Mario Draghi bei seiner ersten programmatischen Rede vor dem italienischen Senat am Mittwoch. Foto: AFP/Alberto Pizzoli

Corona-Krise, Wirtschaftskrise, Reformbedarf: Der neue Premierminister Mario Draghi hat viele Aufgaben vor sich. Eine breite Mehrheit im Parlament macht ihn unabhängig von Matteo Salvinis Eskapaden.

Rom - Es war das erste Mal überhaupt, dass sich der neue Premier an das Parlament wandte, um seine Pläne darzulegen. Und angesichts der gewaltigen Herausforderungen, die auf ihn und seine Regierungsmannschaft in den nächsten Monaten warten, hat sich gestern sogar der sonst so coole Mario Draghi ein paar Mal verhaspelt. Aber der frühere Präsident der europäischen Zentralbank (EZB) hat aus seiner Aufregung von Beginn weg keinen Hehl gemacht: „In meiner langen beruflichen Karriere habe ich noch nie einen Moment mit so großen Emotionen und mit einer so großen Verantwortung erlebt wie heute“, so der 73-jährige in seiner Regierungserklärung.

 

Als wichtigste Priorität nannte der neue Regierungschef Italiens die Bekämpfung der Covid-Pandemie, die in Italien bereits über 90 000 Todesopfer gefordert hat. Die zentrale Aufgabe dabei sei es, ausreichend Impfdosen zu beschaffen und diese dann „schnell und effizient“ zu verteilen. Dabei will Draghi „alle Energien mobilisieren, die zur Verfügung stehen“: den Zivilschutz, die Streitkräfte, die Freiwilligen-Organisationen im Land.

Wie sollen die EU-Gelder verteilt werden?

Die Zeit dränge: Es gehe nicht mehr nur darum, so schnell wie möglich die vulnerablen Gruppen zu schützen, sondern auch die Ausbreitung neuer Varianten des Virus zu verhindern. Dieselbe Wichtigkeit wie der Pandemiebekämpfung räumt Draghi der Revision der Pläne zur Verwendung der europäischen Milliardenhilfen des so genannten Recovery Fund ein. Auch hier dränge die Zeit: Das definitive Konzept müsse bis Ende April in Brüssel eingereicht werden, erinnerte der neue Ministerpräsident.

Draghi bekannte sich vor dem Senat auch zum Ziel, die CO2-Emissionen Italiens bis zum Jahr 2050 auf null zu senken. Dazu zitierte Draghi Papst Franziskus: Dieser hatte gesagt, dass Naturkatastrophen die Antwort der Schöpfung auf die Umweltsünden der Menschen sei. „Heute haben wir die Möglichkeit, oder vielmehr die Verpflichtung, einen Wiederaufbau in Angriff zu nehmen, wie ihn die Generation nach dem Zweiten Weltkrieg vor sich hatte“, betonte Draghi.

Eine Regierung der nationalen Einheit

Auch damals hätten im Parlament Parteien mit großen politischen Differenzen zusammenarbeiten müssen, sagte der Premier unter Anspielung auf seine heterogene Koalition, die seine Regierung tragen wird. Seine Regierung wird außer von der postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni von allen Parteien des Parlaments getragen.

Der Aufruf Draghis zur Geschlossenheit kam nicht von ungefähr: In den letzten Tagen ist es bereits zu den ersten Reibereien unter den Koalitionspartnern gekommen. Am Dienstag hat Lega-Chef Matteo Salvini hinausposaunt, dass der Euro „nicht irreversibel“ sei. Die Antwort des Chefs des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), Nicola Zingaretti, ließ nicht lange auf sich warten: „Der Euro und Europa sind die Dimension, in welcher Italiens Zukunft liegt. Darüber sollte man eigentlich nicht mehr diskutieren müssen.“ Draghi, der als EZB-Chef den Euro gerettet hatte, ließ Salvini gestern ebenfalls abblitzen: „Diese Regierung zu unterstützen bedeutet anzuerkennen, dass der Euro irreversibel ist“, betonte der neue Premier. Nach dem provokanten Spruch Salvinis in Sachen Einheitswährung ist bereits klar, dass auch Draghi einen Unruhestifter mit dem Vornamen Matteo in seiner Koalition haben wird.

Matteo Renzi hatte mehr Epressungspotenzial als Matteo Salvini

Bei Conte war es der ehemalige Premier Matteo Renzi gewesen, der dem Regierungschef das Leben schwer gemacht und ihn schließlich gestürzt hat. Draghi wird Matteo Salvini im Nacken haben, der Angst hat, Wähler an seine rechtsnationale Konkurrentin Meloni zu verlieren, die sich in der Opposition nun als einzige Europa-Kritikerin positionieren kann.

Einen gewichtigen Unterschied zwischen den „beiden Matteo“ gibt es aber: Renzis Ausscheiden aus der Regierung Conte hatte numerisch genügt, um Conte zu Fall zu bringen. Draghi ist auf Salvini hingegen nicht angewiesen.