Ein „Reichsbürger“ mit seinem selbst gebastelten Pass. Foto: dpa

„Reichsbürger“ verunsichern Richter und Gerichtsvollzieher mit horrenden Geldforderungen – Justizminister Wolf gibt ihnen einen Leitfaden an die Hand.

Stuttgart - „Reichsbürger“ halten die Justiz nicht nur mit ihren bizarren Gerichtsauftritten in Atem. Sie haben auch eine Methode ersonnen, um Richter, Gerichtsvollzieher und Justizangestellte mit horrenden Schadenersatzforderungen zu konfrontieren, die diese nicht sofort in den Papierkorb werfen können. Malta-Masche nennt sich der ausgeklügelte Mechanismus, mit dem sich die Sonderlinge für das vermeintlich erlittene Unrecht rächen wollen. Die Fälle haben in den letzten Monaten derart zugenommen, dass die meisten Landesjustizminister – darunter auch der baden-württembergische Ressortchef Guido Wolf – ihren Behörden einen Leitfaden an die Hand gegeben haben. Sein NRW-Kollege Thomas Kutschaty forderte Anfang der Woche sogar die Bundesregierung auf, dem Treiben ein Ende zu setzen.

Die Malta-Masche funktioniert so: Ein „Reichsbürger“ lässt sich im Handelsregister (Uniform Commercial Code, abgekürzt UCC) des US-Bundesstaats Washington als Unternehmen eintragen. Die Registrierung ist online möglich, der Computer prüft nur die Plausibilität. Hier sind auch echte oder vermeintliche Forderungen gegen Schuldner vermerkt. Diese wiederum werden dann an Inkassounternehmen im EU-Mitgliedsland Malta abgetreten, die damit vollstreckbare Titel vor maltesischen Gerichten erwirken. Im Grunde müssen Betroffene aus Deutschland dann persönlich vor Gericht auf Malta erscheinen, um sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Schulden von Merkel und Gauck

Wie oft das bisher vorkam, vermag man im Stuttgarter Justizministerium nicht zu beziffern. Sie sind aber offenbar nicht selten. Der Geschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, beklagte dieser Tage, die Probleme der Justiz mit der rechtsextremen Bewegung nähmen spürbar zu. Laut Bundesjustizministerium wurden sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck mit der Malta-Masche bedroht. Reichsbürger haben beide ins UCC-Schuldenregister eingetragen, um angebliche Forderungen durchzusetzen.

Meist trifft es jedoch Richter. So sagte kürzlich der Präsident des Augsburger Amtsgerichts, Bernt Münzenberg, der „Augsburger Allgemeinen“, er habe bereits mit Schulden in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar im US-Register gestanden. Man kann diese Einträge problemlos löschen lassen – vorausgesetzt, man entdeckt sie rechtzeitig. Wie das geht, darüber informiert Wolf die Justizbediensteten in der Handreichung. Details seien jedoch „Verschlusssache“, heißt es im Ministerium, denn man wolle vor den Reichsbürgern die Karten nicht auf den Tisch legen.

Bisher floss noch kein Geld

Rheinland-Pfalz schult seine Behörden schon seit längerem im Umgang mit den meist rechtsextremistischen Sonderlingen. Im Justizministerium wurde ein zentraler Ansprechpartner benannt, das Innenministerium berät die Kommunen, und auch die Vermessungs- und Katasterämter sowie die Meldebehörden seien sensibilisiert worden, antwortet die Mainzer Landesregierung auf eine CDU-Anfrage. Das Landesamt für Steuern stellt den Bediensteten außerdem Formulierungshilfen für die Beantwortung von Schreiben zur Verfügung – die Reichsbürger verweigern in der Regel, Steuern zu bezahlen.

Bisher ist allerdings nach Kenntnis der Justiz kein Geld an sie geflossen und auch noch kein Richter zu seinem Prozess gereist. „In Malta wird versucht, die vermeintlichen Zahlungsansprüche in einem maltesischen vereinfachten Verfahren geltend zu machen, die dann in Deutschland durchgesetzt werden sollen. Tatsächlich ist dies bislang nicht gelungen. Und es wird auch nicht gelingen. Deutschland verfügt über einen funktionierenden Rechtsstaat, der dem entgegenwirkt“, heißt es in der Handreichung des sachsen-anhaltinischen Justizministeriums für ihre Mitarbeiter.

Bislang seien alle Versuche, die Fantasieforderungen in Malta einzuklagen und in Deutschland zu vollstrecken, gescheitert, bestätigte kürzlich auch der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty der „Wirtschaftswoche“. Dennoch müsse verhindert werden, dass sich deutsche Justizbedienstete überhaupt solchen Forderungen augesetzt sehen und sich die Bundesländer noch länger damit herumschlagen müssen. Deshalb sei der Bund in der Pflicht, mit Malta zu einer Lösung zu kommen.