Der Bau von Ladeinfrastruktur soll schneller gehen – auch dafür fließt Geld. Foto: imago//Bernd Feil

Der Ministerpräsident räumt Vorbehalte gegen die Rekordschulden von zusätzlich 8,6 Milliarden Euro ein. Dennoch hält er die Mittel für die Kommunen und die Gelder zur Stimulierung der Wirtschaft für notwendig.

Stuttgart - Die Rekordverschuldung von fast 14 Milliarden Euro innerhalb eines Jahres bereitet Ministerpräsident Winfried Kretschmann Bauchgrimmen: „Da fühlt man sich natürlich nicht besonders wohl“, sagte er am Dienstag, nachdem das Kabinett den Entwurf zum zweiten Nachtrag für den Haushalt 2020/2021 gebilligt hatte. Er habe dem neuen Kreditpaket von 8,6 Milliarden, die nun zu den fünf Milliarden Corona-Hilfe vom März hinzu kommen, „nicht ohne mulmiges Gefühl“ zugestimmt.

Eine solche Politik sei früher auch nicht sein Kurs gewesen. Denn „wenn die Schulden mal da sind, sind sie da“. Umso wichtiger sei, das Geld noch in dieser Generation zurückzuzahlen – und nicht erst in 60 Jahren, wie in einigen Bundesländern. Rein rational sei die Entscheidung jedoch richtig, denn man könne nicht gegen die Krise ansparen.

Kretschmann verteidigte auch die Investitionen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zur Wirtschaftsförderung, auf die sich die Regierungsfraktionen am Montagabend verständigt hatten. Grüne und CDU seien mit fast vollständig deckungsgleichen Vorstellungen in die Verhandlungen gegangen. Dabei handele es sich ausschließlich um Investitionen „in die Schwerpunkte, die das Land braucht“, nicht um konsumptive Ausgaben. Es sei auch nicht so, dass Grüne und CDU jeweils ihre Klientel bedient hätten.

Kliniken sollen kooperieren

Der Aufstellung zufolge, die unserer Redaktion vorliegt, soll der Löwenanteil von 350 Millionen Euro in das branchenübergreifende Förderprogramm „BW Invest“ fließen. Grün-Schwarz will damit marktgängige Innovationen in der Medizintechnik, in der Quantentechnologie, aber auch bei der Speichertechnik für Energie fördern. Die Firmen sollen finanzielle Anreize erhalten, damit sie ihre Forschungsaktivitäten erhöhen. Außerdem soll die wirtschaftsnahe Forschungsinfrastruktur profitieren – so wird etwa die Ansiedlung eines neuen Instituts des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt für sichere KI-Systeme in Ulm erwähnt.

Fast 299 Millionen Euro sind als Schub für den „Gesundheitsstandort“ Baden-Württemberg vorgesehen. So sollen die Unikliniken noch enger kooperieren und ihre Kräfte bündeln. Vor allem aber sollen Institute und Firmen an Standorten profitieren, die in der Medizin und Medizintechnik ohnehin schon stark sind – so etwa die Medizinregion Rhein-Neckar um die Unikliniken Heidelberg und Mannheim. Aber auch ganz konventionelle Unterstützung ist geplant: So sind 65 Millionen für den Kauf von Grundstücken und Gebäuden für die Weiterentwicklung der Unikliniken Ulm und Freiburg geplant.

Ansturm auf Breitband

Unter der Überschrift „Transformation/Klimaschutz/Mobilität“ listet die Koalition Vorhaben auf, die den Übergang der Autoindustrie sowie des Maschinenbaus in die digitale Welt unterstützen sollen. So sind 50 Millionen für den „Innovationscampus Mobilität der Zukunft“ vorgesehen, der bereits im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft vereinbart worden war.

In der Förderliste finden sich aber auch intelligente Ampelanlagen (10 Millionen), Innovationen beim Straßenbau (10 Millionen) und die Einführung einer digitalen Vielfahrerkarte für den ÖPNV im ganzen Land (20 Millionen). Der Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge (30 Millionen) ist der Koalition ebenso Geld wert wie energetische Sanierungsmaßnahmen an landeseigenen Wohngebäuden (5,4 Millionen Euro). 268 Millionen sieht Grün-Schwarz schließlich für einen Strauß von Fördermaßnahmen vor, dem die Landesregierung das Etikett „Digitalisierung und Künstliche Intelligenz“ aufgeklebt hat. Dazu gehört zum Beispiel der Ausbau der Breitbandinfrastruktur (100 Millionen). Die Kommunen hätten weit mehr Anträge gestellt, als die Fördermittel des Landes hergäben, heißt es, außerdem seien die Tiefbaukosten pro Anschluss gestiegen.

Schlagabtausch im Landtag

Auch die Anbindung baden-württembergischer Schulen ans schnelle Breitband-Internet soll vorangehen (50 Millionen). Vor allem aber soll mehr Geld in das Kompetenzzentrum für maschinelles Lernen an der Uni Tübingen fließen, das derzeit allein vom Bund gefördert werde. „Über diesen Baustein kann das Cyber Valley eng in die nationale sowie die deutsch-französische KI-Strategie integriert werden“, heißt es als Begründung.

Der erste öffentliche Schlagabtausch über diese Vorhaben ist für die Erste Lesung des Nachtragshaushalts am 30. September im Landtag geplant. Die Opposition hat in den vergangenen Tagen aber bereits kundgetan, dass sie von dem auf Kredit bezahlten Paket wenig hält. „Wahlkampfhaushalt“ nannte die AfD am Dienstag den Entwurf. Die Landesregierung gebe mit beiden Händen Geld aus, das sie nicht habe.