Heimspiel für Reinhold Gall bei den SPD-Parteifreunden in Weissach im Tal, im Hintergrund bei einer Straßenumfrage gesammelte Aussagen von Passanten Foto: Gottfried Stoppel

Reinhold Gall auf dem „Roten Stuhl“: der SPD-Innenminister des Landes fordert bei einer Veranstaltung der Weissacher Parteifreunde von der Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage einen Plan B und sagt, das Treffen mit ihr hätte er sich sparen können.

Weissach im Tal - In einem Punkt sind fast alle, die sich am Mittwochabend in der gut gefüllten Gemeindehalle in Unterweissach zu Wort melden, einer Meinung: Noch einmal so viele Flüchtlinge wie im vergangenen Jahr sind in Deutschland 2016 nicht zu bewältigen. Beim 40. „Roten Stuhl“ der Weissacher Sozialdemokraten mit dem Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) stellt der SPD-Kreisvorsitzende Jürgen Hestler eine Frage, die provozieren soll: „Terrorabwehr und Flüchtlingswelle – schaffen wir das?“ Terror und Asylbewerber in einen Topf werfen – darf man das? Zumal als Sozialdemokraten, die sich doch immer für Verfolgte eingesetzt haben.

An der Fragestellung nimmt indes niemand Anstoß, wohl aber an Angela Merkels Politik. Viele Besucher, die sich zu Wort melden, sind ganz offenkundig SPD-Mitglieder, beziehungsweise Wähler der Sozialdemokraten. Und sie fordern von der Bundeskanzlerin einen Plan B – und zwar ganz schnell. Auch der Minister: Reinhold Gall erzählt von einem Treffen mit Frau Merkel vor ein paar Wochen. Er habe vergeblich auf die Präsentation dieses Plans B gewartet – er sagt, die drei Stunden mit der Kanzlerin beim Gänsebraten hätte er sich auch sparen können. Seine Worte sind moderat, in der Sache indes ist der SPD-Minister nicht meilenweit weit weg von den Forderungen der bayerischen CSU, die sich explizit für eine Obergrenze für Flüchtlinge stark macht.

Ein Mann meldet sich und sagt, Merkels „Das schaffen wir“ sei eine Blankozuversicht und zu vage. Ein anderer Redner erklärt, er wundere sich, dass die SPD der Kanzlerin einfach hinterher laufe. Ein Student und Parteimitglied aus Nordrhein-Westfalen, der aus Backnang stammt, sagt: Die Integration arabischer Flüchtlinge in NRW sei gescheitert. Er spricht von Bandenkriminalität und erklärt dann: „Die SPD war doch immer die Law-and-Order-Partei“, Sozialdemokraten hätten die Rote-Armee-Fraktion in den Griff bekommen. An solche Erfolge müsse die SPD nun anknüpfen. Dafür bekommt er viel Applaus.

Die Debatte beim Roten Stuhl ist erstaunlich sachlich, die Forderungen an die Bundespolitik indes sind knallhart und lassen sich knapp zusammenfassen: Tut endlich etwas gegen den Massenansturm auf unser Land. Gall erklärt zwar, es gelte die Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Er sagt aber auch, das Asylrecht sei kein „überbordendes Recht“ – die Rechte der Bundesbürger seien gleichwertig.

Auf mehrfache Nachfrage präsentiert Gall dann seinen Plan B. Es gebe nur eine Möglichkeit: den Zustrom verringern. Eine Zuhörerin fragt ihren Nebensitzer: „Aber wie?“ Gall sagt, die EU-Außengrenzen müssten besser geschützt werden, in den südlichen Ländern müssten endlich die geplanten Hotspots geschaffen werden, Einrichtungen, in denen die Flüchtlinge zunächst unterkommen. Deutschland müsse Länder, in denen die Flüchtlinge stranden, viel stärker unterstützen, mit Know-how, aber auch mit Geld. „Bisher haben wir sie jämmerlich allein gelassen.“

Abgelehnte Asylbewerber müssten konsequent abgeschoben werden. Deutschland müsse deutliche Signale in die Welt senden, klipp und klar sagen, dass Armutsflüchtlinge keine Chance hätten. Solch ein Signal von der Kanzlerin vermisse er, sagt Gall. Länder, die unsolidarisch seien, müssten Konsequenzen zu spüren bekommen, sprich weniger Geld von der EU erhalten.

Gall bekommt an diesem Abend, an dem er ganz nebenbei die (eigene) Landespolitik in den höchsten Tönen lobt, viel Applaus. Wirklich überzeugt von seinem Plan B sind aber offenkundig längst nicht alle Zuhörer. Eine SPD-Frau fragt in kleiner Runde: „Sind wir jetzt schlauer als vorher?“ Eher nicht.

Das Schlusswort hat die graue Eminenz der Backnanger SPD. Der frühere Bundestagsabgeordneter Robert Antretter macht Hoffnung. Er sagt, er habe das Gefühl, dass 2016 besser werde als das Vorjahr.