Volle Konzentration bei Ross und Reiterin ist hier gefragt. Foto: Horst Rudel

Das Vielseitigkeitsturnier der Pferdefreunde Obertorhöfe ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Seit Mittwoch läuft der diesjährige Wettbewerb in Kirchberg an der Murr.

Kirchberg - Hufgeklapper und Gewieher klingen durch die Kalkwerkstraße. Einen Geheimtipp in Sachen Reitsport würde man hier am Ortsrand von Kirchberg an der Murr zunächst nicht vermuten, zwischen Gewerbegebiet, Bahnstrecke und Flüchtlingsunterkunft. Doch entlang der Murr schlängelt sich ein Hindernisparcours dahin, Rösser und Reiter kämpfen sich ihren Weg durch den Aprilregen. Matschbrocken fliegen immer dann durch die Luft, wenn die Tiere zu einem Sprung ansetzen. Die Pferdefreunde Obertorhöfe halten wieder ihr Vielseitigkeitsturnier ab.

Das Vielseitigkeitsreiten besteht aus den Disziplinen Dressur, Springen und Gelände. „Es ist gewissermaßen die Königsdisziplin“, meint Rüdiger Rau, der für den Ablauf des Turniers verantwortlich ist. Bekannt ist der Sport vor allem für die spektakuläre Geländeprüfung. Es geht über Steilhänge und Hindernisse, die nicht wie beim Springreiten bei Berührung nachgeben.

Bis zum Jahr 2000 war das Vielseitigkeitsreiten auch als „Military“ bekannt – „von diesem Begriff wollen wir aber weg“, so Rüdiger Rau. Gefährlich ist dieser Sport dennoch: Weltweit kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen. „Das gibt es aber eher bei den noch schwereren Prüfungen“, meint Rau.

Aber auch die Hindernisse in Kirchberg sind nicht ohne. Der Vorsitzende der Pferdefreunde Obertorhöfe, Herbert Adelhelm, erklärt zum Beispiel einen sogenannten Absprung: Ross und Reiter müssen eine rund einen Meter hohe Stufe herunter, um dann auf einem Steilhang direkt weiterzupreschen. „Jetzt stellen Sie sich mal vor, sie sitzen noch zweieinhalb Meter höher. Das hat schon ein wenig von einer Achterbahnfahrt“, sagt er. Da seien viel Disziplin und auch blindes Vertrauen gefragt.

Seit 17 Jahren veranstalten die Pferdefreunde Obertorhöfe ihr Vielseitigkeitsturnier. Das Event ist in der Szene über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Selbst Michael Jung, der Olympiasieger von 2012 und aktueller Anführer der Vielseitigkeits-Weltrangliste, ist einige Male mitgeritten. Mit der Doppel-Junioren-Europameisterin von 2015, Johanna Zantop, und der früheren Junioren-Europameisterin Sonja Buck, gehen auch an diesem Wochenende erfolgreiche Sportler an den Start. Am Mittwoch haben bereits die Geländepferdeprüfungen und ein Stil-Geländeritt stattgefunden – sie fließen nicht in die Turnierwertung ein, doch Pferde können sich fürs Bundeschampionat qualifizieren und jüngere Reiter können sich mit ihren Konkurrenten vergleichen.

Das vielleicht größte Hindernis an diesem Mittwoch ist der Regen. Obwohl die Pferdefreunde Kies aufs Geläuf bringen, ist der Boden unter den Hufen durchweicht und rutschig. Viele Reiter ziehen ihre Teilnahme zurück; Adelhelms Tochter, die 23-jährige Lara, lässt es langsam angehen, als ihre Stute Freestyle Blues bei der Geländepferdprüfung Klasse A vorreitet. Das bringt ihr eine Zeitstrafe ein, zudem verweigert Freestyle Blues vor einem Hindernis – die Richter geben nur sechs von zehn Punkten. „Ich sehe das als Training“, meint sie locker, als sie völlig durchnässt ihr Pferd verlädt. Am Wochenende geht sie dann beim Turnier an den Start und kann ihr echtes Können zeigen.