Mit der Eröffnung der S 4 Marbach–Backnang und der S 60 im Dezember ist der S-Bahn-Ausbau in der Region vorerst erledigt.
Stuttgart - Die vergangene Dekade war für die Regionalversammlung ein Jahrzehnt des Bauens: Die S 1 von Plochingen nach Kirchheim/Teck ging 2009 in Betrieb, die S 60 Böblingen–Renningen und die S 4 folgen aller Voraussicht nach am 8. Dezember. Außerdem wurde Stuttgart 21 mit der neuen S-Bahn-Haltestelle Mittnachtstraße vorbereitet, bei dem Milliardenprojekt ist die Region mit 100 Millionen Euro dabei. Andere Erweiterungspläne kamen zwar immer mal wieder auf die Tagesordnung, richtig vorwärts schien es aber nirgends zu gehen. Jetzt zieht der Verband Region eine Zwischenbilanz für die sechs wichtigsten Pläne und legt Prioritäten für die nächsten Jahre fest:
S 1 nach Nagold
In einem frühen Stadium der Planung ist die Verlängerung der S 1 nach Westen, und zwar über Jettingen nach Nagold. Im Frühjahr 2013 soll eine Kosten-Nutzen-Untersuchung vorliegen. Der Verband Region Stuttgart ist aber schon deshalb skeptisch, weil die S 1 mehr als 100 Kilometer lang würde (nach Göppingen sogar 108) und damit noch anfälliger für Störungen würde.
S 1 nach Göppingen
Für SPD und Linke steht nach wie vor die Verlängerung der S 1 von Plochingen nach Göppingen an erster Stelle. Allerdings kommt erste Kritik am Landkreis und an den beteiligten Kommunen auf. „Man hört immer nur B 10, B 10!“, motzte jetzt Grünen-Sprecher Mark Breitenbücher in Anspielung auf den ins Stocken geratenen Straßenbau. Breitenbücher vermisst wie die FDP einen ähnlichen Einsatz für den Ausbau der S-Bahn im Filstal. Immerhin hat die Bahn-Tochter DB Netz im Sommer eine lange erwartete Untersuchung vorgelegt. Ergebnis: Göppingen könnte auch unter dem Aspekt der Kosten am besten mit einer Kombination von Regionalzügen und einer S-Bahn pro Stunde angebunden werden. Dafür müsste aber Stuttgart 21 fertig sein, damit im Filstal keine Fernzüge mehr fahren. Aktuell überprüft die Bahn, ob dort schon ab 2016 in abgespecktem Umfang S-Bahnen unterwegs sein könnten. Das Ergebnis soll Ende Oktober vorliegen. Ganz billig wird die S-Bahn im Kreis Göppingen in keinem Fall: Erstens ist der Kreis noch gar nicht in den VVS integriert, zweitens müssten weitere Züge her, drittens sind alle Bahnsteige im Kreis zu niedrig für die Nahverkehrszüge.
S 2 nach Neuhausen
In der jüngsten Sitzung des regionalen Verkehrsausschusses wurde deutlich, dass sowohl der Verband als auch die Mehrheit des Gremiums der Verlängerung der S 2 von Bernhausen nach Neuhausen Vorrang vor allen anderen Projekten gibt. Der Grund dafür ist, dass die S 2 planerisch am weitesten ist und das Bundesverkehrsministerium zumindest das Gesamtpaket mit der Verlängerung der U 6 vom Fasanenhof zur Landesmesse für prinzipiell förderwürdig hält. Die bisher auf 78 Millionen Euro taxierte S 2 wäre aber nur sinnvoll mit Stuttgart 21 und dem Filderbahnhof sowie mit der U 6. Damit es schneller geht, bereiten die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) die Genehmigung zurzeit alleine vor. Sollten sich die SSB bald mit dem Kreis Esslingen einigen, könnte die Stadtbahn bestenfalls 2016 in der Landesmesse einfahren. In Sachen S-Bahn will die Region jetzt mit dem Kreis sowie mit der Stadt Filderstadt und der Gemeinde Neuhausen klären, wie man die rund 5,5 Millionen Planungskosten aufteilt, und dann die Planung vertraglich festlegen.
S 5 nach Kirchheim/Neckar
Die Verlängerung der S 5 in eine andere Richtung, nämlich ins Neckartal nach Besigheim und Kirchheim, ist nach ersten Gesprächen in weitere Ferne gerückt. Zwar würde die Anbindung auf der bestehenden Strecke an Abenden und Wochenenden mit einer S-Bahn besser. Dafür müssten aber die Berufspendler, die heute mit dem Regionalzug nur in Ludwigsburg und Kornwestheim halten müssen, zahlreiche weitere Stopps in Kauf nehmen. Außerdem würde die funktionierende Verbindung nach Heilbronn für viele gekappt. „Das Thema hat sich erledigt“, urteilt etwa Bernhard Maier, verkehrspolitischer Sprecher der Freien Wähler. Trotzdem findet bis Ende des Jahres eine Analyse der möglichen Nachfrage statt. Dann wird endgültig entschieden.
S 5 nach Vaihingen/Enz
Bei der Verlängerung der S 5 über Bietigheim-Bissingen hinaus ist ebenfalls noch vieles unklar. Diesen Monat hat die Arbeit an einer grundlegenden Machbarkeitsstudie begonnen, die im Sommer 2013 fertig sein soll. Dabei geht es auch um die Frage, ob die 1991 aufgegebene Strecke von Sersheim über Kleinglattbach und Vaihingen-Mitte bis Enzweihingen reaktiviert werden sollte.
S 6 nach Calw
Der Landkreis Calw will unbedingt den Anschluss ans Stuttgarter S-Bahn-Netz und insbesondere an die S 60 zu Daimler in Sindelfingen und nach Böblingen. Dazu müsste die 1988 stillgelegte Schwarzwaldbahn reaktiviert werden. Nach einer Untersuchung würde sich dies in Form einer separaten Verbindung von Calw bis zur S-60-Haltestelle Renningen am meisten lohnen. Diese soll für rund 50 Millionen Euro zu haben sein. Die Region Stuttgart ist skeptisch, da insgesamt bis zu zwölf Züge pro Stunde zwischen Weil der Stadt und Renningen viel zu viel seien und die Pünktlichkeit der S 6 leiden könnte. Unterm Strich hat Calw für die Regionalpolitiker keine Priorität.
Die große Unbekannte
Über allen Plänen schwebt ein Damoklesschwert: Die Bundesregierung hat beschlossen, das Förderprogramm für den Ausbau des Schienennahverkehrs 2019 zu beenden. Ein Nachfolgeprogramm ist nicht in Sicht. Laut Claus Schmiedel, Regionalrat und SPD-Fraktionschef im Landtag, verlangt die Bahn vom Land, dass es bei künftigen Projekten für den 60-Prozent-Anteil des Bundes bürgt. Dies könne das Land aber nicht garantieren. Deshalb seien die Chancen, noch ein Vorhaben im Programm unterzubringen, „gleich null“. Verkehrsexperte Maier gibt allenfalls der S 2 nach Neuhausen „eine geringe Chance“. Die Eröffnung der S 4 und der S 60 dürften auf absehbare Zeit die letzten Inbetriebnahmen von neuen S Bahn-Abschnitten in der Region bleiben.