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Der Bauzaun am Nordflügel wird seit Donnerstag fürs Haus der Geschichte abgebaut.

Stuttgart (dpa/lsw) - Vergilbt, zerrissen, verwelkt - „höchste Zeit“ ist es, dass der Bauzaun vor dem ehemaligen Nordflügel des Hauptbahnhofs geborgen wird, sagt Thomas Schnabel am Donnerstag im Schneetreiben. Monatelang hat der Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg um den Zaun gekämpft. „In der Regel erkennen Historiker immer erst hinterher, was wichtig war.“ In diesem Fall sei das nicht so. Dass der Zaun ein bedeutsames Symbol des Widerstands gegen Stuttgart 21 sei, stehe längst fest. Seine Bilder gingen um die Welt. „Er ist ein Symbol für einen außergewöhnlichen Einschnitt in der Landesgeschichte, wenn nicht gar der Bundesgeschichte.“ Mit handgemalten Plakaten, Transparenten und Objekten wie Teddys oder Blumen hatten die Gegner des Milliarden-Bahnprojekts ihren Widerstand an dem 125 Meter langen Zaun manifestiert. Später kamen auch Pro-Stuttgart-21-Äußerungen dazu. Viele Aussagen am Zaun seien „deftig“, räumt Schnabel ein, andere aber auch „sehr witzig und prägnant“.

Dahlbender: "Kreatives Sinnbild für die Bandbreite des Protests“

Brigitte Dahlbender, Landeschefin des Naturschutzbundes BUND, sieht ihn als kreatives „Sinnbild für die Bandbreite des Protests“. Spontan sei vieles entstanden, kraftvoll sei manche Aussage, sagt Dahlbender. In keinem Fall dürfe er jetzt in irgendeinem Archiv verschwinden, mahnte Dahlbender, die für das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 an Heiner Geißlers Schlichtertisch saß. Als „Mahnmal für die Politik“ müsse er auch weiterhin zu sehen sein, damit etwa Geißlers Rufe nach mehr direkter Demokratie aus der Schlichtung nicht in Vergessenheit geraten: „Es wäre falsch und fatal ihn gerade jetzt ein Jahr lang komplett verschwinden zu lassen.“

Der Zaun wird abgebaut und nach Angaben der Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger zunächst ins Depot des landesgeschichtlichen Museums gebracht. Dort sollen die zum Teil schon arg von Nässe und Schimmel beschädigten Objekte getrocknet und konserviert werden. Mehr als 3500 Einzelexponate hängen dran, die einzeln erfasst werden sollen. Noch im Laufe des Jahres 2011 werde der Zaun dann im Museum ausgestellt, versprach Schnabel. In einer Ausstellung werde dann auch berücksichtigt, dass sich die Absperrung im Laufe der Monate auch deutlich verändert hat. Wurde anfangs vieles spontan drangehängt, wurden die Exponate später immer professioneller. Mit Fotos soll seine Geschichte belegt werden.

30.000 Euro ist dem Haus der Geschichte der Zaun wert

„Fast schon zu perfekt“ seien die zahlreichen laminierten Blätter, die zuletzt immer wieder befestigt wurden, sagt Kunsthistoriker Ulrich Weitz, der regelmäßig Kunstführungen am Bauzaun veranstaltete. „Er hat nicht mehr dies Urige“, räumt auch Museumsleiter Schnabel ein. Trotzdem sei der Zaun schützenswert. Das erste Mal solle er in jedem Fall in voller Länge ausgestellt werden, sagte Lutum-Lenger. Später werde er in Teilen auch im künftigen Museum für die Stuttgarter Stadtgeschichte gezeigt. Das Museum lässt sich den Zaun 30.000 Euro kosten. Im Wesentlichen seien das die Kosten für einen Ersatzzaun, der an gleicher Stelle aufgestellt werden soll. Was die Konservierung der 3500 Einzelexponate kosten werde, wollte Schnabel nicht schätzen. An künftigen Bauzäunen hat er übrigens kein Interesse: „Jeder weitere ist nur ein Abklatsch.“