Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat ein Buch über „Hatespeech“ in den sozialen Netzwerken geschrieben. Foto: dpa

Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat Verfasser von Hasskommentaren unangemeldet Zuhause besucht. Über diese Erfahrungen und die möglichen Ursachen von Hatespeech hat sie nun ein Buch geschrieben.

Berlin - Der Ton in den Sozialen Netzwerken ist rauer geworden, bisweilen beleidigend – in manchen Fällen verlässt er gar die Grenze dessen, was unter Meinungsfreiheit fällt. Wer selbst regelmäßig in Sozialen Netzwerken unterwegs ist, wird dieses Phänomen, das gemeinhin auch als Hatespeech (Deutsch: Hassrede) bezeichnet wird, bemerkt haben.

Als im Frühsommer dieses Jahres das von Bundesjustizminister Heiko Maas ins Leben gerufene Netzwerkdurchsetzungsgesetz den Bundestag passierte, war vielen schnell klar: Dieses Gesetz, das Betreiber von sozialen Netzwerken dazu verpflichtet, offenkundig strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen, wird dem Hatespeech wohl kein Ende setzen.

Der Frage, wie das aber funktionieren könnte, hat sich auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast in ihrem kürzlich erschienen Buch „Hass ist keine Meinung“ angenommen, das sie an diesem Freitag in Berlin vorgestellt hat. Ähnlich wie einige andere Politiker ist sie in der Vergangenheit Opfer bösartiger Beleidigungen geworden. Bezeichnungen wie „Sie sind das Letzte“, „Sie sind einfach dumm und hässlich“ zählten da noch zur milderen Sorte.

Mehr Fragen als Antworten

Anders als andere Politiker hat Künast jedoch den Mut aufgebracht, nicht nur in manchen Fällen Strafanzeige zu erstatten, sondern auch einigen der Verfasser einen unangekündigten Besuch abzustatten, um sie mit ihren eigenen Aussagen zu konfrontieren. Die Erfahrungen, die sie dabei gemacht hat, machte sie zum Ausgangspunkt ihres Werkes. „Ich wollte die Menschen mit meinen Besuchen nicht bekehren, sondern schauen, ob man sich in der Art der Auseinandersetzung nochmal näher kommen kann“, sagt die 61-Jährige.

Das Ergebnis ihrer Besuche: ernüchternd. „So absurd wie es letztendlich war, hatte ich mir das vorher gar nicht vorgestellt“, bemerkt sie. Im Buch heißt es dazu: „Doch anstelle der Antworten, die ich zu finden hoffte, häuften sich die Fragen.“ Die Menschen, die sie in Saarbrücken, Köln, Potsdam und im Norden Brandenburgs traf, waren keine gesellschaftlich Abgehängten. Sie haben Familie, in ihren Fenstern stehen Orchideen. Sie engagieren sich ehrenamtlich, auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer sitzt neben ihnen der syrische Nachbar.

Künast nennt sie die von der „Globalisierung Irritierten“. Diejenigen, die täglich im Fernsehen und in den Zeitungen sehen, wie Angela Merkel die ganze Welt rettet, aber kein Auge für das eigene Land zu haben scheint. Menschen, die die Politiker versäumt haben zu erreichen.

Denn, so einer der vielen Erklärungsversuche der Grünen-Politikerin: „Politik ist komplizierter geworden.“ Komplizierter deshalb, weil sie nicht mehr nur national, sondern vor allem auch international sei. Aber: „Wir haben keine europäische Öffentlichkeit. Wir haben es verpasst, diese Internationalisierung, die Globalisierung mit einer anderen Form der Kommunikation aufzuklären“, so Künast.

Weder eine Lösung, noch eine Erklärung für Ursachen

Neben dieser Gruppe gibt es Künasts Meinung nach aber noch eine andere Gruppe, die für die Hasskommentare verantwortlich ist: „Aktivisten verschiedener rechtsextremer Bewegungen“. Zwei Gruppen, denen man mit unterschiedlichen Mitteln begegnen müsse.

Wie diese Mittel aber aussehen müssten, dafür scheint Künast ebenso wenig eine Lösung zu haben, wie plausible Erklärungen für die Ursachen. Das wird in der Struktur des Buches deutlich, das zur Hälfte aus einer Zustandsbeschreibung besteht und sich nur in einem Bruchteil der knapp 200 Seiten mit der Ursachenforschung beschäftigt.

Die von ihr benannten Ursachen beschränken sich auf Begriffe wie „Folgen der Globalisierung, anhaltende Krisen, der Angst vor sozialem Abstieg und vor ‚Überfremdung‘ durch zu viele Flüchtlinge“ . Konsequenterweise führen sie diese vagen Begriffe zu der abschließenden und für den Leser wenig befriedigenden Forderung „Wir müssen reden“ sowie zu dem Eingeständnis: „Es gibt kein Allheilmittel.“