Reinhard Mey 1974 Foto: imago images/United Archives/Helmut Reiss

Handgemachte Musik, gescheiter Witz, treffende Zeilen: Der Liedermacher Reinhard Mey feiert seinen 80. Geburtstag.

Welches seiner Lieder kommt zuerst in den Sinn? Natürlich „Über den Wolken“, jener Gesang von der Freiheit der Fliegenden, deren Ängste und Sorgen plötzlich nichtig werden und klein. Aber schaut man genauer hin, erinnert sich all der anderen Lieder, die Reinhard Mey seit 1967 geschrieben und gesungen hat, kommen viele Zeilen, Melodien zurück.

Der Chansonnier und Liedermacher, der am 21. Dezember 80 Jahre alt wird, hat einen sehr festen Platz in der deutschen Kultur der vergangenen 50 Jahre; er singt noch immer, mit derselben unverwechselbaren Stimme. Sein 28. Studioalbum „Das Haus an der Ampel“ ist 2020 erschienen.

1972 kam der Durchbruch

Seine größten Erfolge feierte Reinhard Mey in den 1970er Jahren. Geboren in Berlin als Sohn eines Anwalts und einer Lehrerin, besuchte er ein französisches Gymnasium. Er legte das deutsche Abitur und das französische Baccalauréat ab und veröffentlichte unter dem Pseudonym Frédérik Mey auch Alben auf Französisch. Er war 25 Jahre alt, als 1967 seine erste Schallplatte erschien: „Ich wollte wie Orpheus singen“.

1972 kam der große Durchbruch mit „Mein Achtel Lorbeerblatt“. Darauf fand sich auch jenes Stück, das heute noch mehr als damals manches Gemüt erregt. Reinhard Mey sang mit „Annabelle, ach Annabelle“ ein mildes Spottlied auf eine intellektuelle Freundin und porträtierte sich dabei eher selbst, als verunsicherten weißen Mann: „Mach meine heile Welt kaputt!“

Biedermann und Brandstifter

Und so war Reinhard Mey im Grunde in allen seinen Liedern: ein Biedermann, der auch Brandstifter sein wollte, ein Revoluzzer, der seinen Garten pflegte. Mit Weggefährten wie Hannes Wader, Konstantin Wecker und vielen anderen mühte er sich in den 1970er Jahren, eine deutsche Tradition wiederzubeleben, die von links her kam. Als Liedermacher aus sehr bürgerlichem Hause trug er den Zwiespalt, den er dabei vielleicht empfand, immer auch nach außen.

Er sang scharf spöttische politische Lieder und bastelte ein paar Takte weiter schon wieder an seiner heilen Welt. Unvergesslich bleiben Reinhard Meys humoristische Miniaturen, sein gescheiter Witz, seine oft so überaus treffenden Zeilen, seine klar artikulierte Sprache. Und da kommen wieder Lieder in Erinnerung: „Der Mörder ist immer der Gärtner“ zum Beispiel oder „Die heiße Schlacht am kalten Büffet“, die man selbst schon oft erlebt hat. „Der Bär, der ein Bär bleiben wollte“ außerdem, und, aktuell in Deutschland jedes Jahr aufs Neue: „Irgendein Depp mäht immer“.

Sehnsucht nach respektvollem Umgang

Hohelieder auf die Abstinenz hat Reinhard Mey nie gesungen. Eher schon das Gegenteil. Und zu einem „Stück Musik von Hand gemacht“ bekennt sich der vorzügliche Gitarrist noch immer. Man darf ihm dankbar sein, dafür: Einen Song mit Elektrobeat möchte man von ihm nie hören.

Als Reinhard Mey im Oktober 2017 in Stuttgart die Porsche-Arena füllte, hielt es bei der letzten Zugabe niemanden auf den Sitzen: „Habt Dank für die Zeit, die ich mit euch verplaudert hab / und für eure Geduld, wenn’s mehr als eine Meinung gab“, sang Reinhard Mey. Alle standen, sangen mit ihm jedes Wort von „Gute Nacht, Freunde“.

Und auch, wenn man die Zeit zwischen Tür und Angel heute nicht mehr an der Länge einer Zigarette messen will und Reinhard Mey vielleicht gerne abtut als unverbesserlich behäbigen Gutmenschen: Der Sehnsucht nach einer Gesellschaft, in der man sich mit solchem Respekt begegnen könnte, hat er in allen seinen Liedern Ausdruck gegeben. Man sollte sie nicht vergessen.