Relindis Agethen mit Bildern ihrer Schülerinnen und Schüler – ihnen ein Forum zu bieten, war der Künstlerin immer wichtig. Foto: Archiv/Birgit Kiefer

Sie war Buchillustratorin, leitete eine Malschule und initiierte die Kornwestheimer Märchenwochen: Die eigenwillige Künstlerin Relindis Agethen ist gestorben.

Als junge Studentin an der Stuttgarter Kunsthochschule war sie per Zufall in Kornwestheim gelandet, weil es sich dort günstig wohnen ließ. Mehr als ein halbes Jahrhundert später hat sich für die in Danzig geborene Paderbornerin in der Salamanderstadt auch der Lebenskreis geschlossen: Relindis Agethen – die Frau, die immer barfuß ging – ist nach schwerer Krankheit gestorben.

Relindis Agethen war eine Erscheinung: groß, stark, präsent, eigenwillig. Keine, die irgendwem nach dem Mund redete, sondern eine, die ihr Ding machte und sich mit ihrer freien Kunstschule – der Akademie Agethen, die sich Laufe der Jahrzehnte vergrößerte und mehrfach den Standort wechselte – eine große Anhängerschaft schuf. In der Adlerstraße, in der Ulrichstraße, im ehemaligen Salamander-Kindergarten, schließlich in den früheren Praxisräumen ihres Mentors Gerhard Hämmerle: Zeitweise bis zu 100 Schülerinnen und Schülern brachte Agethen ihren Werkstätten und Ateliers jahrzehntelang zeichnerische und malerische Techniken und Fertigkeiten näher. Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern.

Die vitale junge Künstlerin brachte Inspiration in die Stadt

Agethen war umtriebig – unterstützt von den damaligen Oberbürgermeistern Siegfried Pflugfelder und Ernst Fischer, die es gut fanden, dass die vitale junge Frau Inspiration und Leute in das Städtchen brachten. „Mädle, bleib doch hier, hier kannst du machen, was du willst“, habe Pflugfelder ihr gesagt, erinnert sich Agethens Partner Karl Meyer. Die Künstlerin organisierte die „Etüden“-Reihe im Schafhof, organisierte Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Werkstattgespräche, bei denen die Menschen teils bis ins Treppenhaus standen.

Die von ihr initiierten Märchenwochen mit renommierten Gästen und Referenten wie dem Grimm-Forscher Heinz Rölleke wurden überregional wahrgenommen; bei den Landeskunstwochen1992 erhielt Relindis Agethen gar das komplette Rathaus als Ausstellungs- und Arbeitsstätte. Ein weiteres Profil der Relindis Agethen war religiöse Literatur: Sie konzipierte zusammen mit dem katholischen Theologen Hubertus Halbfas Grundschul-Religionsbücher oder illustrierte Bände für die Deutsche Bibelgesellschaft. In Granada, wo sie bei Künstlerfestivals mitmischte, griff die Spanien-Liebhaberin die Alhambra thematisch auf. Die dabei entstandenen Kunst-Postkarten fanden dort guten Absatz.

Ihre letzte Ruhe hat Relindis Agethen in Paderborn gefunden

In späteren Jahren riss der Faden zur Kornwestheimer Stadtverwaltung. Agethen fühlte sich, aber auch das Vermächtnis Gerhard Hämmerles, nicht mehr wertgeschätzt, was allerdings ihrem Engagement für ihre Schule und ihre Eleven keinen Abbruch tat. Für ihr großformatiges, symbolbeladenes Bild „Wasser – Urelement von Leben, Tod und Wiedergeburt“, an dem sie – finanziert aus Hämmerles Nachlass – rund fünf Jahre gearbeitet hatte, fand sich kein Platz in einem öffentlichen Gebäude. Das kränkte die Künstlerin. Auch eine Ausstellung zu ihrem 70. Geburtstag gab es in der Stadt ihres Wirkens nicht, ihr 80. fiel schon mitten in die Pandemie. 2015 war sie aus dem Hämmerle-Haus mit seinem charakteristischen Märchenkeller ausgezogen, das sie nach dem Tode des Arztes zunächst hatte weiternutzen dürfen, und hatte die Akademie in die Ulrichstraße verlegt, wo sie ohnehin schon lange lebte. auf dem „Kornwestheimer Montmartre“ hatte einstens auch schon der Maler Roland Dörfler sein Atelier gehabt. Mittlerweile ist das Haus verkauft.

Einen Zweit-Standort ihrer Akademie unterhielt Relindis Agethen in ihrer Heimatstadt Paderborn. In ihrem dortigen Elternhaus wollte sie mit Karl Meyer eigentlich auch ihren Lebensabend verbringen. Doch wegen der medizinischen Versorgung waren sie zum Schluss doch in der Region Ludwigsburg geblieben, Meyer pflegte sie bis zum Schluss. Ihre letzte Ruhestätte hat die Künstlerin, die das Kulturleben der Stadt jahrzehntelang mitprägte, in Paderborn.