Der Radweg-Ausbau wie hier in der Marbacher Straße sei der Stadt eine Verpflichtung, sagt Ludwigsburgs Erster Bürgermeister Konrad Seigfried Foto: factum/Granville

Bevor das neue interkommunale Radverleihsystem Regio-Rad-Stuttgart im Mai in 15 Städten an den Start geht, wird es auf Herz und Nieren geprüft – von Testfahrern aus Ludwigsburg.

Ludwigsburg - So schnell, wie sie ihr Ludwigsburger Testteam zusammen hatte, konnte die Deutsche Bahn Connect kaum schauen. 50 Frauen und Männer, die vor dem offiziellen Auftakt von Regio-Rad im Mai einen knappen Monat lang proberadeln, hatte die Bahn-Tochter gesucht – und sie im Handumdrehen beisammen. „Wir haben uns sehr gefreut, dass das Interesse so groß ist“, sagt eine Sprecherin und sieht das als Indikator dafür, dass das neue Radverleihsystem ankommen wird. Aus den Ludwigsburger Erfahrungen erhofft man sich repräsentative Schlüsse für das gesamte Gebiet von Regio-Rad-Stuttgart.

Das regionale und interkommunale Fahrrad- und Pedelec-Verleihsystem soll zwei bislang nicht miteinander kompatible Mietrad-Angebote zusammenführen: Das ebenfalls von der Bahntochter DB Connect betriebene Call-a-bike in Stuttgart und die vom Leipziger Unternehmen Nextbike unterhaltenen Pedelec-Stationen, mit denen etwa die Städte Bietigheim-Bissingen, Remseck oder auch Ludwigsburg aufwarten. Künftig können Leihradnutzer somit problemlos von einer Kommune in die andere radeln. Inhaber der Polygo-Card – einer Multifunktionskarte für mobile Dienstleistungen – erhalten dabei Vergünstigungen.

Verzögerungen wegen einer Nachprüfung

80 Kommunen hatten sich bei der Ausschreibung für das Call-a-bike-Nachfolgeprojekt die Option gesichert, an dem Verleihsystem teilzunehmen. 15 gehen nach aktuellem Stand direkt im Mai an den Start. Darunter ist Stuttgart mit der größten Flotte von knapp 700 Rädern. Die Drahtesel entwickelte die DB Connect in Eigenregie. Das Augenmerk habe auf Qualität und Benutzerfreundlichkeit gelegen, sagt die Sprecherin, da die Fahrräder ganzjährig im Einsatz seien, jeder Witterung standhalten müssten und mehrmals täglich genutzt würden.

Mit den ebenfalls neu entwickelten Pedelecs hingegen kann die DB Connect nicht termingerecht aufwarten. Weil Nextbike, der unterlegene Mitbieter um den interkommunalen Großauftrag, ein Nachprüfverfahren zur Auftragsvergabe angestrengt hatte, gab es Produktionsverzögerungen.

Bis die neuen Pedelecs da sind, das soll Ende September der Fall sein, bleiben in der Landeshauptstadt die seitherigen roten Call-a-bike-Pedelecs in Betrieb. Städte und Gemeinden, die bisher Nextbike-Pedelecs nutzen, sollen zum Jahresende an das Regio-Rad-Stuttgart angeschlossen werden, die Pedelecs werden dann ausgetauscht. So will DB Connect trotz der Anfangsschwierigkeiten einen möglichst nahtlosen Übergang gewährleisten.

Auch der ADFC begrüßt, dass es bald ein einheitliches Verleihsystem gibt

Wie sich das Vorankommen mit dem Regio-Rad-Stuttgart tatsächlich anlässt, davon werden sich die 50 Testradler ein Bild machen, die vom 5. April an in Ludwigsburg in die Pedale treten. Die Radstationen an den Standorten Brenzstraße am Bahnhof, an der Ecke von Lindenstraße und Kirchstraße sowie an den Schnittstellen von Grönerstraße mit  Schlieffenstraße und  Gänsfußallee werden laut Bahn derzeit noch installiert. Fünfmal pro Woche sollen die Tester das Verleihsystem nutzen, also ein Rad über die spezielle App, über die Website oder per Telefon reservieren, es auf Ludwigsburgs Straßen nutzen, die Bedienfreundlichkeit des Terminals überprüfen und die Leihe mit der Polygo-Card ausprobieren. Das Feedback der Probanden, so die DB, sei „ausschlaggebend für den Erfolg des Testbetriebs und des zukünftigen Betriebs von Regio-Rad-Stuttgart“.

Dass das Proberadeln in Ludwigsburg vonstatten geht, verbucht der Erste Bürgermeister Konrad Seigfried als Bonus: „Wir freuen uns ganz besonders, als Pilotstadt erste Erfahrungen zu sammeln, die wir gern mit den anderen beteiligten Kommunen teilen wollen.“ Da die Stadt auf den weiteren Ausbau des Radverkehrs ein besonderes Gewicht lege, habe sie sich „gerne und ohne Einschränkungen“ an der Ausschreibung für das neue Fahrradverleihsystem beteiligt. Der Auftakt markiere indes nur einen ersten Schritt. „Das System soll nach Bedarf weiter ausgebaut werden, gern auch in Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen, die sich ebenfalls als Kooperationspartner beteiligen können“, winkt der Erste Bürgermeister mit dem Zaunpfahl. Das neue Verleihsystem baut zur Finanzierung nicht zuletzt auf Sponsoring.

Konrad Seigfried verbucht den Projektstart als weiteren wichtigen Schritt in Sachen nachhaltige Mobilität. „Die Förderung des Radverkehrs, verbunden mit dem Ausbau der Radwege, ist für uns eine große Verpflichtung.“ In einer der von Abgasen am stärksten belasteten Städten Deutschlands sei das zwar nur eine, aber eine besonders wichtige Gegenmaßnahme.

Im Vergleich mit Paris ein kleines System

Dass es in der Region bald ein einheitliches Fahrradverleihsystem gibt, begrüßt auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) ausdrücklich. „Die Kommunen liegen hier so dicht zusammen, dass auch die Strecken dazwischen ganz einfach mit dem Rad zurückzulegen sind“, sagt die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke. Besonders erfreulich sei die Zusammensetzung der Flotte aus einfachen Rädern, Pedelecs und auch einigen Lastenfahrrädern – wenngleich letztere nur für Stuttgart selbst vorgesehen seien. Im Vergleich mit Metropolen wie Paris mit rund 20 000 Leihfahrrädern sei die Flotte allerdings sehr klein. In Paris, führt Zühlke an, komme jedes Rad täglich auf zehn Ausleihen. „Um an eine solche Auslastung kommen, müssen die Kommunen hier voraussichtlich eine Weile arbeiten.“

Dafür ist nach Ansicht des ADFC nicht nur ein gutes Marketing nötig, sondern auch „ein durchgehendes Netz an fahrradtauglichen Wegen, auf denen sich auch Neuaufsteiger wohl fühlen“. Ebenso brauche es eine dichte Wegweisung und intensive Kommunikation, „nicht nur mit den Radfahrern, auch mit den Autofahrern“, sagt Zühlke. Das Potenzial, dass Autofahrer die Leihräder nutzten, hält der Radclub für beträchtlich. Die Landesvorsitzende zieht dazu eine britische Studie heran. Diese habe ergeben, dass fast ein Viertel der Leihradnutzer in den fünf Jahren zuvor nicht Rad gefahren sei. Zudem habe mehr als ein Fünftel der Befragten angegeben, dass sie sich ohne die Möglichkeit, ein Leihrad zu wählen, ins Auto gesetzt hätten.

Mit dem Leihrad in der Region auf Achse

Der Auftakt
Zu den Städten und Gemeinden, in denen Regio-Rad-Stuttgart am 1. Mai startet, gehören Stuttgart mit 70 Radstationen und 600 Rädern, Leinfelden-Echterdingen (zwei Stationen, 20 Räder), Ludwigsburg (fünf Stationen, 25 Räder), Ditzingen (fünf Stationen, 35 Räder) und Freiberg am Neckar (zwei Stationen, zehn Räder). Auch Gerlingen (drei Stationen, 20 Räder), Böblingen (eine Station, acht Räder), Leonberg (zwei Stationen, 15 Räder), Renningen (drei Stationen, 15 Räder), Rutesheim (eine Station, fünf Räder) und Schwäbisch Gmünd (drei Stationen, 18 Räder) sind mit dabei. Bei den Angaben handelt es sich um aktuelle Planungsstände. Mehrere Städte planen bereits weitere Stationen.

In den Startlöchern
2019 folgen Städte und Kommunen, die derzeit mit den Pedelecs von Nextbike arbeiten: Bietigheim-Bissingen, Fellbach, Filderstadt, Göppingen, Herrenberg, Holzgerlingen, Kirchheim am Neckar, Schorndorf, Schwieberdingen, Remseck am Neckar, Vaihingen an der Enz und Waiblingen. Ludwigsburg zählt insofern auch dazu, als die Nextbike-Station am Bahnhof auf jeden Fall so lange weiter in Betrieb bleibt, bis die Regio-Rad-Stuttgart-Pedelecs geliefert werden.

Grenzenloses radeln
Weil Regio-Rad-Stuttgart als regionales und interkommunales Fahrrad- und Pedelec-Verleihsystem ausgeschrieben ist, können die Nutzer es auch über die Stadtgrenzen hinaus nutzen – also beispielsweise in Ludwigsburg starten, nach Stuttgart-Zuffenhausen radeln und dort das Rad an einer entsprechenden Station wieder abstellen.