Am Stuttgarter Flughafen strebt man hoffnungsfroh der Normalität entgegen. Foto: dpa//Boris Roessler

Der Betrieb zu Ostern zeigt: Flughäfen und Airlines haben infolge der Pandemie teilweise mit Personalmangel zu kämpfen. Dies könnte auch bei der erhofften großen Reisewelle im Sommer einige Komplikationen bereiten.

Nach zweijähriger Pandemie-Flaute würde die Luftverkehrswirtschaft allzu gerne durchstarten. Die Reiselust der Deutschen treibt die Buchungszahlen in die Höhe, auch die Geschäftsreisenden steigen wieder in größerer Zahl ein. Doch sind Flughäfen und Airlines noch nicht auf den großen Ansturm eingestellt. Zu Beginn der Osterreisezeit wurden schon Flüge gecancelt, und vielerorts fehlen zahlreiche Beschäftigte.

 

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Nach Angaben einer Lufthansa-Sprecherin wurden seit vorigem Donnerstag mehr als 100 Flüge gestrichen. Ursache: „Personalmangel des Frankfurter Flughafens.“ Betroffen waren überwiegend Inlandsflüge, den Kunden wurden Umbuchungsmöglichkeiten auf die Bahn angeboten. Für die Osterfeiertage und den Rückreiseverkehr „planen wir aktuell keine weiteren Flugstreichungen“, sagt sie. „Doch bleibt die Situation angespannt.“

Flughafenverband: 20 Prozent des Personals fehlen

Der ausgeprägte Reisewunsch und die hohe Konsumneigung der Deutschen sorgten für ein stabiles Nachfragevolumen, stellt der Flughafenverband ADV fest. Für 2022 würden gut 163 Millionen Passagiere erwartet, was gut zwei Drittel (67 Prozent) des Vorkrisenniveaus von 2019 entspräche.

Der Haken: In den „operativen Bereichen“ – bei Check-in, Bodenverkehrsdiensten und Luftsicherheit – fehlen etwa 20 Prozent des Personals. Deshalb hätten alle Flughäfen schon vor dem ersten Ferienwochenende intensiv mit den beteiligten Dienstleistern gesprochen, sagt ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. Ungeachtet der Abfertigungsprobleme speziell in Frankfurt fällt aus seiner Sicht die erste Bilanz positiv aus. „Insgesamt wurde das erhöhte Passagieraufkommen professionell bewältigt“, betont er – auch weil die Bundespolizei „alle Kräfte zur Stabilisierung der Kontrollen aktiviert hat“.

Teilweise Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen

Der Stuttgarter Flughafen meldet „keine besonderen Vorkommnisse“ – man habe sich mit den Partnern „bestmöglich auf das Wochenende vorbereitet“. Wie bei Verkehrsspitzen üblich, sei es teils zu Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen gekommen.

Mira Neumaier, die Bundesfachgruppenleiterin Luftverkehr bei Verdi, hat auf die aktuelle Lage eine ganz andere Sicht: „Wir warnen seit 2020 davor, dass der Restart so nicht funktionieren wird.“ Seit Anfang der Krise sage die Gewerkschaft, dass es so kommen werde, „wenn Personal abgebaut wird und die grundsätzlichen Arbeitsbedingungen im Luftverkehr nicht verändert werden“. Etliche Vertreter von Branchenverbänden und Flughäfen hätten die Schwierigkeiten bis Ende vorigen Jahres noch „kleingeredet“, wonach sie mit Flexibilität zu überbrücken seien. Nun sähen alle die „dramatischen“ Folgen.

Mehrere Tausend Kräfte zu wenig

Verdi sei schon im Herbst 2021 auf „erschreckende Zahlen“ gekommen: Demnach hätten 16 Prozent der Beschäftigten die Gesamtbranche verlassen, bei den Bodenverkehrsdiensten sogar etwa 40 Prozent – durch Kündigungen, freiwillige Abgänge oder Fluktuation. Dabei seien Kräfte entlassen worden, obwohl Kurzarbeitergeld gezahlt worden sei. Nun würden „mehrere Tausend“ im mittleren vierstelligen Bereich fehlen.

Die Verdi-Expertin beklagt eine „marode Branchenstruktur“: „Die Krise hat klar gezeigt, dass der Luftverkehr nicht resilient ist, weil man ihn gut 15 Jahre lang dereguliert und liberalisiert hat.“ Schon zu Boomzeiten hätten sich die Arbeitsbedingungen in der Abwärtsspirale befunden. Dies gelte für viele Bereiche im Luftverkehr, etwa die Bodenverkehrsdienste oder für fliegendes Personal bei manchen Billigfliegern. In einigen Bereichen ohne Tarifvertrag sei die Lohnstruktur so schlecht, dass Beschäftigte mit dem Kurzarbeitergeld nicht ausgekommen seien. „Die Politik muss für einen ökologisch und sozial nachhaltigen Luftverkehr sorgen.“

„Wir befinden uns mitten in der Einstellungsoffensive“

Dass die Personaldecke dünn ist, wird von der Stuttgarter Flughafengesellschaft (FSG) bestätigt: Allgemein mangele es an den Airports an Beschäftigten, weil in der Coronaphase Personal abgebaut worden sei. Doch in Stuttgart „befinden wir uns mitten in der Einstellungsoffensive“, sagt Walter Schoefer, der Sprecher der Geschäftsführung.

Das Instrument der Kurzarbeit habe sehr dabei geholfen, die andernorts durchgeführten Stellenabbauprogramme hier zu vermeiden, heißt es. „Dass wir damit erfahrene und qualifizierte Mitarbeitende an Bord halten konnten, kommt uns momentan zugute.“

Weil sich während der Pandemie dennoch Beschäftigte anderweitig orientiert hätten, werde wegen der erwartet großen Nachfrage an Pfingsten und über die Sommerferien weiteres Personal benötigt: Bis zum Sommer seien rund 200 Stellen alleine in den operativen Bereichen zu besetzen – für rund 100 der Stellen seien schon neue Kräfte gewonnen worden. Erheblich größer ist der Bedarf in Frankfurt: Dort will die Fraport gleich 1000 neue Mitarbeiter einstellen, hat aber – „wegen des schwierigen Arbeitsmarktes“, wie es heißt – erst rund 300 Beschäftigte gefunden.

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