Der Kreis will Bescheide und Vordrucke bei Bedarf auch in Brailleschrift erstellen. Foto: dpa

Das Landratsamt und der Blindenverband wollen Menschen mit Seheinschränkungen Vordrucke oder Schriftverkehr künftig auch in Brailleschrift oder als Hörmedium zur Verfügung stellen.

Waiblingen - Es kann ein ganz banaler Behördenbescheid sein, der einen blinden oder sehbehinderten Menschen im Alltag in die Bredouille bringen könnte: etwa, wenn er trotz wiederholter Aufforderung seine Müllgebühren nicht bezahlt. Aber auch grundlegende behördliche Informationen, die wichtig sind, etwa die Einstufung der Blindenhilfe oder anderer Hilfen des Sozialamts wandern möglicherweise buchstäblich und aus nachvollziehbaren Gründen ungelesen in den Papierkorb.

Vordruck in Brailleschrift oder zum Hören

Das soll sich künftig zumindest bei der Post aus dem Waiblinger Landratsamt ändern. Die Behörde will Menschen mit Seheinschränkungen auf Anfrage Vordrucke oder Schriftverkehr auch in Brailleschrift oder als Hörmedium zur Verfügung stellen. Eine entsprechende Vereinbarung zur Bereitstellung „barrierefreier“ Dokumente haben jetzt der Landrat Richard Sigel und die Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Württemberg, Angelika Moser, unterzeichnet.

Der als Verein organisierte Verband will es übernehmen, die Dokumente zu erstellen. Der Umgang mit den Inhalten der Schriftstücke ist laut dem Landratsamt mit der behördlichen Datenschutzbeauftragten abgestimmt und in einer gesonderten Erklärung festgehalten worden.

Der Datenschutz ist denn auch ein Grund, warum das im Landesbehindertengleichstellungsgesetz geregelte Anrecht von Menschen mit Handicap, Bescheide, öffentlich-rechtliche Verträge oder Vordrucke in einer auch für sie wahrnehmbaren Form zu erhalten, nur selten eingelöst wird, räumt der stellvertretende Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverbands, Winfried Specht, ein. Das andere sei der organisatorische Aufwand. So sei man beispielsweise schon seit einiger Zeit zwar in guten Gesprächen mit der Landeshauptstadt Stuttgart. Eine einfache und praktikable Lösung aber sei noch nicht gefunden – zumal die Produktion der entsprechenden Medien den Verband in dieser Größenordnung wohl überfordern würde.

Landrat: effektives, pragmatisches Vorgehen

Die jetzt mit dem Rems-Murr-Kreis getroffene Vereinbarung diene hingegen zweierlei: Zum einen könne man mit dem kommunalen Partner in einem halbwegs überschaubaren Rahmen aufzeigen und ausprobieren, was möglich ist, zum anderen die eigene Klientel auf ihre Rechte und Möglichkeiten aufmerksam machen.

Der Waiblinger Landrat glaubt jedenfalls, bei der Umsetzung ein „effektives und pragmatisches Vorgehen“ gefunden zu haben. „Jetzt können wir unseren Bürgern einen weiteren barrierefreien Service bei uns im Haus anbieten“, so Richard Sigel. Unabhängig von dem neuen Angebot könnten sich blinde und sehbehinderte Menschen nämlich bereits seit Mitte des Jahres Texte auf der Internetseite des Rems-Murr-Kreises vorlesen lassen. Und für Menschen mit Hörbehinderung stehe an der Infotheke des Landratsamts zudem eine mobile Induktionsschleife für Beratungsgespräche bereit. Diese kann störende Nebengeräusche herausfiltern und das Gespräch auf ein Hörgerät zuschalten.