Klare Ansage an Bahn und Regionalverband: Die S-Bahn, einst Aushängeschild des öffentlichen Nahverkehrs im Ballungsraum, ist Problemfall geworden und muss wieder pünktlicher werden Foto: Jan Reich

Der Verband Region Stuttgart hat viel mit Infrastruktur zu tun, mit Straßen und Schienenwegen, Supermärkten und Baugebieten. Seine Position und die der gewählten Regionalräte ist nicht immer einfach zu vermitteln.

Stuttgart - So prominent war dieses Wort wohl noch nie in der Landeshauptstadt vertreten. „Für Stuttgart in die Regionalversammlung – Fritz Kuhn“, heißt es auf den Plakaten an vielen Straßenrändern. Insofern hat der Stuttgarter OB dem recht unbekannten Gremium, dessen Mitglieder die Bürger in Stuttgart und Umgebung an diesem Sonntag wählen dürfen, schon mit seiner Kandidatur Gutes getan.

Den Verband Region Stuttgart und die Regionalversammlung gibt es bereits seit 20 Jahren, und trotzdem haben bei einer repräsentativen Bürgerumfrage im vergangenen Jahr 53 Prozent angegeben, noch nie von dem Verband gehört zu haben. Was tut er? Er ist verantwortlich für die Standards der S-Bahn, macht den einheitlichen VVS-Fahrschein in Bus und Bahn möglich, betreibt Wirtschaftsförderung auch bei der EU in Brüssel und treibt den Tourismus als Beteiligter an der Regio Stuttgart Marketing voran. Vor allem aber schafft er planerische Vorgaben dafür, wo im Ballungsraum zwischen Gäufelden und Großerlach Straßen, Schienenwege, große Einkaufsmärkte oder Neubaugebiete hindürfen.

Strenge Maßstäbe gegen mehr Freiraum

Das ist zwar eine staubtrockene Materie, tatsächlich aber durchaus eine spannende Tätigkeit. Viele Menschen sind dagegen, dass in Baden-Württemberg täglich eine Fläche in der Größe von zehn Fußballfeldern zubetoniert wird. Aber wer ist das noch, wenn er gerade auf der Suche nach einem Grundstück für ein Einfamilienhaus ist und es in seiner Wunschgemeinde auf dem Land nicht findet, weil der Regionalverband einen Riegel vorgeschoben hat? 2009 machte der Verband für bestimmte Gebiete die Vorgabe, mindestens 55 Einwohner pro Hektar unterzubringen statt bisher 50. Manche Gemeinde weist deshalb nun mehr Grundstücke für Doppelhäuser aus. Und wie finden es die Bewohner zweier kleiner Orte, die einen Supermarkt auf die grüne Wiese dazwischen bauen lassen wollen, wenn die Region dagegen vorgeht, weil sie die Märkte im nahe gelegenen größeren Ort schützen will?

Der regionale Planungsausschuss hat in den vergangenen fünf Jahren rund 1700 solcher Vorhaben geprüft. Hier CDU, SPD, Grüne und Linke, die strenge Maßstäbe an den Schutz der Landschaft im Ballungsraum anlegen, dort Freie Wähler, FDP und Republikaner, die den Kommunen mehr Spielraum lassen wollen. Bei Diskussionen in Gemeinderäten steht die Region nicht selten in einer Reihe mit Berlin oder Brüssel in der Rolle dessen, auf den mit Fingern gezeigt wird: Seht, da ist der Schuldige, bar jeder Ortskenntnis! Doch die Diskussionen im Ausschuss finden auf hohem Niveau statt, das Für und Wider wird oft detailliert diskutiert, und die Regionalräte kommen aus allen Landkreisen der Region.

Nicht nur Freunde hat sich die Region auch mit ihrem Windkraftkonzept gemacht. Am Tag der Katastrophe von Fukushima im März 2011 hätten viele Deutsche den Ausstieg aus der Atomkraft unterschrieben – wie es der Bundestag dann auch beschloss. Wer aber will nun ein Windrad im Wald bei seinem Wohnort haben? Der Verband und die Regionalräte befassen sich mit möglichen Standorten bis ins Detail und haben ein Konzept mit aktuell 85 Plätzen erarbeitet. Chefplaner Thomas Kiwitt erklärte das Thema den Bürgern in vielen Vor-Ort-Veranstaltungen mit Bravour, obwohl er kein Politiker ist und die Energiewende nicht beschlossen hat. Das Konzept entsteht allerdings schon seit fast drei Jahren, diesen Sommer soll es verabschiedet werden.

Region wird kaum wahrgenommen

Andere Beispiele für umstrittene Bauprojekte, an denen der Regionalverband beteiligt war oder ist: Den umstrittenen Standort der Landesmesse hat er vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durchgeboxt. Bei Stuttgart 21 ist er mit 100 Millionen Euro dabei. Wahrgenommen wurde die Region aufgrund ihrer Rolle als kleinster Partner allerdings auch hier kaum.

Das ist schon eher bei einem Thema der Fall, das man sich lieber erspart hätte. Die S-Bahn, für die der Verband zuständig ist, hat sich zunehmend vom Aushängeschild zum Sorgenkind entwickelt. Begonnen hat es mit Baupannen bei Stuttgart 21, die ebenso in der Verantwortung der Bahn lagen wie die sich häufenden Defekte an Stellwerken, Signalen und Weichen. Diese wurden jahrelang vernachlässigt, wie der Schienenkonzern mittlerweile einräumt. Und dann waren da noch die neuen S-Bahn-Züge, die 2013 nicht funktionierten wie erhofft. Die Region kann wenig tun, da ihr Vertrag mit der Bahn kaum Strafen vorsieht. Immerhin hat sie ihre frühere Zurückhaltung abgelegt und baut nun öffentlich mehr Duck auf, der die Bahntöchter zusehends in Bewegung bringt.

Es gibt wenige Themen, bei denen die Regionalversammlung Applaus erntet: Der regionale Landschaftspark gehört dazu, für den bisher rund zehn Millionen Euro in 120 Natur-Inseln mit Naherholungscharakter gesteckt wurden. Oder die nachhaltige Mobilität, die mit 7,5 Millionen Euro in fünf Jahren bedacht wird, etwa in Form der Pedelec-Verleihstation in Bietigheim-Bissingen. Besonders angekommen ist die Nacht-S-Bahn, die das Gremium 2012 an Wochenenden und vor Feiertagen aufs Gleis gesetzt hat – zumal die fast immer pünktlich ist.