Gehört nicht hier her und muss aussortiert werden: Abfall-Geschäftsführer Gerald Balthasar zeigt die bei der jüngsten Biomüll-Abfuhr zusammengekommene Störstoffe. Foto: Max Kovalenko/PPF

Der Rems-Murr-Kreis verschärft einerseits die Kontrollen, gibt allerdings im Kampf gegen kompostierbare Abfalltüten klein bei.

Backnang - Sie gilt als Vorzeigemodell, jene vor gut einem Jahr für 13,2 Millionen Euro in Backnang-Neuschöntal errichtete Biovergärungsanlage, die kürzlich auch den Stuttgarter Gemeinderat zu einem Ausflug veranlasste – soll doch bis zum Jahr 2015 auch zwischen Zuffenhausen und Stammheim nahe der B 27 eine solche Anlage stehen.

Bis dahin dürften auch jene Kinderkrankheiten ausgemerzt sein, die die Verantwortlichen der Abfallwirtschaftsgesellschaft Rems-Murr (AWG) beim Betrieb in Backnang wie auch ihre Kollegen in ähnlichen Einrichtungen wie in Leonberg oder Kirchheim unter Teck derzeit erleben. Den größten Kummer bereitet der große Anteil an sogenannten Störstoffen im Biomüll. Dabei handelt es sich etwa um Zigarettenkippen und Asche, um Windeln, Staubsaugerbeutel, Gläser oder Metallgegenstände.

Jährlich 36.000 Tonnen Abfälle aus den Biotonnen des Rems-Murr-Kreises werden von den acht speziellen Lastkraftwagen in die Backnanger Vergärungsanlage gekarrt. Dort entsteht Ökostrom für 3000 Haushalte, Flüssigdünger sowie Qualitätskompost für Garten- und Landschaftsbau. Die Abwärme wird zudem zu 100 Prozent durch die nebenan gelegene Klärschlammtrocknungsanlage der Stadt Backnang genutzt.

Besonderen Ärger verursachen die Kunststofftüten aus dem Supermarkt

Bei vier bis fünf Prozent des angelieferten Materials handelt es sich jedoch um jene unliebsamen Störstoffe. Deshalb müssen all jene ungewünschten Materialien mühselig in einem Siebeprozess aussortiert werden. Besonderen Ärger verursachen die Kunststofftüten aus dem Supermarkt, die von den Bürgern möglicherweise aus Unkenntnis oder Gedankenlosigkeit mit Biomüll befüllt und in die Braunen Tonnen geworfen werden.

Die AWG hat seit dem Frühjahr eine Informationskampagne gestartet und diverse Kontrollaktionen vorgenommen. Ein Schwerpunkt war die Fellbacher Kernstadt. Dort wurde in der ersten Kontrollwoche direkt nach Ostern eine Beanstandungsquote von exakt 9,28 Prozent registriert. Nachdem gelbe Warnkarten in den Tonnen abgelegt und die Bürger durch eigens mitgefahrene Abfallberater aufgeklärt wurden, sank in Fellbach die Quote erheblich: So wurden beim besten Wert Mitte Juli nur noch 0,68 Prozent aller Biotonnen fehlerhaft befüllt.

Dennoch gibt es weiterhin etliche Sammelbezirke, wo der Anteil der Störstoffe bei zehn Prozent liegt. „Wir starten nun die nächste Phase unserer Kampagne“, sagt AWG-Sprecher Manfred Siglinger. Motto: „Jetzt wird nicht mehr nur gewarnt, jetzt wird’s ernst.“ Konkret: Falsch befüllte Biotonnen erhalten von Anfang Oktober an eine Rote Karte angeheftet und bleiben ungeleert am Straßenrand stehen.

Im Sinne einer „Bürgerfreundlichkeit“ werde man nun diese Biobeutel als Kompromisslösung zulassen

Das dürfte zwar manchen Ärger auslösen, kann aber schnell behoben werden: Entweder indem man den Restmüll wieder herausklaubt und in den normalen Mülleimer umfüllt. Oder man kauft sich eine spezielle Banderole (zehn Euro bei einer 80-Liter-Tonne) und stellt die Biotonne bei der nächsten Restmüllabfuhr an den Straßenrand.

Eher dem Kampf gegen Windmühlenflügel hingegen gleicht der Abwehrversuch der AWG bezüglich der im Handel erwerblichen kompostierbaren Folienbeutel. Dass viele Bürger diese gern auch als Biobeutel bezeichneten Tüten bevorzugen, sei durchaus verständlich, sagt Siglinger: Anders als Papierbeutel durchweichen sie nicht durch die Feuchtigkeit des Biomülls, auch können sie verknotet werden und sind so gegen Fliegen oder Maden geschützt.

Das Problem: Diese aus Maisstärke hergestellten und oft mit einem Keimlingssymbol oder Wabenmuster gekennzeichneten Beutel sind zwar durchaus kompostierbar – dies aber in einem erheblich längeren Zeitraum, als es etwa in Backnang-Neuschöntal sinnvoll ist. Testversuche hätten ergeben, dass keine vollständige Auflösung nach der Vergärung stattfindet. Durch mehrfache Feinabsiebungen will die AWG nun auf den weitestgehenden Abbau kommen. Im Sinne einer „Bürgerfreundlichkeit“ werde man nun diese Biobeutel als Kompromisslösung zulassen, erläutert AWG-Geschäftsführer Gerald Balthasar. „Wir wollen nicht päpstlicher sein als der Papst.“ Am besten sei jedoch weiterhin, den Biomüll in Papierbeutel oder Zeitungen einzupacken.