Weite Wiesenflächen, umrandet von Bäumen, sind typisch für die Talaue in Waiblingen. Foto: Frank Eppler

Der Nabu ist ein Kritiker des Gartenschau-Projekts „Kunstlichtung“ in der Waiblinger Talaue. Er hat nun errechnet, dass bei einer Pflanzung von 220 Silberweiden von der großen Wiese nichts übrig bleiben würde.

Waiblingen - Die Silberweide in der Waiblinger Talaue ist ein stattliches Exemplar. Rund 25 Meter hoch, beansprucht der Baum mit seinen ausladenden Ästen rund um seinen Stamm eine Fläche mit einem Durchmesser von rund 14 Metern, schätzt Bruno Lorinser, der Vorsitzende der Nabu-Gruppe Waiblingen. Anhand der Daten dieses Baumes haben die Waiblinger Naturschützer nun probeweise errechnet, wie viele solcher Silberweiden – die Bäume können bis zu 35 Meter Höhe erreichen – auf der 2,86 Hektar großen Wiese in der Waiblinger Talaue Platz finden könnten.

Foto: Stadt Waiblingen
Der Hintergrund des Rechenexempels: Die Stadt Waiblingen plant, rund 220 Silberweiden im Zuge der Remstal-Gartenschau 2019 auf einer bislang fast baumfreien Wiese in der Waiblinger Talaue pflanzen zu lassen. Die Idee ist, die Bäume derart um eine Freifläche zu gruppieren, dass in der Mitte eine Lichtung entsteht. Auf dieser sollen während des Großereignisses Lesungen und andere Veranstaltungen stattfinden (wir berichteten). Ursprünglich war sogar mit 450 Bäume gerechnet worden, die Zahl wurde aber aus Kostengründen reduziert. Nach den derzeitigen Plänen kostet die „Kunstlichtung“ 560 000 Euro.

Die Visualisierung des Naturschutzbunds. Foto: Nabu
„Wir wollten diese Pläne mal im Realmaßstab visualisieren“, erklärt der Nabu-Vorsitzende: „Die Leute sehen nur eine Riesenwiese und denken, da kann man Hunderte von Bäumen pflanzen, aber das ist irreal.“ Tatsächlich bräuchten die 220 Silberweiden nach den Berechnungen des Nabu eine Fläche von mindestens 3,4 Hektar Größe, um wachsen zu können. Die 220 Bäume würden die komplette 2,86 Hektar große Wiese und sogar Fläche darüber hinaus in Beschlag nehmen. Das Fazit der Naturschützer: „So entstünde in der Talaue ein dichter Wald, aber kein Hain mit Lichtung, wie es die Planerzeichnung vorgibt.“

„Es sei denn, man verwandelt die Bäume selbst in eine Art Kunstwesen und stutzt sie ständig und radikal auf den Stamm und wenige Äste zurück. Das würde schon gehen, aber dazu müssten regelmäßig Pflegemaßnahmen gemacht werden“, sagt Lorinser. Das bedeute viel Aufwand und Geld – und das Ergebnis sei nicht gerade das, was man unter naturnah verstehe.

Weiden seien sehr wuchsfreudige Bäume, die bis zu mehrere Meter im Jahr wachsen könnten, und das eher in Buschform, denn als Hochstammbäume, wie es die Pläne vorsehen. Erschwerend komme hinzu, dass sich die Bäume gegen radikales Zurückschneiden zur Wehr setzten, erklärt Bruno Lorinser: „Sie reagieren darauf, in dem sie noch stärker austreiben.“

Mit der Visualisierung wolle der Nabu die Menschen zum Nachdenken anregen, sagt dessen Vorsitzender. Als Informationsmaterial soll sie im Internet eingestellt werden, außerdem planen die Naturschützer, die Unterlagen an die Waiblinger Gemeinderäte zu schicken. Letztere hatten bei einer Sondersitzung zur Gartenschau im Mai unterschiedliche Ansichten zu den Projekten geäußert. Während etwa Hans-Ingo von Pollern (CDU) die „Kunstlichtung“ als „hochattraktiv“ bezeichnete und Volker Escher (DFB) von einem „tollen Projekt“ sprach, verwies Alfonso Fazio (Ali) auf die Folgekosten bei der Baumpflege. Roland Wied (SPD) betonte, diese schöne Fläche sei eine Seltenheit, „ein Wert, den wir dann nicht mehr haben“.