Auch junge Douglasien haben es nicht leicht.   Foto: Gottfried Stoppel

Trockenheit, Schädlinge und Temperaturanstieg verändern den Wald im Rems-Murr-Kreis. Förster zeigen, was jetzt getan werden muss.

Im Fischbachtal bei Sulzbach an der Murr (Rems-Murr-Kreis) scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Revierförster Axel Kalmbach steht an einem Hang im Gemeindewald, umgeben von Baumriesen: 45 Meter hohe Weißtannen ragen in den Himmel, dazwischen alte Buchen, Fichten und Eichen. „Ein Wald wie aus dem Lehrbuch – könnte man meinen“, sagt Kalmbach. Doch der Eindruck täuscht. Der Klimawandel greift längst auch hier ein – in eine der kühlsten, feuchtesten Ecken des Sulzbacher Forsts.

 

Im 700 Hektar großen Waldgebiet, das Kalmbach seit 30 Jahren betreut, ist das Fischbachtal ein besonderes Stück Natur. Dank Osthanglage, stetigem Hangzugwasser und geschlossenen Beständen herrschen hier auch an heißen Sommertagen angenehme Temperaturen. Doch selbst diese Lage schützt nicht mehr vor den Folgen der Erderwärmung.

Förster Jürgen Baumann neben einer Karte zum Klimawandel: Immer weniger Standorte eignen sich für die Fichten. Foto: Gottfried Stoppel

Die Durchschnittstemperatur im Revier ist in den vergangenen drei Jahrzehnten von acht auf über zehn Grad gestiegen – mit gravierenden Folgen. Die Fichte zum Beispiel, einst Brotbaum der Forstwirtschaft, leidet unter Trockenheit und Schädlingsbefall. „Die Baumarteneignungskarte zeigt: Für die Fichte gibt es bei uns kaum noch geeignete Lagen“, sagt Jürgen Baumann von der unteren Forstbehörde in Backnang. Kalmbach ergänzt: „Auf den Hochlagen wird die Fichte verschwinden – da ist es zu trocken.“

Wald im Klimawandel: Die Buche drängt nach vorne

Mancherorts ist die Veränderung bereits sichtbar. „Die letzten Jahre waren dramatisch – wir hatten unwahrscheinlich viel Schadholz“, sagt Kalmbach. Vieles sei nicht mehr rechtzeitig nutzbar gewesen. „Die Realität überholt sogar das pessimistischste Szenario.“

Wo einst Fichten und andere Nadelbäume standen, drängt sich nun eine andere Baumart nach vorne – die Buche. Sichtbar wird das am höher gelegenen Sägerkopfweg im Femelwald: „Das hier ist ein klassisches Buchenmeer – da wächst sonst fast nichts mehr“, sagt Kalmbach. „Die Buche ist robust, aber dominant. Ein reiner Buchenwald ist ökologisch ärmer – und riskant: Wenn eine Krankheit kommt, verlieren wir ganze Bestände.“ Und auch die Buche wird durch den Klimawandel stark geschädigt und stirbt in gewissen Lagen bereits ab. So sei es auch bei den Eschen gewesen, erzählt Baumann: „Vor 30 Jahren habe ich Waldbesitzern empfohlen: ‚Pflanzt Eschen.’ Und jetzt? Jetzt fallen sie flächig aus – ein Schlauchpilz rafft sie dahin.“

Vielfalt im Wald: „Wer streut, rutscht nicht!“

Die Antwort der Förster heißt Vielfalt. „Wer streut, rutscht nicht!“, sagen Kalmbach und Baumann. Anstelle von Monokulturen setzen sie gezielt auf Mischung. Nicht jede Baumart gedeiht auf jedem Standort – deshalb wird jede Fläche einzeln beurteilt. „Wir wollen nicht, dass uns eine Art alles dominiert – Vielfalt ist die einzige Absicherung gegen das Unbekannte“, sagt Baumann.

Revierförster Axel Kalmbach setzt auf Baumartenvielfalt. Foto: Gottfried Stoppel

Am Sägerkopf zum Beispiel wurde kürzlich – in einen jungen, dichten Buchenwald – eine breite Schneise für resistentes Nadelholz geschlagen. Dort haben Kalmbach und seine Mitarbeiter 500 junge Douglasien eingepflanzt. „Von diesen 500 Setzlingen bleiben vielleicht zehn große Bäume am Ende stehen – das reicht“, sagt Kalmbach. „Wir geben den vitalsten Bäumen Raum – das sind unsere Superhelden.“ Gemeint sind die Bäume, die sich gegen Konkurrenz, Dürre, Schatten und Wild durchsetzen.

Auch an einem weiteren Hochpunkt im Femelwald wurde gepflanzt: Baumhasel, Esskastanie, Stieleiche, Spitzahorn und andere möglichst widerstandsfähige Arten. Die Auswahl erfolgt standortspezifisch – was wo wächst, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Bodenbeschaffenheit, Niederschlagsmengen, Höhenlage, Exposition und Wasserverfügbarkeit.

Doch bis die Bäume zu einem Wald werden, der seine Funktionen erfüllt, ist es noch ein langer Weg. Die jungen Pflanzen müssen regelmäßig freigemäht werden, damit sie nicht von Brombeeren und Brennnesseln überwuchert werden.

Jagd als Baustein des Wald-Konzepts

Zugleich droht Gefahr durch sogenannte Fegeschäden: Rehböcke schälen mit dem Geweih junge Lärchen – die Stämme sterben ab. „Ohne Schutz überlebt auch keine Eiche – das Rehwild liebt frische Triebe“, sagt Kalmbach. Deshalb werden junge Bäume mit Hüllen geschützt. Früher war das Plastik, heute testet man biologisch abbaubare Varianten. „Was sich selbst zersetzt, muss niemand mehr aufwendig entsorgen“, erklärt Baumann. Auch die Jagd gehört zum Konzept. „Wir brauchen einen angepassten Wildbestand, der solche Pflanzungen überhaupt zulässt. Sonst können wir uns das alles sparen“, sagt Kalmbach. Denn ohne aktives Eingreifen – pflanzen, pflegen, regulieren – kann sich der angestrebte Mischwald nicht entwickeln.

Privatwaldbesitzer einbinden

Dabei ist der Waldumbau teuer. Doch das Land Baden-Württemberg fördert die Umstellung auf klimatolerante Wälder. Im Rems-Murr-Kreis gibt es rund 9000 Privatwaldbesitzer. Ihnen gehören etwa 30 Prozent der Waldfläche. Auch auf deren Mitarbeit setzen Baumann, Kalmbach und Kollegen. Wer am Waldumbau mitwirkt, kann Fördermittel beantragen.

Die Erstberatung durch den Revierförster ist kostenlos, die Maßnahmenbetreuung stark subventioniert. „Das ist eine große Chance für Kommunen und private Waldbesitzer gleichermaßen“, sagt Baumann. „Wir stellen die Weichen für die kommenden Generationen – und das geht nur mit Vielfalt“, sagt Baumann. Früher wurden Bäume 120 Jahre alt. Heute wissen wir nicht, ob sie überhaupt so alt werden.

Trotz dieser Unsicherheiten läuft der Umbau weiter – Schritt für Schritt, Fläche für Fläche. Wenn der Wald von morgen bestehen soll, muss er sich heute verändern.