Foto: Matthias Pieren

Zum Greifen nah liegen die beiden Nordsee-Inseln Sylt und Rømø vom jeweiligen Strand aus in Sichtweite. Doch unterschiedlicher, als die mondänste aller deutschen Nordseeinseln und die dänische Insel Rømø, können zwei Schwestern nicht sein.

Stuttgart - Rhythmisch stampfen die vier Motoren mit ihren zusammen 6200 PS im Bauch der Sylt-Express. Sie treiben das Fährschiff mit stattlichen 16 Knoten durch die 14 Meter tiefe Fahrrinne zwischen Sylt und Rømø. Neunmal am Tag steuern der Kapitän Jess Hauser und sein Kollege Bernd Öhn die Fähre durch den natürlichen Priel im Wattenmeer zwischen den beiden ungleichen Schwesterinseln hin und her. Rund 35 Minuten dauert die Überfahrt von List – der nördlichsten Gemeinde Deutschlands auf Sylt – hinüber nach Havneby, dem mit knapp 300 Einwohnern größten Ort auf Rømø.

Mit Blick auf das bunte Spektakel auf dem Südstrand der dänischen Nordseeinsel zücken viele Passagiere auf Deck der Sylt-Express fasziniert ihre Ferngläser. Über Sønderstrand flattern dutzende Drachen im Wind. Auf den Weiten des schier endlosen Strandes jagen Wind- und Wassersportler mit ihren Kitebuggys und Strandseglern umher.

Das imposante Farbenspiel am blauen Himmel steht im Kontrast zur Weite am 16 Kilometer langen Strand an der Westküste. Ausgedehnte Spaziergänge am Küstenstreifen lassen Raum und Zeit vergessen. Auf den Sandbänken vor der Insel entdeckt man Seehunde und Kegelrobben vor dem flirrenden Horizont.

Der Sand wandert nach Dänemark

Doch der Südstrand ist im Vergleich zur schieren Unendlichkeit von Juvre Sand an der Nordspitze der Insel noch klein. „Mit bis zu vier Kilometern Breite gilt die Nordspitze als breitester Strand in Nordeuropa. Das hat Rømø seiner deutschen Schwesterinsel zu verdanken“, erklärt Kapitän Hauser. „Der von Sylt abgetragene Sand wird weiter nördlich auf der Nachbarinsel angeschwemmt.“

Man kommt von Deutschland aus mit dem Auto einfacher nach Rømø als nach Sylt. Von Hamburg sind es gerade einmal noch 270 Kilometer. Die letzten neun Kilometer auf die Insel führen über einen Straßen-Damm auf die Insel – gratis.

Rechts und links des Damms erstrecken sich weite Salzwiesen, auf denen Schafe weiden, und dahinter das weite Watt. Das Wattenmeer rund um Rømø ist eine der weltwichtigsten Brut- und Raststätten für Millionen von Vögeln. Im Frühling und im Herbst bevölkern hunderttausende von Staren die Insel.

Die Stare verdunkeln die Sonne

Am Himmel bilden sie fantastische, sich stets wandelnde Formationen, ehe sie sich zum Übernachten in der Marsch niederlassen. Ergreifend sind die Momente, wenn ein Schwarm während der Dämmerung vor die untergehende Sonne zieht und diese verdunkelt.

Röm, so der deutsche Name des dänischen Eilandes, ist mit um ein Drittel größer als Sylt. Doch leben hier ganzjährig nur knapp 600 Menschen. Bald 18 000 Einwohner zählt hingegen Sylt. Hinzu kommen Tag für Tag bis zu 100 000 Urlauber und Tagesgäste, die in der Hauptsaison im Sommer die deutsche Insel fluten.

Damit Sylt nicht zur touristischen Kulisse verkommt, hat die Politik dort entschieden, den Bau von Ferienwohnungen zu begrenzen. „Wenn alle echten Sylter nur noch pendeln und auf die Insel kommen, um friesische Tänze in der Kurmuschel zu zeigen, dann ist die Insel lediglich ein Ferienressort“, begründet der dortige Bürgermeister den Schritt.

Remmidemmi sucht man vergebens

Vergleichbare Probleme mit Massentourismus hat man auf Rømø nicht. Zwar verbringen hier mit einer Million Urlaubern im Jahr etwas mehr Menschen ihren Urlaub als auf Sylt. Doch ist die dänische Insel immer noch überschaubarer und deutlich relaxter als ihre deutsche Schwester. Remmidemmi wie auf Sylt sucht man hier vergebens – Gaudi ist auch überhaupt nicht gewünscht.

Reihenhaus-Feriensiedlungen gibt es freilich auch in Havneby. Doch beliebt ist vor allem der Urlaub in den typisch dänischen Ferienhäusern, die in der gigantischen Dünen- und Heidelandschaft oder in den Kiefernwäldern verstreut liegen. Dort sind Ruhe, Natur und Privatsphäre garantiert. Die zumeist holzverkleideten Ferienhäuser ermöglichen ein wenig Hygge zu erleben, das urdänische Lebensgefühl. „Übersetzt bedeutet das in etwa Gemütlichkeit, Gelassenheit und Geselligkeit, erklärt Gerda Bouma, eine Niederländerin, die der Liebe und des Lebensgefühls wegen nach Dänemark gezogen ist. „Dänen mögen es gesellig und lieben es, zusammen zu feiern.“