Die Hörsäle sind voll, doch die Mitarbeiter an den Hochschulen sind knapp. Foto: dpa

Es gibt immer mehr Studenten in Baden-Württemberg, aber die Hochschulen haben weniger Geld für den einzelnen. Das muss sich ändern, fordern die Rektoren. Sonst müssten Studienplätze gestrichen werden.

Stuttgart - An Selbstbewusstsein fehlt es den Rektoren der baden-württembergischen Universitäten und Hochschulen nicht – aber am Geld. „Wir sind das Herzstück des Landes Baden-Württemberg, kein Accessoire“, nimmt Bernd Eitel, der Rektor der Uni Heidelberg und Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz für die Institutionen in Anspruch.

Die Hochschulen und Universitäten bezeichnet er als „überaus erfolgreich und enorm leistungsbereit“. Das, so meinen die Rektoren, müsse sich jetzt in deutlich höherer staatlicher Unterstützung niederschlagen. Sonst werde Baden-Württemberg „in 20 Jahren auf der Empfängerseite des Länderfinanzausgleichs stehen“. Schließlich seien hoch qualifizierte Absolventen und Forschungsleistungen „die Schlüsselfaktoren, um den anstehenden Strukturwandel zu bewältigen“, sagt Eitel. Die Vertreter der anderen Hochschularten pflichten ihm bei.

Seltene konzertierte Aktion

In einer geballten Aktion haben die Rektoren auf ihre Nöte aufmerksam gemacht. Sie stehen an einer entscheidenden Hürde. Jetzt wird ein neuer Finanzierungsvertrag verhandelt, der die finanzielle Basis der baden-württembergischen Hochschulen bis ins Jahr 2025 festschreiben soll. Der bisherige Vertrag läuft Ende des Jahres 2020 aus. Die Hochschulen haben in der Vergangenheit auf Wunsch der Politik stark expandiert. Die 21 Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW, ehemals Fachhochschulen) haben zusammen mit der dualen Hochschule DHBW inzwischen rund 35 000 Studienanfänger im Jahr, 2007 waren es 15 000. Das zeigt eine Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK). An den neun Universitäten stieg die Zahl der Anfänger von 2007 bis 2017 laut Statistischem Landesamt um mehr als 6000 auf 28 700 Anfänger.

Die Studienangebote sind deutlich differenzierter geworden, Studenten brauchen zunehmend Unterstützung. Damit habe die Finanzierung des Landes nicht Schritt halten können, sagte etwa Gerhard Schneider, der Rektor der HAW Aalen. Er sieht das Ministerium in der Pflicht, „das Finanzierungsniveau zu korrigieren und den drohenden Kollaps im System abzuwenden“.

Rund 3500 Euro hätten die Universitäten jetzt weniger pro Student zur Verfügung als vor 20 Jahren, sagte Bernd Eitel und sparte nicht an Dramatik: „Es lodert an den Hochschulen“, sagte er. Die Schere in der Entwicklung der Finanzierung und der Studierenzahlen müsse geschlossen werden. 1000 Euro mehr pro Student fordern die Hochschulen, dazu jährlich eine dreiprozentige Erhöhung der Grundfinanzierung und die Überführung von befristeten Programmen in die regelmäßige Grundfinanzierung. Die Bundesmittel müssten transparent und gerecht an die Hochschulen weitergegeben werden. Alles in allem kommen die Hochschulen auf einen jährlichen Mehrbedarf von rund 450 Millionen.

Rektoren irritiert über Politik

Doch Bastian Kaiser, der Vorsitzende der Rektorenkonferenz der HAW, macht „wenig Bereitschaft in der Politik aus“, zusätzliche Mittel bereitzustellen. Nur ein Fünftel, also 100 Millionen Euro zusätzlich habe die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), für das Jahr 2021 im Haushalt angemeldet. Wenn die Situation so bleibe, „dann können wir einen solchen Finanzierungsvertrag nicht verantworten“, sagte Kaiser. Zu viele Mitarbeiter seien nur befristet angestellt. Es fehle an Digitalisierungsmitteln. Wenn die Finanzierung nicht besser werde, könnten Studienplätze gestrichen werden.

Ministerin Bauer kommentierte die Zahlen nicht. „Wir stehen mitten in den Verhandlungen“, erklärte sie. Allerdings wolle das Land die Grundfinanzierung der Hochschulen weiter steigern. Die Forderungen seien „im Grundsatz berechtigt“.

Studenten hoffen auf bessere Rahmenbedingungen

Die Arbeitgeberverbände fordern das Land auf, „die Unterfinanzierung der Hochschulen zu stoppen“. Der Industrie- und Handelskammertag unterstützt die Forderung nach höherer Grundfinanzierung. Dann könne das Betreuungsverhältnis verbessert werden. Auch die Studenten schließen sich den Forderungen ihrer Rektoren an. So kämen in Hohenheim auf eine Professorenstelle in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 115 Studierende, beklagen die dortigen Studenten. Neben besserer Betreuung erwarten sie bessere Rahmenbedingungen. Zurzeit gebe es für 9235 Studierende acht Gruppenarbeitsräume. Flächendeckendes Wlan oder auch Gruppenarbeitsräume stehen weiterhin auf ihrer Wunschliste.