Der Landrat mahnt, das Dilemma der Einnahmeausfälle in den Kliniken nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter auszutragen. Foto: Gottfried Stoppel

Auf Kosten von Ärzteschaft und des Pflegepersonal finanzielle Risiken in den Kliniken zu minimieren ist der falsche Weg, sagt der Landrat Richard Sigel. Er fordert einen Ausgleich der coronabedingten Ausfälle.

Rems-Murr-Kreis - Inhaltlich und organisatorisch sehen sich die Rems-Murr-Kliniken gut gewappnet, um auch die vierte größere Welle an Corona-Infektionen gut zu überstehen. Der Aufbau einer separaten Infektionsstation habe sich bewährt, „die frühzeitige Planung einer von den Hauptgebäuden abgetrennten Station kommt uns nun zugute“, so der Aufsichtsratsvorsitzende Richard Sigel.

Landrat: Bund und Land müssen nachsteuern

Sorgen bereiten dem Landrat hingegen die wirtschaftlichen Aussichten. Nachdem die Rettungsschirme das coronabedingte Minus der vom Kreis getragenen Kliniken im vergangenen Jahr im Rahmen gehalten habe, sei ein solcher Ausgleich für 2021 bisher nicht in Aussicht. Richard Sigel warnt deshalb: „Auf Bundes- und Landesebene muss dringend nachgesteuert werden, damit Krankenhäuser wie die Rems-Murr-Kliniken keine hohen Defizite ansammeln.“

Trotz aller Anstrengungen reichten die Erlöse aus „herkömmlichen“ Behandlungen nämlich nicht an jene aus der Vor-Coronazeit heran. „Die geplanten Behandlungen sind dieses Jahr immer noch rückläufig, und wir haben gleichzeitig höhere Aufwände wegen Corona“, erläutert der Geschäftsführer der Kliniken in Winnenden und Schorndorf, Marc Nickel. Man müsse von einem „neutralen bis defizitären“ operativen Jahresergebnis ausgehen, so Nickel.

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Dabei benötigt der Kreis dringend einen Überschuss, um die Investitionen abtragen zu können, die durch den Neubau der Klinik in Winnenden entstanden sind. Die Beträge, die der Kreis zuschießen muss, um das jährliche Defizit auszugleichen, liegen nach wie vor im zweistelligen Millionenbereich. „Wir stehen als Rems-Murr-Kreis hinter unseren Kliniken“, betont der Landrat. „Aber wir können vom Personal nicht verlangen, dass es nach pausenlosem Einsatz über Monate ohne durchzuatmen wieder bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit geht.“ Auf Kosten der Ärzteschaft und des Pflegepersonals finanzielle Risiken in Kliniken zu minimieren, sei der falsche Weg. Richard Sigel: „Wertschätzung für Klinikpersonal heißt auch, dass man realistisch ist.“

Anreize für das Pflegepersonal

Das heißt für den Kreischef auch, sich der Tatsache zu stellen, dass es gerade im Pflegebereich immer schwieriger wird, qualifiziertes Personal zu finden. Die Rems-Murr-Kliniken hätten bereits seit einiger Zeit mehrere Maßnahmen angestoßen, um die Pflege zu stärken und die Mitarbeiterzufriedenheit sowie Mitarbeiterbindung zu erhöhen. Neben der Aufstockung der Corona-Prämie für Beschäftige nennt Sigel unter anderem die Sanierung der Mitarbeiterkantine in Schorndorf. Zudem sei in neue, attraktive Apartments für Mitarbeitende in Schorndorf und Winnenden investiert worden, um günstigen Wohnraum kliniknah anbieten zu können. Eine zentrale Maßnahme zur Verbesserung der Patientenzufriedenheit und damit auch zur Entlastung der Pflege und des ärztlichen Personals sei die Reorganisation des Stationskonzepts. Damit sei bereits 2019 begonnen worden. Das Ziel sei, die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen ärztlichem Dienst und Pflegedienst zu verbessern.