Plastiktüten, Glasflaschen und Co. im Biomüll bereiten den Entsorgern Probleme. Foto: Frank Eppler

Wer Plastik, Glas und sogar angeblich kompostierbare Tüten in der Biotonne entsorgt, bekommt bald die rote Karte: Ab Montag kontrolliert der Entsorger den Bioabfall. Warum das Unternehmen derart in die Offensive geht:

Rems-Murr-Kreis - Der riesige Haufen sticht ins Auge: Plastiktüten, Babyfläschchen, Getränkedosen, sogar eine Mehrfachsteckdose liegt dort zwischen anderem Unrat. Nichts, was in den Biomüll gehören würde. „So etwas können wir unmöglich verwerten“, sagt Gerald Balthasar kopfschüttelnd.

Der Chef der Abfallwirtschaft Rems-Murr (AWRM) und seine Mitstreiter haben Plastik und Co. in der braunen Tonne den Kampf angesagt. Für die Bürger im Kreis hat das durchaus Konsequenzen: Von sofort an kontrollieren AWRM-Mitarbeiter stichprobenartig, ob die Tonnen richtig befüllt sind. Dabei helfen ihnen auch zwei Müllautos, die mit Metalldetektoren ausgestattet sind.

Ab dem 24. August werden Biotonnen stehen gelassen

Wer falsche Abfälle in die Biotonne wirft, bekommt vom 10. bis 24. August einen gelben Info-Anhänger an den Behälter gehängt – eine Verwarnung, ähnlich der gelben Karte. Vom 24. August an müssen Biomüllsünder dann sogar damit rechnen, dass ein roter Anhänger an der Tonne hängt und diese gar nicht geleert wird. „Wir führen aber keine Täterliste“, betont Richard Sigel, der Landrat des Rems-Murr-Kreises. Das heißt aber auch, dass ab dem 24. August Tonnen stehen gelassen werden, die zum ersten Mal falsch befüllt worden sind.

Was viele erstaunen dürfte: Sogar jene Tüten, die im Handel als kompostierbar verkauft werden, sind den Entsorgern im Landkreis ein Dorn im Auge beziehungsweise in der Tonne. Der Grund ist eine EU-Norm, die den Tüten ein Vierteljahr Zeit gibt, sich bis zu einem bestimmten Grad abzubauen. Dies ist jedoch viel langsamer als der Zyklus in der Vergärungsanlage erlaubt: Dort wird der Müll innerhalb von vier Wochen weiterverarbeitet.

Angeblich kompostierbare Tüten sind ein Problem für den Biomüll

Soll heißen: Eine angebliche Biotüte wird genauso aussortiert wie eine stinknormale Gugg aus Plastik. Auch nach solchen Tüten werden AWRM-Mitarbeiter bei den stichprobenartigen Kontrollen also suchen und gegebenenfalls die Tonnen stehen lassen. „Als Alternative zu den Folientüten empfehlen wir Papiertüten oder Zeitungspapier“, sagt Balthasar.

So kann man aus Zeitungspapier Mülltüten falten:

Zur Kampagne der AWRM gehört auch Plakatwerbung unter dem Motto „Fehl am Platz“. Vom 18. August an werden im ganzen Kreis Plakatwände Slogans verkünden wie „Laubbläser im Musikverein – wie Plastik im Biomüll #fehlamplatz“. Der Werbeaufwand sei begründet, erklärt der Landrat Richard Sigel: „Plastik ist nicht nur im Meer ein Problem, sondern auch hier bei uns.“ Jährlich befinden sich 1200 Tonnen an Stoffen im Biomüll, die dort nicht hineingehören. Diese aus dem Müll herauszubekommen, ist auch mit maschineller Hilfe aufwendig.

Nicht nur dies verursacht Mehrkosten. Da es nicht mit angemessenem Aufwand möglich ist, kleinere Teile Plastik, Glas und Co. vom Biomüll zu trennen, gehen dabei rund 5000 Tonnen Abfall verloren, die eigentlich zu Biogas respektive Strom, Wärme, Flüssigdünger und hochwertigem Kompost hätten werden können. Insgesamt, das sagt Gerald Balthasar, entstünde jährlich ein Schaden von rund einer halben Million Euro durch die Störstoffe. Er erhofft sich durch die Kampagne einen Erziehungseffekt in den 190 000 Haushalten, die im Kreis Biomüll abholen lassen.

Das passiert mit dem Inhalt der braunen Tonnen im Rems-Murr-Kreis:

Der Biomüll aus dem Rems-Murr-Kreis – gut 36 000 Tonnen jährlich – kommt in die Biovergärungsanlage Backnang-Neuschöntal. Dort werden die Abfälle gesiebt, zerkleinert und fermentiert. Das dabei entstehende Biogas dient zur Stromerzeugung in einem Blockheizkraftwerk. Außerdem entsteht dabei Flüssigdünger sowie Qualitätskompost. Dieser wird dann wieder auf Felder und Gärten ausgebracht und der Kreis schließt sich.

Trotz aller Öffentlichkeitsarbeit ist damit zu rechnen, dass in zwei Wochen einige Tonnen falsch befüllt zurückgelassen werden – und dies den jeweiligen Besitzern gewaltig stinken wird. Die AWRM stellt sich jedenfalls schon auf Anrufe erboster Bürger ein. Balthasar erklärt, die Mitarbeiter würden den Inhalt jener Tonnen fotografieren, um im Streitfall ein Beweismittel zu haben. Wessen Tonne stehen gelassen wurde, der hat immer noch die Möglichkeit, spezielle Banderolen zu kaufen und die Tonne als Restmüll leeren zu lassen – kostenpflichtig natürlich.

Ein kurzweiliges Smartphone-Spiel zum Mülltrennen

Seit kurzem liefert die AWRM aber auch ein Beispiel dafür, dass Erziehung in Sachen Mülltrennen Spaß machen kann. Und zwar gratis: In der Abfall-App des Entsorgers ist neuerdings das Spiel „Abfall trennen mit Anton“ aufgespielt. Wer flinke Finger hat, kann dem Maulwurf-Maskottchen dabei helfen, Pappschachteln, Plastikfolien und sogar Giftstoffe in die richtigen Behälter zu befördern. Je mehr Müll in einer bestimmten Zeitspanne sortiert wird, desto höher die Punktzahl. Wer hätte gedacht, dass Mülltrennen sogar mal Suchtfaktor bekommen könnte?