Mit der Nachförderung für 70 Betten sieht die Klinikbilanz um einiges besser aus. Foto:  

Der Landrat bezeichnet die Nachförderung des Landes als einen Meilenstein für die Rems-Murr-Kliniken, mancher Kreisrat spricht von einer Sensation. Der Klinik-Geschäftsführer sieht Aussicht auf „schwarze Null“ bei den Krankenhäusern ab 2026.

Winnenden - Insgesamt 620 Betten sind vor fünf Jahren mit dem Klinikneubau in Winnenden in Betrieb genommen worden, genau 70 mehr, als über den Versorgungsauftrag des Sozialministeriums samt zugehöriger Förderzusage abgedeckt waren. Diese 70 Betten hat der Kreis quasi auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko gebaut. Ein Umstand, wie der Landrat Richard Sigel jetzt in einem Pressegespräch betonte, der einiges an Ungemach und schwierigen Verhandlungen nach sich gezogen habe. Die gute Nachricht knapp fünf Jahre nach der Einweihung der neuen Klinik: Das Land gewährt eine Nachförderung, die nun rund zehn Millionen Euro in die Krankenhauskassen spült und deren Defizit in den kommenden Jahren erträglicher gestaltet.

Er halte die damalige Entscheidung, Betten ohne Förderzusage zu bauen, trotzdem nach wie vor für einen Fehler, betonte Sigel. Schließlich sei hinlänglich bekannt: „Vorzeitiges Bauen ist förderschädlich – das Sozialministerium hat eine große Ausnahme gemacht.“ Andererseits sei klar: „Das ist ein Meilenstein für die Rems-Murr-Kliniken“, betonte Sigel bei der Klinik-Zwischenbilanz zum Ende der Kreistagsperiode. Denn die nicht geförderten Betten haben in den vergangenen Jahren gleich mehrfach auf dass wirtschaftliche Ergebnis der Kliniken durchgeschlagen. Trotz Vollauslastung seien während dieser Zeit nur 550 Betten abrechenbar gewesen. Nun wirke sich das Ende des „Fixkostendegressionsabschlags“ – einer Strafe für nicht abgesprochene Zusatzaktivitäten – sowie die Auswirkung der Nachförderung auf Abschreibungen und Verschuldung positiv auf die Ergebnisse aus.

Das Defizit sinkt deutlich

Im operativen Bereich werden die Rems-Murr-Kliniken voraussichtlich in diesem Jahr erstmals schwarze Zahlen erreichen, berichtete Klinik-Geschäftsführer Marc Nickel. Nach 17,4 Millionen Euro im Jahre 2014 ist hier das Minus im vergangenen Jahr auf rund zwei Millionen gesunken. Für 2019 rechnen die Verantwortlichen mit einem Plus von rund zwei Millionen Euro. Was allerdings, so betonte der Landrat, noch längst nicht das Ende des Defizitausgleichs durch den Kreis bedeute. Hier schlagen weiter Zinsen und Tilgung kräftig zu Buche Allerdings sank der auszugleichende Betrag von 27,4 Millionen Euro 2014 auf nurmehr 18,7 Millionen im vergangenen Jahr. Der mittelfristig gesteckte Zielkorridor von zehn Millionen Euro an Defizit, so Nickel, werde voraussichtlich im Jahr 2024 erreicht – „eine echte schwarze Null rückt im Jahr 2026 in den Bereich des Möglichen“.

Verbunden seien die hoffnungsvollen Wirtschaftszahlen mit einem deutlichen Zuwachs bei den Klinikaktivitäten. Die Zahl der jährlichen Behandlungsfälle an den Rems-Murr-Kliniken ist im Vergleich der Jahre 2014 und 2018 um knapp 10 000 Fälle oder 24 Prozent gestiegen. Dem entspricht auch eine deutliche Steigerung bei den abrechenbaren Leistungen um 35 Prozent. Mit dem Endoprothetik- (dauerhafte Implantate), dem Wirbelsäulen- und dem Onkologiezentrum sowie der multimodalen Schmerztherapie in Schorndorf sei man mittlerweile im Bereich der medizinischen Spitzenleistung angelangt.

Wachsende Reputation zumindest im Focus-Deutschlandtest

Selbst die zuvor nicht unumstrittene Reputation zeige offenkundig zumindest extern auch deutlich nach oben: Im Deutschland-Test von Focus rangierten die Rems-Murr-Kliniken deutschlandweit mittlerweile auf Rang neun. Und mit der vom Land in Aussicht gestellten Förderung von weiteren – dringend gewünschten – 47 Betten rückt ein Zusatzbau am Winnender Klinikum näher.

Im Kreistag ist das Verhandlungsergebnis von Landrat und Klinikgeschäftsführung über die Fraktionen hinweg gelobt worden. Der SPD-Kreisrat Heinz Franke sprach im Bezug auf die Nachförderung von einer „Sensation“. Ulrich Lenk (FDP) und der Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky (Freie Wähler) fühlten sich, als seien „Weihnachts- und Ostergeschenke zusammen und auf einmal verteilt worden“. Der Winnender Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth konstatierte gleich als erster Redner, dass es nicht einen einzigen Grund geben könne, das Verhandlungsergebnis abzulehnen. Er deutete aber auch an, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht worden seien. 70 Betten ungefördert zu bauen, sei ein „echter kommunalpolitischer Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden“ gewesen, Mit der Nachförderung habe man nun die Grundlage für eine solide Weiterentwicklung der Kliniken in Winnenden und Schorndorf gelegt, auf der sich aufbauen lasse – dies aber bitte ohne Drahtseilakt.

Fester Boden nach vier Jahren im Krankenhaussumpf

Probleme
In einigen Passagen hat sich das Pressegespräch zu den Kliniken wie eine Generalabrechnung angehört. Man habe, so Geschäftsführer Marc Nickel „vier Jahre lang im Sumpf gestanden“.Mit Nachförderung und medizinischer Gesamtkonzeption habe man nun festeren Boden unter den Füßen.

Kosten
Konkret sei die neue Klinik in Winnenden schlicht um rund 100 Millionen Euro zu teuer gebaut worden. Dies sei auch der Grund dafür, dass letztlich die Förderquote bei den Betten bisher im Schnitt bei wirtschaftlich kaum tragbaren 35 Prozent gelegen habe, wo andernorts – bei günstigerer Bauweise – über 50 Prozent erreicht würden.

Planungspfusch
Als Kostentreiber war einst beim Bau vor allem das Problem mit der undichten sogenannten weißen Wanne betrachtet worden. „Gerade zu ziehen“ seien aber auch unglaubliche Planungsfehler gewesen, wie der Pfusch bei der Essensversorgung,heißt es jetzt: Die Wagen für die Erwärmung seien schlicht nicht kompatibel gewesen mit den angelieferten Tellern und tiefgekühlten Mahlzeiten. Man habe – so Nickel – nachträglich komplett neue Wagen beschafft.