Der Bahnhof in Mannheim ist ein Knotenpunkt, der in die Top-Kategorie des Bundesverkehrswegeplans gestuft wurde. Foto: deacademic

Verkehrsminister Scheuer kündigt viele Neu- und Ausbauten im Schienennetz an, um den Zugverkehr vor allem in Ballungsgebieten attraktiver zu machen. Doch die konkrete Umsetzung und die Finanzierung sind noch offen.

Berlin - Hunderttausende von Bahnkunden in Deutschland erleben das täglich: Viele große Bahnhöfe sind überlastet – das sorgt für ärgerliche Verspätungen, Anschlusszüge werden oft nicht erreicht. Für wichtige Eisenbahn-Knotenpunkte ist nun ein Ausbau geplant. Damit sollen Engpässe beseitigt, Fahrzeiten verkürzt und soll der Zugverkehr gerade in Ballungsräumen attraktiver gemacht werden.

Die Bundesregierung will deshalb 29 zusätzliche Bahnprojekte schneller auf den Weg bringen. Darunter sind wichtige Projekte in Frankfurt, Hamburg, Hannover, München und Mannheim, die Fahrzeiten verkürzen und den Schienenverkehr attraktiver machen sollen. Im Südwesten sollen die Murrbahn Stuttgart–Backnang–Nürnberg und die Strecke Appenweier–Kehl ausgebaut werden. Das kündigte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Berlin an.

In Frankfurt etwa sind verschiedene Projekte geplant, darunter der Ausbau einer S-Bahn-Strecke. Die Gesamtkosten werden mit gut 5,5 Milliarden Euro angegeben. In Köln soll ein Ausbau der S-Bahn eine Entlastung des Hauptbahnhofs bringen. Es müssten aber für Teilprojekte noch „Finanzierungsbeiträge“ ermittelt werden, die sich aus dem Nutzen für den Nah- und Fernverkehr ergäben, hieß es. Dies gilt auch für andere Vorhaben etwa in Hamburg. Eine weitere „Optimierung“ soll nun zusammen mit den Ländern erfolgen. Daneben sind der Aus- und Neubau sowie die Elektrifizierung von Bahnstrecken vorgesehen. Es geht um Milliardenprojekte, die mittel- und langfristig angelegt sind. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach am Dienstag in Berlin von einem „Riesenschritt“.

Das Ministerium hat seit 2016 insgesamt 44 Bahnprojekte untersucht

Die Hochstufung von Bahnprojekten in den sogenannten vordringlichen Bedarf dient auch der Umsetzung des geplanten „Deutschlandtakts“. Für Bahnkunden soll in den nächsten Jahren ein grundlegend neues System mit besser abgestimmten Umsteige-Verbindungen aufgebaut werden. Das Zugfahren soll so pünktlicher und schneller werden, Anschlüsse sollen direkter und verlässlicher erreicht werden.

Das Ministerium hat seit 2016 insgesamt 44 Bahnprojekte untersucht, die damals bei der Festlegung des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP) noch nicht als vordringlich eingestuft wurden. Das war auf teils scharfe Kritik der betroffenen Bundesländer gestoßen. Nun steigen knapp zwei Drittel der Vorhaben in die höchste Kategorie auf, den vordringlichen Bedarf. Die Planungen dafür könnten nun „zeitnah beginnen“, sagte der Staatssekretär und Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann (CDU). Scheuer betonte, es handle sich um Projekte, bei denen es nicht schon „morgen“ einen Spatenstich gebe und die „übermorgen“ fertig seien. Es werde bei den Planungen noch erhebliche Diskussionen geben.

Die konkrete Umsetzung und Finanzierung aller Vorhaben sind offen. „Bisher stellt das Ministerium wieder nur ungedeckte Schecks aus“, kritisiert Dirk Flege von der Allianz pro Schiene, einem Bündnis von zwei Dutzend Verkehrs- und Umweltorganisationen. Für Neu- und Ausbaumaßnahmen im Bahnnetz gebe es seit vielen Jahren viel weniger Geld vom Bund als nötig und zugesagt.

Der Einsatz von 740 Meter langen Güterzügen ist nun vordringlich

Bereits für die Realisierung der bisherigen Bahnprojekte im Bundesverkehrswegeplan wären bis 2030 pro Jahr im Schnitt rund 1,8 Milliarden Euro nötig, so Flege. Tatsächlich aber sei allein von 2016 bis 2018 mehr als eine Milliarde Euro zu wenig im Bundeshaushalt bereitgestellt worden. „Wenn sich diese Politik nicht endlich ändert, bleiben weiter viele dringende Neu- und Ausbauten in der Warteschleife und zahlreiche Engpässe bestehen“, warnt der Experte.

Neben 22 Neu- und Ausbauvorhaben und den sechs Erweiterungen zentraler Bahnknoten werden auch Maßnahmen für den Einsatz von 740 Meter langen Güterzügen nun als vordringlich eingestuft. Diese Zuglänge ist seit Langem erlaubt, doch im Frachtverkehr auf der Schiene wegen nicht beseitigter Engpässe oft nicht möglich. Güterbahnen und Logistikunternehmen fordern seit Jahren die nötigen Modernisierungen. Für 15 beantragte Vorhaben sehen die Gutachter des Ministeriums weiterhin keinen vordringlichen Bedarf. Darunter sind wichtige Bahnstrecken in Ostdeutschland, wo bislang mangels Stromleitungen nur Dieselzüge fahren können. Es sei ein Skandal, dass die Elektrifizierung zwischen Dresden, Görlitz und Cottbus nicht als vorrangig eingestuft werde und womöglich vor 2030 nicht realisiert werde, kritisiert Flege.

Winfried Hermann befürwortet den Ausbau bestimmter Strecken

Der Verkehrsminister Baden-Württembergs, Winfried Hermann (Grüne), begrüßte den hochgestuften Ausbau der Murrbahn Stuttgart–Backnang–Nürnberg sowie der Strecke Appenweier–Kehl und kündigte an, sich um die Finanzierung des Ausbaus der Remsbahn Stuttgart–Schorndorf–Aalen–Nürnberg zu bemühen. Der Bahnexperte der Grünen im Bundestag, Matthias Gastel, forderte, dass die für das Schienennetz verantwortliche Deutsche Bahn rasch die Planungskapazitäten massiv aufstocken soll. Er kritisiert, dass entgegen Scheuers Ankündigungen die Bahnmittel im Bundeshaushalt für 2019 und die Folgejahre auf niedrigem Niveau verharrten. „Für eine wirkliche Bahnoffensive mit Deutschlandtakt brauchen wir deutlich über zwei Milliarden Euro pro Jahr für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes.“