Ein Aufkleber, den die Bahn für ihre Aufzüge häufig benötigt. Foto: Horst Rudel/Archiv

Nicht funktionierende Fahrstühle in Bahnhöfen in Esslingen und der Region rund um Stuttgart sind vor allem für Menschen mit Behinderungen ein Ärgernis. Doch was tut die Deutsche Bahn als Betreiberin dagegen?

Region - Für Menschen, die im Rollstuhl sitzen, einen Kinderwagen oder Rollator bei sich haben, gehbehindert oder mit schwerem Gepäck unterwegs sind, kann so mancher Bahnhof in der Region zur Sackgasse werden. Denn regelmäßig sind Aufzüge in den Stationen defekt – oftmals über längere Zeiträume. Treppen, die die Bahnsteige miteinander verbinden oder zur Ausgangsebene führen, sind dann unüberwindbare Hindernisse, wenn sich nicht gerade hilfsbereite Passanten finden. Jutta Pagel-Steidl, die Geschäftsführerin des baden-württembergischen Landesverbands für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung übt in diesem Zusammenhang Kritik an der Deutschen Bahn als Betreiberin der Einrichtungen.

Mehr als 100 Aufzüge im Bereich des VVS

Als „never-ending story“ – eine unendliche Geschichte – bezeichnet Jutta Pagel-Steidl den Ärger über defekte Fahrstühle an den Bahnhöfen der Region. Besonders dann, wenn die Reparatur oft wochen- oder monatelang auf sich warten lässt. In dieser Zeit seien insbesondere Menschen, die ohnehin in ihrer Mobilität eingeschränkt seien, „zusätzlich beeinträchtigt“. Werner Graf, ein Sprecher der Deutschen Bahn, beteuert, das Unternehmen sei bemüht, kaputte Fahrstühle „so schnell wie möglich“ instandsetzen zu lassen. Doch das dauert aus der Sicht von Jutta Pagel-Steidl in den meisten Fällen entschieden zu lange. Ihre Forderung: „Innerhalb von einer Woche muss ein Bahnhofsaufzug repariert sein.“

Auf der Homepage des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) liest sich die Liste defekter Lifte und Rolltreppen wie eine Bahnfahrt quer durch die Region. „Bis auf Weiteres außer Betrieb“ wird dort aktuell unter anderem für die Haltestellen Esslingen, Esslingen-Zell, Freiberg, Hauptbahnhof Stuttgart, Marbach, Österfeld, Weil der Stadt, Wendlingen, Winnenden, und Zuffenhausen vermeldet.

Werner Graf berichtet aber auch von Problemen in Winterbach und in Tamm. Doch die Ortsnamen auf der Liste wechselten täglich. Insgesamt betreibe die Bahn im Bereich des VVS mehr als 100 Aufzüge, von denen zurzeit etwa sechs bis acht Prozent defekt seien. „Natürlich ist auch das zuviel“, sagt Werner Graf, bewege sich aber im Rahmen. Der Grund für die Schäden seien je zur Hälfte auf Vandalismus und technische Störungen zurückzuführen.

Polizisten müssen helfen

Jutta Pagel-Steidl ist aber auch mit dem Management rund um die Störungen unzufrieden. Unlängst hätten Polizisten im Bahnhof in Ludwigsburg wegen eines defekten Aufzugs einen schweren Elektro-Rollstuhl die Treppen hinunter tragen müssen. Vonseiten der Bahn sei dafür kein Personal zur Verfügung gestanden. Werner Graf zufolge ist das für die Bahn auch nicht leistbar. Ärgerlich findet Jutta Pagel-Steidl indes den Tipp von Bahnmitarbeitern an Menschen mit Behinderung, sie sollten doch bis zur nächsten, mit einem intakten Lift ausgestatteten Haltestelle weiterfahren. „Das kann’s ja wohl nicht sein“, sagt Pagel-Steidl. Wer darauf angewiesen sei, dann noch einen Bus nach Hause zu kriegen, müsse unter Umständen mit einer stundenlangen Verspätung rechnen. Und das nicht etwa bei Fernreisen, „sondern lediglich für Alltagsfahrten zum Einkaufen oder zum Arzt“, merkt Pagel-Steidl an. Letztlich seien die Menschen dann auf einen Sonderfahrdienst angewiesen, den sie ohne weiteres „gar nicht bezahlt bekommen“. Es könne auch nicht angehen, dass Menschen, die vom Fahrstuhl abhängig sind, „vor jeder Fahrt ins Internet zu schauen, ob der Aufzug funktioniert“.

Im schlimmsten Fall gehen die Aufzüge kaputt, wenn sich Fahrgäste darin befinden. Erst am 26. September blieb ein 14-Jähriger im Wendlinger Bahnhofsaufzug stecken. Etwa 50 Zentimeter vor der Ausgangsebene war für ihn Endstation. Und weil die Notentriegelung des Lifts zudem nicht funktionierte, musste die Feuerwehr den Jugendlichen aus seiner misslichen Situation befreien. Die Helfer schlugen dazu eine Scheibe der beiden Flügeltüren ein. Dadurch sei „leider ein großer Schaden entstanden“, sagt Werner Graf, die Reparatur dauere wohl länger. Für die Feuerwehr in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) ist die Fahrt zum Bahnhof in den vergangenen Wochen fast schon zur Routine geworden. Ein Feuerwehrmann berichtet, nicht nur tagsüber, sondern „manchmal auch mitten in der Nacht“ hätten Reisende aus dem defekten Fahrstuhl befreit werden müssen.

Ziel der Bahn: Befreiung spätestens nach einer Stunde

Mitunter wird auch die für die Sicherheit der Bahnhöfe zuständige Bundespolizei gerufen, wenn Personen in plötzlich stehen gebliebenen Liften feststecken. Laut einer Anfrage sind die Ordnungshüter diesbezüglich allein in der Region Stuttgart bisher 13 Mal in diesem Jahr zum Einsatz gekommen – zuletzt am 18. August im Stuttgarter Hauptbahnhof. In diesen Fällen sei die Maxime der Deutschen Bahn, dass „spätestens nach einer Stunde jemand vor Ort sein sollte“, sagt Werner Graf.

Der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung plädiere laut seiner Geschäftsführerin Jutta Pagel-Steidl nach wie vor für vandalismussichere Rampen an den Bahnhöfen. „In der Schweiz ist das möglich“, sagt sie. Denn wenn der Aufzug defekt ist, „ist der Bahnhof für Menschen mit Behinderung nicht benutzbar“. Der Bahnsprecher Werner Graf verweist indes auf den Mobilitätsservice seines Unternehmens, bei dem Menschen mit Handicap wichtige Informationen und Hilfsangebote bekämen.

Der Mobilitätsservice der Bahn
ist unter Telefon 0180/651 25 12 oder unter diesem Link erreichbar.