Karin Winkler hat ihre Kartons im Ebelu schon längst gepackt. Foto: Eva Funke

Mit ihrem Weggang vom Eberhard-Ludwigs-Gymnasium mitten im Schuljahr hat deren Leiterin Karin Winkler einen Überraschungscoup gelandet und einen Schockwelle ausgelöst – bei Kollegen, Schülern, Eltern. Was trieb die beliebte Pädagogin zu diesem Schritt?

Stuttgart - Und tschüss. Karin Winkler ist schon weg. Mitten im Schuljahr hat die Leiterin des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums im Stuttgarter Norden ihrer Schule den Rücken gekehrt. Nach 29 Jahren. Erst als Lehrerin für Geschichte, Deutsch, Theaterpädagogik, die letzten neun Jahre als Schulleiterin. Kollegen, Schüler, Eltern reagierten geschockt, als sie das vor wenigen Tagen erfuhren. Nur ganz wenige waren eingeweiht. Hatten der Schulleiterin der Ärger und Stress um die anstehende Sanierung, die Verzögerung durch den Einspruch eines Nachbarn, die Abstimmung mit den vielen beteiligten Ämtern, die Vorbereitung eines Umzugs der ganzen Schule zu sehr zugesetzt? War das der Pädagogin, die vor neun Jahren als 47-Jährige ganz bewusst die Leitung des renommierten Ebelu und die Hineinführung der altehrwürdigen Schule ins „pralle Leben“ gewählt hatte, nun zuviel des prallen Lebens?

Ehemalige Schulleiterin: Ich habe keinen Frust

Nein, sagt Winkler. „Da habe ich keinen Frust, sondern bin stolz drauf, wie weit wir gekommen sind: mit dem Aufbau des Musikgymnasiums, aber auch mit der Planung von Umbau und Umzug.“ Da sei „viel Vorarbeit geleistet“, um alles aufs Gleis zu setzen. Es sei nur so, dass sie alle acht bis zehn Jahre eine neue Aufgabe suche. Und die habe sie nun gefunden. Ihr neuer Schreibtisch steht beim Kultusministerium im Postquartier. Doch nur für kurze Zeit. Die 55-jährige Pädagogin hat als Abteilungsleiterin in dem neuen Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) angeheuert. Von Mai an wird das Zentrum in Leinfelden angesiedelt sein. Die in Gründung befindliche Einrichtung soll zum Vorzeigeinstitut von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) werden. Ein wissenschaftsbasiertes, zentral gesteuertes, auf Unterrichtsqualität fokussiertes Ausbildungs-, Fortbildungs- und Unterstützungssystem. Damit will die Ministerin die baden-württembergischen Schulen wieder auf Erfolgskurs bringen, nachdem in den vergangenen Jahren baden-württembergische Schüler in Leistungsvergleichen abgestürzt waren.

Wegkommen von verstimmten Instrumenten und defekten Glühbirnen

„Es geht mir um diese Aufgabe: Lehrerfortbildung“, sagte Winkler unserer Zeitung. Auch früher schon habe sie zehn Jahre lang als Fachleiterin am Seminar für Lehrerausbildung und als Fachberaterin am Regierungspräsidium gearbeitet. Und jetzt sei „eine extrem spannende Zeit in der Kultusverwaltung – so eine Aufbruchsstimmung gibt es nicht in jedem Jahr“, so Winkler. Eine große Personalbewegungsmaßnahme sei das. Insgesamt 5000 Menschen wirkten daran mit, dass die Lehreraus- und Fortbildung künftig aus einem Guss erfolge. Dass sie als Abteilungsleiterin ein bisschen mehr Geld bekomme, sei „nicht der Punkt“, versichert sie. Aber sie wolle wegkommen vom operativen Geschäft, hin zum strukturellen Arbeiten – „weg von verstimmten Instrumenten und defekten Glühbirnen – in der Schule brandet alle paar Minuten was rein“. Aber sie wolle „immer das machen, wofür ich ein inneres Feuer habe“. Jetzt bedeutet das für sie erst mal, Mitarbeiter zu rekrutieren und Teams zusammenzustellen, bevor die eigentliche Arbeit beginnen kann. Ein späterer Einstieg sei nicht möglich gewesen, so Winkler.

Winklers Weggang müssen jetzt andere Kollegen ausgleichen

Am Ebelu brandet das Leben derweil weiter. Jetzt muss dort der stellvertretende Schulleiter Burkard Miller alles schaukeln: den anstehenden Umzug mit 24 Klassen vom Herdweg im Norden in die Ludwigstraße im Westen, ins ehemalige Gebäude der Hedwig-Dohm-Schule. Millers Musikunterricht übernimmt jemand anderes. Für einen Kollegen, der Miller bei der Orga unterstützt, musste Ersatz für den Mathe- und Physikunterricht gefunden werden. Für Winklers Kursstufler in Geschichte sprang eine Kollegin ein. „Es ist keine Stunde ausgefallen“, sagt Miller. Das Regierungspräsidium habe die fehlenden Stunden zugewiesen. Natürlich bedeute die neue Situation Mehrarbeit für einige Kollegen. Auch für Miller kam Winklers abrupter Weggang überraschend, auch wenn er davon ein paar Wochen vorher erfahren habe. „Wir haben toll zusammengearbeitet.“ Auch bei den Schülern sei ein Bedauern da, „weil sie eine wirkliche Bezugsperson war“, sagt Miller.

Geteilte Stimmung in der Elternschaft

Von einer Überraschung und einem Einschnitt spricht auch die Elternbeiratsvorsitzende Heike Bosien. Die Vorsitzende des Fördervereins, Anna Kedziora, glaubte erst an einen „schlechten Aprilscherz – für mich ist es ein persönlicher Verlust“, sagt sie. Die Reaktionen in der Elternschaft sind geteilt. Viele hätten Verständnis dafür, dass Winkler die Sache erst nach den Anmeldetagen bekannt gemacht habe, so Bosien. „Andere sagen, so kann man’s nicht machen.“ Auch Bosien kann den Zeitpunkt mitten im Schuljahr „nicht nachvollziehen: der Aufbau einer Schulbehörde ist kein Notfall“, meint sie. Sich ein neues Arbeitsfeld zu suchen sei aber legitim. Die Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Eltern sei gut gewesen, Winkler habe „eine enorm hohe Gesprächsbereitschaft“. Den Umzug, der ja ursprünglich bereits 2018 hätte erfolgen sollen, habe sie „gut eingefädelt und alles durchdacht“. „Aber in der aktuellen Umzugssituation braucht es eine Schulleitung“, findet Bosien.

Ob das bis zum neuen Schuljahr klappt? Die Ausschreibung soll im April erfolgen, für gewöhnlich dauere ein Schulleiterbesetzungsverfahren rund zehn Monate, so Miller. Intern hat sich Winkler bereits verabschiedet: von jedem der 480 Schüler mit Handschlag und einer vorbereiteten Postkarte, vom Kollegenkreis mit einem Buffet. An der Aufregung, die ihr Weggang ausgelöst habe, habe sie „gemerkt, dass ich wichtig war für diese Schule“.

Im Kultusministerium kann man die Enttäuschung am Ebelu und die Verärgerung der Eltern nachvollziehen. Allerdings habe sich Winkler „aus freien Stücken“ für den neuen Job beworben, die Abteilungsleiter des ZSL hätten alle ihre Arbeit in der vergangenen Woche aufgenommen, erklärte eine Ministeriumssprecherin. „Der Wechsel war mit Frau Winkler abgestimmt.“