Die Stuttgart-21-Baustellen sorgen für Verspätungen und Ausfälle, jetzt kommen noch höhere Tarife hinzu. Warum die Preiserhöhung im Verkehrsverbund Stuttgart trotzdem beschlossen wurde.
Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) plant zum 1. September eine Tariferhöhung von durchschnittlich 5,2 Prozent. Wie die VVS-Geschäftsführerin Cornelia Christian mitteilt, sollen damit gestiegene Kosten, insbesondere für Personal sowie für Benzin und Strom, teilweise abgefedert werden. Diese Kosten seien im Vergleich zum Vorjahr um 8,1 Prozent gestiegen. Rund 80 Prozent der Kunden seien von der Erhöhung allerdings gar nicht betroffen, da sie das Deutschland-Ticket nutzten.
Im Verkehrsausschuss des Rems-Murr-Kreistags stieß der Vorschlag erwartungsgemäß auf gemischte Reaktionen. Sabine Wörner von der SPD kritisierte die Unzuverlässigkeit der S-Bahn und betonte, dass Tariferhöhungen vor allem Gelegenheitsfahrer abschrecken könnten. Ihre Fraktion werde der Vorlage deshalb nicht zustimmen. Ähnlich äußerte sich Astrid Fleischer von den Grünen. Christoph Jäger (CDU) hingegen betonte, wer gegen die Preiserhöhung stimme, müsse auch konkrete Finanzierungsvorschläge machen. Denn ohne sie müssten die Verbundpartner – und damit letztlich auch der Rems-Murr-Kreis – das entsprechende Defizit ausgleichen.
Finanzierungsdebatte: Wer zahlt für den ÖPNV im VVS?
Peter Treiber (FDP-FW) bezeichnete die Preiserhöhung angesichts der aktuellen Servicequalität als schwer vermittelbar, dennoch sei eine solche leider wohl alternativlos. „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zuzustimmen – aber glücklich macht das nicht.“
Landrat Richard Sigel räumte ein, dass die Leistung mancher ÖPNV-Anbieter derzeit unbefriedigend sei. Raimond Ahrens (Freie Wähler) versuchte, die Debatte zu entschärfen, indem er darauf hinwies, dass der Busverkehr stabil laufe und nicht alle Kostensteigerungen politisch abgefedert werden könnten. „Der VVS ist nicht nur die S-Bahn“, betonte er.
Stuttgart 21: Weiter Baustellenchaos im VVS
Cornelia Christian hingegen machte wenig Hoffnung auf schnelle Verbesserungen. Wegen der Bauarbeiten im Zusammenhang mit Stuttgart 21 müsse wohl noch für mindestens zwei Jahre mit erheblichen Beeinträchtigungen gerechnet werden. Die „Sanierung unter rollenden Rädern“ sei ein hochkomplexes Projekt, das freilich auch ein effektiveres Baustellen-Koordinierungsmanagement erfordere.
Ulrich Scheurer (CDU) zog eine Parallele zu der Komödie „Dinner for One“. „Same procedure as every year“: Trotz aller Kritik werde die Tariferhöhung letztlich Jahr für Jahr durchgesetzt. Und so kam es auch diesmal: Mit wenigen Gegenstimmen wurde die Vorlage beschlossen.
Bevor die Erhöhung in Kraft tritt, muss sie im April zwar noch vom VVS-Aufsichtsrat abgesegnet werden. Doch das dürfte nur eine Formalie sein.
Wer ist von der VVS-Preiserhöhung besonders betroffen?
Besonders betroffen sein werden Gelegenheitsfahrer, da das Deutschland-Ticket bereits zum 1. Januar von 49 auf 58 Euro verteuert wurde und von weiteren Erhöhungen vorerst ausgenommen ist. Der VVS betont, dass mittlerweile mehr als 80 Prozent der Fahrten mit dem Deutschland-Ticket oder dem Jugendticket BW erfolgen, während klassische VVS-Zeittickets an Bedeutung verlören.
Zwei Beispiele der geplanten Tariferhöhung:
- Die Kurzstrecke wird von 2 auf 2,10 Euro erhöht (+5,0 Prozent)
- Der Einzeltarif für Erwachsene kostet in einer Zone statt 3,30 künftig 3,50 Euro (+6,1 Prozent) in zwei Zonen statt 4,30 künftig 4,50 Euro.
Die Diskussion um die Tariferhöhung verdeutlicht einmal mehr die Herausforderung, einen kostendeckenden und gleichzeitig attraktiven öffentlichen Nahverkehr anzubieten. Während Stammkunden durch das Deutschland-Ticket profitieren, könnten Gelegenheitsfahrer durch höhere Preise abgeschreckt werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklung auf die Fahrgastzahlen und die Akzeptanz des ÖPNV in der Region Stuttgart auswirken wird.