profitieren.

In einigen Fällen könnte sich sogar nachträglich die Rente erhöhen. Auch darauf weist die Rentenversicherung hin. "Betroffen können Rentenbezieher mit einem Rentenbeginn ab 2006 sein, für die in diesem Zusammenhang auch Beitragszeiten seit dem Dezember 2005 berücksichtigt wurden." Ruheständlern, die womöglich davon betroffen sind, rät die Rentenversicherung zur Eile: Damit die erhöhten Rentenleistungen rückwirkend auch noch für 2006 anerkannt werden können, sollten sie noch 2010 einen formlosen Antrag auf Überprüfung der Rentenzahlung bei ihrem Rentenversicherungsträger stellen.