Jagdterrier Johnny hat die Aufgabe, Füchse aufzuscheuchen – oder zu fangen. Foto: Gottfried Stoppel

Flintenschüsse auf dem Schmidener Feld: Am Donnerstag haben Jäger dort mit einer Treibjagd Füchsen nachgestellt. Warum sogar der örtliche Nabu die Aktion unterstützt:

Fellbach-Schmiden - Der deutsche Jagdterrier Johnny wetzt durch die dichte Brombeerhecke. Irgendwo hier muss er sein, der Fuchs. Johnnys Job ist es, ihn zu finden und den Männern, die sich ringsum postiert haben, vor die Flinten zu treiben. Plötzlich springt ein Tier aus dem Gebüsch – Johnny setzt ihm nach. Sein Herrchen Emir Lezic hat Mühe, ihn zurückzupfeifen. Der aufgeschreckte Hase hat heute nichts zu befürchten.

In einem anderen Gebüsch sind die Jäger erfolgreich. Dumpf knallen zwei Flintenschüsse durch das Schneetreiben auf dem Schmidener Feld. Der Schütze packt den erlegten Fuchs an den Hinterläufen und trägt ihn weg. Seidig glänzendes Fell umgibt den schlaffen, toten Körper. „Eigentlich ist das viel zu schade, aber was will man machen,“, murmelt Volker Schwörer, einer der vier Jagdpächter des Schmidener Felds.

Früher waren Rebhühner häufig – heute sind sie bei uns eine bedrohte Art.

Für die Jäger dient die Treibjagd, die am Donnerstagnachmittag auf dem Schmidener Feld stattgefunden hat, dem Naturschutz. Der Nutznießer ist eine Leibspeise des Fuchses: das Rebhuhn. Früher kamen die Tiere häufig vor, doch die Zerstörung ihres Lebensraums und der pestizidbedingte Verlust ihrer Nahrungsgrundlage setzte den Beständen zu. „Die Rebhühner sind ein Spiegelbild dessen, was in Natur und Landwirtschaft abgeht“, sagt Markus Wegst vom Landratsamt.

„Noch im Jahr 2000 hatten wir rund 120 Brutpaare auf dem Schmidener Feld. Jetzt hat sich die Zahl bei etwa 14 eingependelt“, erklärt er. Jahrelang wurden die Vögel zudem geschossen und verzehrt. „Für den Rückgang war das aber nicht ausschlaggebend, die Bestände haben das damals ausgleichen können“, sagt Wegst. Noch immer unterliegt das Rebhuhn dem Jagdrecht, in Baden-Württemberg gilt aber seit 2015 eine ganzjährige Schonzeit.

Umfangreiches Projekt zum Schutz der Rebhühner auf dem Schmidener Feld

Zumindest der freie Fall der Rebhuhnzahlen auf dem Schmidener Feld ist laut Wegst gestoppt. Zu verdanken sei das jahrzehntelangen Bemühungen, die vor 20 Jahren über den Naturschutzbund Nabu begannen. Seit 2012 läuft zudem ein aufwendiges Modellprojekt mit dem Ziel, das Gebiet wieder zum Rebhuhnrefugium zu machen.

Einer der Bausteine ist die Jagd auf Füchse. Wie viele dieser Tiere es im Schmidener Feld gibt, lässt sich kaum sagen. Markus Wegst ist aber überzeugt, dass sich die Raubtiere, die keine natürlichen Feinde haben, in den vergangenen Jahren stark vermehrt hätten. „Durch die Tollwutimpfung überleben viele Füchse lange – auch dadurch ist ihre Zahl explodiert“, sagt Wegst. In den Brachen, die man für die Rebhühner geschaffen hat, fänden sie leichte Beute – darunter Rebhuhnküken und -eier.

Im kommenden Jahr sollen Jungfüchse mit Fallen gejagt werden

Vom kommenden Jahr an hat das Landratsamt Jägern in einigen Teilen des Rems-Murr-Kreises genehmigt, sogar Fuchsjunge zu jagen. Dies wird laut Wegst voraussichtlich mit Lebendfallen geschehen – und einem Schuss, der ihrem Leben ein Ende setzt. Unter Naturschützern ist nicht nur diese Jagdmethode umstritten. Einer der Kritikpunkte: Im Gegensatz zu Reh und Wildschwein, deren Fleisch verzehrt wird, werden die meisten der jährlich rund 500 000 in Deutschland erlegten Füchse nicht verwertet. Der Bundesjagdverband will mit seiner Initiative „Fellwechsel“ die Nutzung von Fuchs- und anderen Fellen aus der Jagd aktiv fördern. „Ich halte das für richtig. Es würde dem Tier nicht gerecht, es zu töten und dann wegzuwerfen“, findet der Jagdpächter Volker Schwörer.

In Schmiden bekommen die Jäger tatkräftige Unterstützung vom örtlichen Nabu. Dessen Vorstandsmitglied Michael Eick hat selbst einen Jagdschein. „Jäger sind keine Feinde, sondern auch Naturschützer“, sagt er. „Und Füchse sind zwar schön und interessant, aber im Fall des Rebhuhns eben Prädatoren.“

Spaziergänger haben Verständnis für die Treibjagd

Spaziergänger auf dem Schmidener Feld haben Verständnis. „Ich finde es gut, dass die Füchse gejagt werden – die kommen inzwischen sogar zu uns in den Garten“, erzählt ein Senior. „Des isch wegen der Rebhühner, gell“, sagt eine Dame. Die Jagd an sich findet sie in Ordnung – der Gedanke an ein totes Tier auf ihrem Spazierweg ist ihr aber trotzdem sichtlich unangenehm.

Was das Rebhuhn angeht, ist Markus Wegst vom Landratsamt vorsichtig optimistisch: „Im vergangenen Sommer war das Wetter für die Bodenbrüter ideal, es wurden relativ viele Jungvögel gesichtet. Es könnte durchaus der Fall sein, dass die Zahl der Brutpaare wieder steigt“, sagt er.

Über dem Schmidener Feld senkt sich die Sonne. Vor dem Nabu-Häuschen wird der erlegte Fuchs auf ein Bett aus Reisig gelegt, ein Jäger spielt auf dem Horn das Signal „Fuchs tot“, aus Respekt vor dem Tier. Dem dürfte das egal sein – aber wer weiß, vielleicht strecken sich in diesem Moment rot-weiße Schnauzen aus einem Bau oder eine Hecke. Sie sind Johnny und den Flinten entkommen. Fürs Erste.

Rebhuhnschutz im Schmidener Feld

Schutzprojekt: Seit 2012 läuft im Schmidener Feld ein Modellprojekt, in das sich vor zwei Jahren das Landratsamt einklinkte. Seitdem überwacht ein Planungsbüro für Tierökologie, auf welchen Flächen Landwirte und Firmen sogenannte Blühbrachen stehen lassen. Diese naturbelassenen Streifen zwischen den Feldern sollen den Rebhühnern als Lebensraum dienen. Auch die Stadtwerke Fellbach machen mit. Mit den fünf Hektar, die sie in diesem Jahr zur Verfügung stellten, verdoppelten sie die Fläche nahezu. Finanziert wird dies von Ökostrom-Kunden, die über diese Verwendung abgestimmt haben.

Leinenpflicht Neben diesen Rückzugsräumen gibt es noch weitere Schutzmaßnahmen. So werden zum Beispiel die Feldwege zugunsten der Rebhühner nicht mehr gemäht. Da Rebhühner Bodenbrüter sind und sie sich nicht auf Bäume flüchten können, herrscht auf dem Schmidener Feld von April bis August Leinenpflicht für Hunde. In dieser Zeit müssen auch Spaziergänger auf den Wegen bleiben, um die Aufzucht der Rebhuhnküken nicht zu stören. Und eben auch die Jagd gehört zum Schutzprogramm: „Die Blühbrachen werden nur alle paar Jahre beackert, da legt natürlich auch der Fuchs bevorzugt seine Bauten an“, sagt Markus Wegst vom Landratsamt.