Knapp eine halbe Tonne sichergestelltes Kokain. Foto: dpa/Sven Hoppe

Tonnenweise Kokain schmuggeln südamerikanische Drogenhändler nach Europa. Wie im Welthandel üblich, wird die Ware meist im Container verschifft. Weil Kräne und Gabelstapler zu auffällig sind, spielt ein gut tragbares Behältnis eine besondere Rolle.

Hamburg - Kokainschmuggler lieben Sporttaschen. 20 bis 25 Kilopakete des Rauschgiftes passen in so eine Tasche, die schnell und unauffällig umzuladen ist. Die Kriminellen legen die gut tragbaren Behältnisse in Südamerika in Container, die beladen mit ganz legalen Gütern nach Europa verschifft werden. Im Zielhafen - in Deutschland ist das meist Hamburg - holen Komplizen die Taschen aus dem Container und transportieren sie auf andere Weise weiter zu ihren Abnehmern. Der Zoll spricht vom Rip-off-Verfahren. Es sei die dominierende Methode bei größeren Kokainmengen, sagt der Sprecher des Hamburger Zollfahndungsamts, Frank Nielsen.

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Mehr als zehn Tonnen der Droge haben die Ermittler in diesem Jahr in Deutschland abgefangen, wie das Bundeskriminalamt (BKA) unlängst bestätigte. Das ist eine Rekordmenge. Der Schwarzmarktwert des Rauschgifts dürfte weit über zwei Milliarden Euro liegen. Die bislang umfangreichste Bilanz hatten die Behörden für das Jahr 2017 vorgelegt. Damals waren gut acht Tonnen Kokain sichergestellt worden. 90 bis 95 Prozent des Kokains haben auch in diesem Jahr die Beamten des Zollfahndungsamtes Hamburg aufgespürt. Sie sind auch für Bremerhaven, den zweitgrößten deutschen Containerhafen, zuständig.

64 Sporttaschen mit 1575 Paketen

Mehr als die Hälfte der Rekordmenge entdeckten die Beamten im Juli in Hamburg. In einem Schiffscontainer fanden sie 4,5 Tonnen Kokain mit einem Straßenverkaufswert von rund einer Milliarde Euro. Die mehr als 4200 Pakete mit gepresstem Kokain waren in 211 schwarze Sporttaschen verpackt. Offiziell sollte der aus Uruguay kommende Container nur mit Sojabohnen beladen sein. Die enorme Menge sei das größte jemals einzeln in Deutschland sichergestellte Volumen an Kokain, hieß es.

Wenige Tage später wurden die Beamten auf einem Containerschiff aus Brasilien erneut fündig. Diesmal lagen 64 Sporttaschen mit 1575 Paketen in einem Behälter, der angeblich nur mit Tabakkartons beladen war. Den Schwarzmarktwert des Rauschgifts bezifferte das Zollfahndungsamt auf 350 Millionen Euro. Bei beiden Schmuggelversuchen sollten die Drogen weiter nach Antwerpen in Belgien gehen.

Der Blick auf Europa zeigt, dass in Deutschland trotz Rekords verhältnismäßig wenig Kokain abgefangen wird. Nach dem aktuellen Bericht der EU-Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht stellten die Fahnder im Jahr 2017 in den 28 EU-Staaten, Norwegen und der Türkei 142 Tonnen von dieser Sorte Rauschgift sicher, nur 8 davon in Deutschland. Während die Behörden in ganz Deutschland im Jahr 2018 nach Angaben des BKA gut 5 Tonnen entdeckten, spürten niederländische und belgische Beamte allein in den beiden Hafenstädten Rotterdam und Antwerpen rund 70 Tonnen auf. Das Volumen des Kokain-Marktes in der EU schätzt die Beobachtungsstelle auf 9,1 Milliarden Euro, die Zahl der Konsumenten auf 4 Millionen.

Bananenkartons als klassische Schmuggelmethode

Beim Schmuggel in Containern ist die illegale Ware ohne Kurier unterwegs. Darum ist es für die Fahnder oft schwer, die Täter oder gar die Hintermänner zu finden. Im November 2018 gelang es Spezialkräften der Hamburger Polizei jedoch, fünf Männer beim Abladen von 1,1 Tonnen Kokain aus einem Lastwagen festzunehmen. Seit Mai dieses Jahres stehen sie mit drei weiteren mutmaßlichen Komplizen vor Gericht. Die Angeklagten sollen dem Lastwagenfahrer vom Hafenterminal aus gefolgt sein und ihn als falsche Polizisten südlich von Hamburg an der Autobahn 7 überfallen haben. Ein Urteil ist nach Angaben eines Gerichtssprechers noch nicht absehbar.

Eine klassische Schmuggelmethode sei nach wie vor auch der Bananenkarton, sagt Nielsen. Die Herausforderung für die Zollfahnder liege darin, unter den zahlreichen Containern mit Bananen, die täglich in Hamburg umgeschlagen werden, die falschen Früchte herauszufiltern. Das macht der Zoll üblicherweise mit einer Risikoanalyse, die auf Vorgaben der EU basiert. Im vergangenen April wurden die Hamburger Zöllner auf eine verdächtige Lieferung aufmerksam. Bei der Kontrolle von drei Containern aus Südamerika fanden sie unter Bananen versteckt 700 Kilo Kokain. Die insgesamt neun mutmaßlichen Täter hatten das Rauschgift aus 42 Kartons entnehmen und mit „Ersatzbananen“ auffüllen wollen.

Beim Transport in Reisetaschen oder Bananenkartons riskieren die Schmuggler meist nur den Verlust ihrer Ware, bei einer anderen Methode aber ihr Leben: Anfang Dezember nahmen Zollbeamte am Hamburger Busbahnhof einen Drogenkurier fest, der etwa 1,2 Kilogramm Kokain und Heroin in seinem Körper nach Skandinavien schmuggeln wollte. Der „Bodypacker“ hatte 122 Kondome mit jeweils zehn Gramm Rauschgift geschluckt. „Das ist lebensgefährlich, wenn das Päckchen im Körper aufgeht“, sagte Nielsen.