Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) setzt in der Rentenpolitik andere Akzente als CSU-Chef Horst Seehofer: Schäuble will den Bürgern etwas zumuten. Foto: dpa

Finanzminister Wolfgang Schäuble hält wenig von leichtfertigen Versprechen bei der Rente: Wegen der demografischen Entwicklung müssten Menschen länger arbeiten.

Berlin - Einige Tage lang hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Rentendiskussion geschwiegen. Dabei berühren die Forderungen von CSU-Chef Horst Seehofer nach einem stabilen Rentenniveau auch den Finanzminister. Denn Seehofer hat den Vorschlag ins Gespräch gebracht, das weitere Absinken des Rentenniveaus durch einen höheren Steuerzuschuss auszugleichen. Damit schielt Seehofer auf Mittel aus dem Bundeshaushalt. Es wäre gleichwohl zu simpel, Schäubles Widerstand gegen großzügige Rentenversprechen allein mit fiskalischen Motiven zu begründen. Das Bundesfinanzministerium weiß aus vielen Analysen, dass die demografische Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten zu einer Unwucht bei den öffentlichen Finanzen und den Sozialversicherungen führen wird. Wenn die Zahl der Beschäftigten demografiebedingt sinkt, hat dies Folgen für die Steuer- und Beitragseinnahmen. In ihrem jüngsten Bericht zu Deutschland hat die internationale Wirtschaftsorganisation OECD ermittelt, dass wegen des Bevölkerungsrückgangs die Beschäftigung bis 2060 um 23 Prozent sinkt. Schäuble ist überzeugt, dass sich die Politik darauf einstellen muss.

Schäuble bietet Seehofer Paroli

Deshalb tritt er großzügigen Rentenversprechen entgegen. Man könnte es auch auf die Formel bringen, er bietet Seehofer Paroli. Anders als viele in der Koalition spricht der Finanzminister nicht von höheren Leistungen, sondern er hält Zumutungen für erforderlich. Wenn es nach Schäuble geht, soll über ein höheres Renteneintrittsalter nachgedacht werden. Konkret spricht er sich dafür aus, die steigende Lebenserwartung in der Rentenformel zu berücksichtigen. Da die Menschen immer länger leben, soll dies zu einem späteren Renteneintritt führen. Mit diesem Vorstoß greift Schäuble einen Vorschlag der OECD auf. Die OECD erkennt zwar an, dass Deutschland bis 2029 schrittweise die Rente mit 67 einführt. Diese Anpassung reiche aber nicht aus, meint die OECD: „Ohne weitere Anhebungen des Rentenalters würden Erhöhungen der Lebenserwartung nach 2029 das Haushaltsdefizit vergrößern, die Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit erhöhen und das Niveau der Rentenbezüge senken“, schreibt die OECD. Deshalb müsse die Politik handeln. Diese Einschätzung teilt der Finanzminister.

Widerspruch von Kauder und Oppermann

In den Koalitionsspitzen von Union und SPD, die im badischen Rust tagten, stieß Schäuble mit seinen Rentenüberlegungen auf wenig Gegenliebe. Selbst Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) äußerte sich konsterniert: In den letzten Tagen habe man gerade eine der höchsten Rentensteigerungen seit langem gehabt, da wolle er „jetzt nicht schon wieder eine Diskussion über die Rente“. Es gelte, den nach der Sommerpause erwarteten Rentenbericht abzuwarten. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte: „Ich halte nichts von einer gesetzlichen Veränderung der Altersgrenze für den Rentenbezug.“ Man habe gerade für Erwerbstätige mit 45 Versicherungsjahren die Rente mit 63 Jahren ermöglicht. Zum Vorschlag der Jungen Union, erst mit 70 Jahren in Rente zu gehen, sagte Oppermann: „Was die Junge Union sagt, haben wir hier gar nicht zur Kenntnis genommen.“ Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) lehnte die Forderung Schäubles nach einem späteren Rentenbeginn ab. „Das steht nicht zur Debatte“, sagte eine Sprecherin ihres Ministeriums in Berlin.

Großer Klärungsbedarf bei der Rente

Der vielstimmige Chor in der Koalition zeigt, wie groß der Klärungsbedarf bei der Rente ist. In den nächsten Monaten wollen Union und SPD darüber verhandeln, wie das Niveau der gesetzlichen Rente für künftige Ruheständler stabilisiert werden kann. Außerdem geht es um die Reform der Riester-Rente. Am weitesten fortgeschritten sind die Diskussionen bei den Betriebsrenten: Die Koalition denkt über eine höhere Förderung nach, damit mehr Betriebe und Beschäftigte diese Form der Altersvorsorge nutzen. Union und SPD haben eine neue Rentenreform mit früheren Entscheidungen nicht einfacher gemacht. Die Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 und der Mütterrente bürden den Arbeitnehmern und Arbeitgebern enorme Lasten auf. Beide Leistungen schlagen mit Kosten von rund zehn Milliarden Euro jährlich zu Buche. Es ist absehbar, dass die Finanzreserven der Rentenversicherung in den nächsten Jahren stark zurückgehen. Das engt den Spielraum ein.