Will Landeschef der CDU werden: Thomas Strobl Foto: dpa

Wahlanalyse im Verborgenen: Beobachtungen von der Regionalkonferenz der CDU.

Bisingen - Die Südwest-CDU sucht einen Parteichef und will die Landtagswahlpleite verarbeiten. Mit vier Regionalkonferenzen wird der Anfang gemacht. Aber der Weg aus der Krise ist lang. Beobachtungen und Stimmen vom ersten Geheimtreffen.

Die Luft ist drückend schwül, am Himmel über Bisingen stehen Gewitterwolken. Aber die CDU-Führung um den scheidenden Parteichef Stefan Mappus kennt kein Erbarmen. Die Türen in der Hohenzollernhalle sind dicht, die Vorhänge zugezogen, es herrschen Saunawerte. Man will unter sich sein bei der ersten Regionalkonferenz der Südwest-CDU seit der Wahlniederlage am 27. März. Offizielle Begründung: Manches Parteimitglied werde sich sonst nicht trauen, offen die Meinung zu sagen. Andere Stimmen entgegnen, die CDU-Führung wolle vermeiden, dass allzu viel Kritik am Landtagswahlkampf und am Spitzenkandidaten Mappus nach außen dringt. Die Presse muss vor der Tür bleiben - im Regen.

In der Halle ist der Gesprächsbedarf groß

Allein, die Geheimhaltungspläne scheitern. Immer wieder zieht es Parteimitglieder nach draußen - zum Luftschnappen im doppeldeutigen Sinn. Denn der Unmut in der CDU scheint groß. Im Foyer der Halle hat eine Gruppe von Parteimitgliedern - vom Anwalt über die Schulrektorin bis zum Steuerberater und zur Hausfrau - ein Positionspapier ausgelegt. Es gleicht einer Abrechnung mit der eigenen Partei. Das Hinterzimmer sei "kein geeigneter Ort für die Debatte über die künftige Position der CDU", heißt es da. Im Land hätten sich "politische Oligopole gebildet", die "zu einer mit Händen greifbaren Wagenburg-Mentalität" geführt hätten. Die CDU habe den Kontakt zu den Bürgern und deren Sorgen verloren. "Für viele reicht das Motiv, Mitglied einer CDU-Familie werden zu wollen, nicht mehr aus", schreiben die Verfasser und beklagen die mangelnde Bindung zwischen Parteioberen und Parteibasis: "Omnipräsente Multifunktionäre mit übervollen Terminkalendern und extrem verdichteter Kommunikationsleistung prägen die politische Kultur." Aber: "Die Vielzahl von Ämtern taugt nicht als politischer Leistungsbeweis."

Auch in der Halle ist der Gesprächsbedarf groß. Es geht um das Image der CDU, um Angela Merkel, um die Familienpolitik, die Kehrtwende der Union in Energiefragen und im Bildungssektor. "Mit dem Schulsystem hat sich die Bundespartei doch gar nicht zu beschäftigen, dafür ist sie nicht zuständig", wettert ein Parteimitglied und findet es unerträglich, dass die CDU-Führung in Berlin plötzlich die Hauptschule infrage stelle. Der Redner erhält viel Applaus. So wie ein anderer, der mehr offene Diskussionen anmahnt: "Wir müssen zu einer dialogorientierten Politik zurückkehren."

Die beiden Kandidaten zur Wahl des neuen CDU-Landesvorsitzenden am 23. Juli - der bisherige Generalsekretär Thomas Strobl (51) und der Landtagsabgeordnete Winfried Mack (45) - hören aufmerksam zu und stellen sich der Diskussion. Strobl verspricht eine "Zukunftswerkstatt", in der die CDU von morgen entsteht, und kündigt einen Sonderparteitag zur Bildung an. Auch Mack will die CDU von der Basis her zur "quicklebendigen Partei" machen und verspricht eine Mitgliederbefragung, wenn es um die Kür des Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 2016 geht. Mancher im Saal deutet das als Kampfansage an Landtagsfraktionschef Peter Hauk und fürchtet das Aufbrechen alter Lager: Hier Strobl/Hauk, dort Mack, der als Mappus-Mann gilt.

Das Meinungsbild über die Kandidaten ist diffus

So dauert das Frage-und-Antwort-Spiel zwei Stunden. Aber wie soll die inhaltliche Neuaufstellung der CDU ablaufen? Parteivize Annette Widmann-Mauz ruft den 220 Mitgliedern, die da sind, flehentlich zu, am Reformprozess mitzuwirken: "Wir brauchen Sie alle." Junge wie Ältere, Deutsche wie Migranten, Arbeiter wie Unternehmer.

Dann ist Schluss, die Hallentüren öffnen sich. "Ich habe nichts Neues erfahren", sagt einer, "da wäre ich lieber auf den Heimtrainer gegangen." Das Meinungsbild über die Kandidaten ist diffus. "Ich habe meine Entscheidung geändert", räumt ein Mitglied beim kühlen Weizenbier ein. Eigentlich sei er für Strobl gewesen, jetzt aber wolle er Mack wählen, weil der "bodenständig und unverbraucht" sei. Ein anderer ist für Strobl, auch wenn der als mitverantwortlich für die Wahlpleite gilt: "Der Thomas hat als Bundestagsabgeordneter gute Drähte nach Berlin. Das brauchen wir."

Nicht wenige wünschen sich einen anderen, dritten Kandidaten. "Wir sind nach wie vor die Volkspartei und brauchen einen, der das Herz der Mitglieder wieder anspricht", umschreibt jemand das Wunschprofil. In einem sind sich Strobl und Mack einig: Das Instrument der Regionalkonferenzen soll es auch künftig geben, "weil der Diskussionsbedarf groß" sei. Dann wollen sie auch Nichtmitglieder einladen und die Presse offiziell zulassen. "Dieses Versteckspiel ist doch kindisch", sagt ein Zuhörer, als er den Regenschirm für den Heimweg aufspannt.