Die Inderin Bhavana Thadvi ist froh, dass sie eine Stelle als Guide in dem neuen Monument bekommen hat. Foto: Gabriele Kiunke

Weder in Rio de Janeiro noch in New York steht die größte Steinfigur der Erde – den Rekord hält seit 2018 Indien. Was Sie über das Bauwerk wissen sollte.

Mumbai - Am 31. Oktober 2018 regnete es Blüten, die aus Hubschraubern herabgeworfen wurden und Kampfjets zogen über den Himmel. Mit einer pompösen Zeremonie wurde die größte Statue der Welt eingeweiht. Sie stellt den indischen Politiker Sardar Patel dar, der am 31. Oktober geboren wurde. Die Wiederkehr seines 143. Geburtstag war Anlass für die Einweihung der Steinfigur.

Was steht dort?

Die Bronzefigur ist kilometerweit zu sehen, trägt Sandalen und ein indisches Gewand. Ruhe strahlt die Haltung des Mannes aus. Zu sehen ist Vallabhbhai Patel, besser bekannt als Sardar Patel, erster Innenminister Indiens. Die Figur steht im Bundesstaat Gujarat, inmitten einer Einöde am Ufer des Flusses Narmada, unweit des 2017 eingeweihten Sardar-Saroval-Staudammes. Das Gelände ist gigantisch und für Tausende von Besuchern ausgelegt, noch ist aber kaum was los. Eintrittskarten werden nur für bestimmte Zeitfenster vergeben. Besucher passieren eine Pass- und Gepäckkontrolle wie am Flughafen. Wie dort gibt es auch Rollbahnen, die einen den langen Weg über die Anlage bis zum Eingang am Sockel befördern. Von der kathedralenartigen Halle fahren die Aufzüge auf die Aussichtsterrasse in 135 Meter Höhe hinauf, von der man auf das fast ausgetrocknete Flussbett und die Staumauer blickt. Danach Einkehr im Foodcourt, ganz westlich inspiriert: statt Linsencurry gibt’s hier Fast Food und Softdrinks. Modernes Indien.

Wer arbeitet in dem Monument?

Die junge Frau arbeitet als Guide in der Statue und ist glücklich, einen der Jobs bekommen zu haben. „Für die 60 Stellen gab es etwa 1000 Bewerber“, erzählt Bhavana Thadvi, 32. Für indische Verhältnisse gar nicht so viel Andrang, denn Arbeitsplätze sind Mangelware: Als die Eisenbahn zuletzt 100 000 Jobs ausschrieb, meldeten sich mehr als 20 Millionen Inder. Monatlich drängen eine Million Inder auf den Arbeitsmarkt.

Die zweifache Mutter hatte zuvor als Lehrerin an einer privaten Grundschule gearbeitet. Jetzt betreut sie Besucher auf der Aussichtsplattform und verdient mehr als doppelt so viel wie früher, rund 15 000 Rupien, etwa 200 Euro. „Zudem habe ich die Aussicht, vom Staat übernommen zu werden.“ Jobs im Staatsdienst sind begehrt, weil sie viele Vorteile bieten, zum Beispiel bekommen viele Beamte eine Wohnung gestellt. Insgesamt arbeiten auf dem Gelände rund um die Statue rund 3000 Mitarbeiter.

Was kostete das Projekt?

Rund 3000 Arbeiter und mehr als 200 Ingenieure arbeiteten rund dreieinhalb Jahre an dem Monument, dessen äußere Hülle mit acht Millimeter dicken Bronzeplatten bedeckt ist. Die Figur soll heftigen Stürmen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 220 Kilometern pro Stunde als auch schweren Erdbeben standhalten. Angesichts von Baukosten von knapp 30 Milliarden indische Rupien (379 Millionen Euro) gab es auch viel Kritik. Das Geld hätte man besser in Universitäten und Bewässerungsanlagen gesteckt, hieß es. Die indische Regierung plant indes eine weitere Mammutstatue: Bei Mumbai wird zurzeit an einem Reiterdenkmal gewerkelt, das den Hindu-König Shivaji darstellt. Das Denkmal soll bis 2021 fertig sein und noch höher als die Statue der Einheit werden.

Was ist die Botschaft Indiens?

In diesem Jahr gedenkt Indien auch Mahatma Gandhis, der vor 150 Jahren geboren wurde. Es ist bezeichnend, dass Premierminister Narendra Modi nicht dem Prediger von Frieden und Toleranz dieses gigantische Standbild gewidmet hat. Modi und seine Partei, die hindunationalistische BJP, propagieren einen Staat, der vorrangig Heimat der Hindus ist und sich für ihre Interessen einsetzt. Indien „groß machen“, ist das erklärte Ziel, dazu gehören auch neue Denkmäler. Mit Patel wird ein Mann gewürdigt, der in dieses Bild passt: Als Innenminister trug er maßgeblich zur Einheit Indiens bei, weil er mit über 500 Fürstenstaaten verhandelte und sie vereinen konnte. Er trägt daher auch den Beinamen „Bismarck Indiens“. Ob er wirklich nationalistisch dachte, ist fraglich.