Kombiniertes Schach-, Dame- und Mühlespiel für Soldaten an der Front. Foto: Stadt Sindelfingen

Zur Weihnachtszeit 1942 findet in Sindelfingen eine große Ausstellung statt, bei der Kindern von Soldaten und Gefallenen selbsthergestelltes Spielzeug zum Geschenk gemacht wird.

Das Stadtmuseum Sindelfingen befasst sich bis Mai 2025 unter dem Titel „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs und wie sich die Situation für die Menschen vor Ort darstellte.

In der Vorweihnachtszeit 1942 wurde von Mädchen und Jungen der NS-Kinder- und Jugendorganisationen zum „Wohle des Vaterlands“ mit großem Aufwand Kinderspielzeug gebastelt. Die NS-Kreiszeitung – ein durch die Nazis gleichgeschaltetes Partei- und Behördenblatt, das Sindelfinger Zeitung, Gäuboten und Filderzeitung im September 1941 ablöste und nicht zu verwechseln ist mit der nicht gleichgeschalteten Kreiszeitung Böblinger Bote – berichtet am 19. Dezember: „Zum vierten Weihnachtsfeste im Kriege hat die Hitler-Jugend eine Erzeugungsschlacht geschlagen, deren Echo noch in den nächsten Wochen nachklingen wird. Angespornt durch einen Aufruf des Reichsjugendführers, entfaltete sie ein Wettrüsten, dessen Ausmaße die deutsche Jugend zu Beginn ihrer segensreichen Arbeit wohl selbst nicht geahnt haben mag.“

Spielzeugproduktion war auf Kriegsproduktion umgestellt

Ganz im Sinne der Propaganda wurden die Kinder und Jugendlichen „ermuntert“ in ihrer Freizeit Spielzeug für alle Kinder herzustellen, da auch die Spielwarenfabriken auf Rüstungsproduktion umgestellt hatten. Die Zeitung schreibt, dass so insgesamt sieben Millionen Spielzeuge entstanden. Wieder einmal zeigt sich, dass die NS-Organisationen vor allem die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen fest im Griff hatten. Sie waren „dienstverpflichtet“ und arbeiteten nachmittags, abends und an Sonntagen.

Am 6. Dezember fand in der Sindelfinger Festhalle eine große Ausstellung statt. Die Hitler-Jugend (HJ) präsentierte dabei 2800 Spielsachen, die den Kindern von Gefallenen und Soldaten als Geschenk übergeben wurden. Das übrige Spielzeug wurde zwei Wochen später auf einem Weihnachtsmarkt der HJ verkauft. Am selben Wochenende, dem 19. und 20. Dezember, wurde von der HJ auch fürs Winterhilfswerk (WHW) gesammelt. Gegen eine Spende, der sich quasi niemand entziehen konnte, gab es Anhänger mit kleinem Holzspielzeug.

Die NS-Kreiszeitung berichtet, dass insgesamt 55 Millionen Stück von Heimarbeiterinnen angefertigt wurden. Die Spenden sollten dem Hilfswerk „Mutter und Kind“ zugutekommen. Das WHW spielte eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung der NS-Sozialpolitik. Neben der jüngeren Generation waren vor allem auch Frauen und Mütter in besonderem Maße in der Vorweihnachtszeit eingespannt. Bei der NS-Frauenschaft wurde genäht und geflickt. Es gab Spendenaufrufe für Lebensmittel, aus denen die Frauen dann Plätzchen für Verwundete in den Lazaretten backen „durften“. Hier wurden Lebensmittel eingesetzt, die auf privaten Zuteilungskarten erworben wurden.

Kartenspiele für Soldaten an der Front

Zum Weihnachtsfest in Kriegszeiten wurden auch die Soldaten an der Front mit Geschenken bedacht. Beliebt waren Spiele aus einfachen Materialien, die leicht transportiert werden konnten. Ein Beispiel dafür ist das kombinierte Schach-, Dame- und Mühlespiel, das mit einem „Gruß aus der Heimat“ versehen und in Feldpostpäckchen versandt wurde.