Die Täter suchen sich ausnahmslos ältere Opfer aus. Jetzt steht ein Brüderpaar vor Gericht. Foto: dpa/Patrick Seeger

Sie lügen, lenken ab und stehlen – manchmal schlagen sie auch zu. Jetzt steht ein Brüderpaar vor Gericht. Ihre Opfer sind ausnahmslos ältere Menschen.

Stuttgart - Eigentlich sollen sich die zwei Angeklagten, die sich vor der 17. Strafkammer des Landgerichts verantworten müssen, darauf verlegt haben, ältere Menschen zu täuschen und sie in ihren Wohnungen zu bestehlen. In einem Fall soll die Situation aber aus der Kontrolle geraten sein. Das angeklagte Brüderpaar und ein bereits verurteilter Komplize sollen einen 70 Jahre alten Mann schwer verletzt haben.

„Das Ganze ist eine sehr ernste Angelegenheit“, sagt Jasmin Neher-Klein, Vorsitzende Richterin der 17. Strafkammer. Denn die zwei 26 und 29 Jahre alten Männer haben sich nach Rücksprache mit ihren Verteidigern Kai-Jörg Brintzinger und Stefan Weiler dazu entschieden, vorerst zu schweigen. „Wenn Sie unschuldig sind, werden Sie freigesprochen. Wenn nicht, bringt ein Geständnis Strafrabatt“, so die Richterin weiter.

Ein Täter hat bereits gestanden

Ob es viel abzustreiten gibt für die zwei Angeklagten, ist fraglich. Denn ein mutmaßlicher Komplize hatte sich der Polizei gestellt und ausführlich ausgesagt. Dieser 26-Jährige ist bereits von der 19. Strafkammer wegen schweren Raubs, gefährlicher Körperverletzung, Computerbetrugs und schweren Bandendiebstahls zu vier Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden – trotz umfassendem Geständnis.

Die Männer sollen von März bis Juni vergangenen Jahres rund ein Dutzend ältere Menschen in Stuttgart bestohlen haben. Und zwar in deren Wohnungen.

Die Masche ist alt und sie ist perfide. Die gepflegt aussehenden Täter suchen sich betagte Opfer, lügen ihnen an der Wohnungstür vor, sie müssten die Heizungsanlage überprüfen, sie könnten überaus günstige Stromlieferverträge vermitteln, sie müssten den Stromzähler ablesen, sie hätten einen tollen und unschlagbar billigen TV-Vertrag anzubieten. So verschaffen sie sich Zutritt zu den Wohnungen, wo der eine Täter das Opfer in ein Gespräch verwickelt, während sich der Komplize alles unter den Nagel reißt, was wertvoll ist: Bargeld, Schmuck, Münzen, Uhren, EC-Karten. So geschehen in der Innenstadt, in Hedelfingen, in Stuttgart-Wangen und im Osten.

Mehrere tausend Euro sollen die zwei Angeklagten mit ihren Komplizen auf diese Weise erbeutet haben. In einem Fall haben sie laut Anklage zugeschlagen.

Mehrere Brüche im Gesicht

Am 3. April 2018 sollen die Brüder mit dem verurteilten Komplizen bei einem 70-Jährigen an der Reinsburgstraße in der City vorstellig geworden sein. Während der Senior abgelenkt war, sollen die Komplizen rund 4500 Euro gestohlen haben.

In der Hoffnung, bei diesem Opfer noch mehr stehlen zu können, sollen die Männer acht Tage später erneut bei dem 70-Jährigen aufgetaucht sein. Der Mann war aber misstrauisch geworden, einer der Angeklagten soll den Mann zu Boden geschlagen haben. Einer der Täter setzte sich auf die Brust des Senioren, während die Wohnung durchsucht wurde. Das Opfer erlitt schwere Verletzungen, unter anderem Frakturen im Gesicht.

„Sie wissen, dass der 26-Jährige einiges ausgesagt hat“, so Richterin Neher-Klein. Je ausführlicher die betagten Opfer befragt werden müssten, desto weniger sei ein Geständnis wert. „Denken Sie klug nach“, sagt die Richterin in Richtung der zwei Männer. Doch die zwei in Stuttgart und in Portugal geborenen Männer wollen schweigen – vorerst. Der Prozess wird am 2. Oktober fortgesetzt.