Wer unter Reizdarm leidet, dem kann nach dem Besuch beim Bäcker der Bauch wehtun Foto: dpa

Hohenheim Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Beschwerden wie Bauchweh oder Blähungen nicht von der Getreideart abhängen, sondern der Art wie sie gebacken wird.

Stuttgart - Der Bauch drückt und bläht sich, der Stuhlgang macht Probleme – und das alles nur wegen einer Brezel. Viele Menschen, die unter einem Reizdarm leiden, spüren diese typischen Symptome, nachdem sie weizenhaltige Backwaren gegessen haben. Schuld daran seien unter anderem spezielle Zucker, die im Weizenkorn enthalten sind, erklärt Friedrich Longin, Leiter für Weizenzüchtung und -forschung an der Landeszuchtanstalt der Universität Hohenheim.

 

Bislang galt für Betroffene: Die Brezel aus Weizenmehl lieber liegen lassen und stattdessen Brot und Brötchen aus Einkorn, Emmer, Dinkel und Durum essen. Diese sogenannten Urgetreide werden von Reizdarmpatienten besser vertragen. Zumindest war das bislang die gängige Meinung, weil man meinte, dass darin weniger der für sie schlecht bekömmlichen Zucker enthalten seien. Wissenschaftler nennen diese auch Fodmaps – eine Abkürzung für fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole.

In der Gehdauer des Teiges liegt das eigentliche Übel

„Nachdem wir die Zuckergehalte in den verschiedenen Getreidesorten nun aber genau analysiert haben, wissen wir, dass Einkorn beispielsweise sogar mehr Fodmaps enthält als Weizen“, sagt Longin. Zumindest bevor die Backwaren im Ofen landen. Bis dahin liegen sie aber – je nach Zubereitungsart – in Teigform mehrere Stunden in der Backstube. Und genau hier haben die Wissenschaftler das eigentliche Übel für die Reizdarmpatienten entdeckt: Es ist die Gehdauer des Teiges.

Denn während das Gemisch aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe beim Bäcker ruht, arbeitet der Teig wie verrückt. Die Hefen vermehren sich, produzieren Gase – und fressen Zucker. Je länger der Teig steht, umso mehr. „Es ist also nicht der Weizen an sich, der unverträglich ist, sondern die Art und Weise, wie er zubereitet wird“, sagt Longin. Denn während Weizenteiglinge insbesondere in Großbäckereien oft schon nach einer Stunde Gehzeit im Ofen landen, werden Urgetreide eher von traditionell arbeitenden Bäckereien verwendet. „Der Teig daraus steht dann auch mal vier Stunden, wenn Platz und Zeit dafür da sind“, sagt Longin. Denn nur dann haben auch die Aromastoffe im Getreide ausreichend Zeit, sich richtig zu entfalten.

Mit dieser Theorie lässt sich übrigens auch gut erklären, warum Weizenunverträglichkeiten im Vergleich zu früher zugenommen haben. Noch vor 50 Jahren hatten die Bäcker gar keine andere Möglichkeit, als auch Teige aus Weizenmehl lange ruhen zu lassen. Nur so ließ sich das Brot stabil backen. „Dann wurde der Weizen aber so gezüchtet, dass man damit schneller backen kann. Jetzt wissen wir, dass offenbar auch die Verträglichkeit darunter gelitten hat“, sagt Weizenexperte Longin.