Waschbären sind gute Kletterer – Obstbäume und Dachböden sind für sie ideal. Zum Leidwesen mancher Menschen. Foto: dpa-Zentralbild

Seit Jahren vermehren sich Waschbären in der Region Stuttgart rasant. Einige Tipps, wie sich unliebsame Begegnungen, geplünderte Obstbäume und durchsuchte Mülltonnen vermeiden lassen.

Rems-Murr-Kreis - Ein Rumpeln und Keuchen – der Musiker Zam Helga staunte in der vergangenen Woche nicht schlecht, als er die Geräusche ungebetener Besucher auf dem Dachboden seines Hauses in Plüderhausen hörte. „Ich habe dort seit einigen Jahren immer wieder Marder – aber das war etwas anderes“, erzählt er. Die Geräusche wurden immer lauter.

Der Musiker, der mit bürgerlichem Namen Sascha Schuppert-Raetzer heißt, sah schließlich nach und entdeckte ein Waschbärpaar, vermutlich beim Balzritual. „Die Begattung war so heftig, dass ich dachte, der tötet sie“, sagt Schuppert-Raetzer. Schlussendlich hat es sich das Pärchen aber in trautem Zusammenleben bequem gemacht.

Die Waschbären vermehren sich rasant

Trotz der Geräusche von oben hat sich der Musiker entschieden, die Tiere auf seinem Dachboden gewähren zu lassen. „Wer hier leben will, darf das – zumindest, solange er nichts kaputt macht“, sagt er. Tatsächlich ist das Zusammenleben von Mensch und Waschbär möglich: Der Weinstädter Jagdpächter Hans Ruff etwa hat schon einige verwaiste Tiere großgezogen– was viele Jägerkollegen argwöhnisch werden ließ, denn Waschbären stehen ganz offiziell auf der Abschussliste.

Die Zahl der Waschbären in der ganzen Region Stuttgart steigt seit Jahren an – doch im Rems-Murr-Kreis vermehren sich die Tiere besonders rasant. Wie viele Waschbären hier leben, lässt sich nicht bestimmen, doch die Zahl der Tiere, die vor einer Flinte oder im Straßenverkehr ihr Leben lassen, ist zumindest ein Anhaltspunkt: Waren es im Jagdjahr 1998/1999 nur drei, steigerte sich die Zahl binnen zehn Jahren auf 19 Tiere. Im Jahr 2016/2017 waren es 271 Waschbären.

Was tun bei der Begegnung mit Waschbären? Das Landratsamt gibt Tipps

Da Waschbären sehr anpassungsfähig sind und ihr Weg auf der Nahrungssuche oft bis weit in den menschlichen Lebensraum hinein führt, werden solche Begegnungen in Zukunft häufiger werden. Auf Toleranz wie im Haus von Zam Helga stoßen die Tiere dabei nicht immer: Das Landratsamt genehmigt in Ausnahmefällen das Aufstellen von Fallen durch fachkundiges Personal. Bis zum ersten August sind Waschbären davor allerdings sicher: Dann endet die gesetzliche Schonzeit.

Damit es so weit nicht kommen muss, hat das Landratsamt einige Tipps parat, wie Begegnungen von Mensch und Waschbär ohne Zwischenfälle verlaufen und unliebsame Untermieter in ihre Schranken verwiesen werden können.

Nicht bedrängen

Nicht in die Enge treiben: Auch wenn Waschbären possierlich aussehen, sind sie Raubtiere mit spitzen Zähnen und scharfen Krallen, warnt das Waiblinger Landratsamt. Wenn sie sich durch Menschen oder Haustiere in die Enge getrieben fühlen, beißen sie zu. Vor allem, wenn sie dabei ihre Jungen verteidigen wollen. Solche Situationen sind möglichst zu vermeiden.

Nicht anfassen

Nicht anfassen: Ein Waschbär, der sich in einen Keller oder auf einen Dachboden verirrt hat, sollte nicht berührt werden. Nicht nur wegen der spitzen Zähne: Waschbären können über ihren Kot Spulwürmer übertragen und mit dem Staupevirus infiziert sein – dieses kann für Hunde tödlich sein. Statt einem Handgriff kann ein Besen dabei helfen, ungebetene Gäste nach draußen zu komplimentieren. Auch ein gezielter Strahl aus einem Gartenschlauch kann ein probates, halbwegs friedliches Mittel sein, um einen Waschbären los zu werden.

Barrieren an Bäumen und Rinnen

Anreize nehmen: Es wird davon abgeraten, Waschbären zu füttern: Die cleveren Tiere finden mehr als genug. Wer keine Waschbären anlocken will, sollte es vermeiden, Lebensmittelreste in die Komposttonne zu werfen. Auch Katzenfutter, das nachts im Freien bereit steht, lockt Waschbären an. Mülltonnen können mit einem starken Spanngummi gesichert werden.

Das Landratsamt rät, im Konfliktfall an Bäumen und Regenrinnen Barrieren anzubringen. Diese können verhindern, dass Obsternten geplündert werden oder dass Waschbären die praktischen Kletterhilfen benutzen, um auf den Dachboden zu gelangen. Einschlupflöcher wie Risse im Mauerwerk oder offene Kamine sollten gesichert werden – und zwar möglichst fachmännisch, denn Waschbären können ganz schön rabiat werden, wenn’s um den Schlafplatz geht.

Im Fall eines Unfalls

Bei Unfällen: Immer wieder passiert es, dass Waschbären ihr Leben auf den Straßen der Region Stuttgart lassen oder verletzt werden. Auch diese Tiere sollten nicht berührt werden – Ansprechpartner ist der jeweils für ein Gebiet zuständige Jagdpächter. Dieser kann über einen Anruf bei der Polizei verständigt werden: Dort ist nämlich bekannt, welcher Jäger für welches Areal zu sorgen ha

Die kuriosesten Waschbär-Einsätze

Bei ihren Streifzügen durch Wohngebiete sorgen Waschbären immer wieder für kuriose Polizei- und Feuerwehreinsätze. Wie berichtet, waren erst am Samstag Einsatzkräfte nach Rudersberg ausgerückt, wo ein pelziger Dachkletterer in einem Blitzableiter fest hing. Die Bilder des festklemmenden Tieres stießen auf bundesweite Aufmerksamkeit: Sogar die Onlineausgaben des Spiegel und der Hamburger Morgenpost machten eine Notiz über das Malheur des Tieres, das sich angesichts der anrückenden Feuerwehr dann doch selbst befreien konnte.

Der Fall war nicht der einzige waschbärbedingte Einsatz in der Vergangenheit: Vor zwei Jahren musste in Schorndorf eine Gartenhütte angehoben werden, um einen eingeklemmten Waschbär zu befreien. Im Jahr 2013 versuchte die Polizei in Schorndorf vergeblich, einem „augenscheinlich etwas übergewichtigen“ Waschbären einen Hausverweis zu erteilen. Und im Jahr 2011 war in Winnenden wegen eines Streits zwischen einem Waschbären und mehreren Krähen, der in einem Baumwipfel ausgetragen wurde, die Polizei gerufen worden.