In welchem Umfang es künftig Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Pkw der Abgasnormen 4 und 5 gibt, soll sich am Montagabend entscheiden. Foto: DPA

Am Montagabend will die Regierung entscheiden, wie sie den von Fahrverboten bedrohten Dieselfahrern unter die Arme greifen kann. Die Parteien haben sich offenbar schon auf einige wichtige Punkte verständigt.

Berlin - Die politische Entscheidung soll an diesem Montagabend fallen: Um 20 Uhr treffen sich unter der Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) die Partei- und Fraktionschefs der Regierungskoalition, um den von Fahrverboten bedrohten Dieselfahrern unter die Arme zu greifen. Dort soll ein, wie in Regierungskreisen bestätigt wurde, „Mobilitätsprogramm des Bundes zur NO2-Reduzierung“ beschlossen werden. Die Abkürzung steht für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid, das in vielen Städten in Konzentrationen über den zulässigen europäischen Grenzwerten gemessen wird.

Vor dem Treffen sind wichtige Details noch offen, das Konzept zeichnet sich jedoch in Umrissen klar ab. Es besteht den Angaben zufolge aus drei Punkten. Erstens soll das Programm „Saubere Luft“, das zum Beispiel Elektrobusse oder Verkehrsleitsysteme in den betroffenen Kommunen fördert, „verstetigt“ werden. Bisher sind dort nur bis zum Jahr 2020 Haushaltsmittel von bis zu einer Milliarde Euro vorgesehen. Zweitens wird es in Absprache mit der Autoindustrie Umtauschprämien geben, wenn Kunden mit Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 ihren Wagen beim Kauf eines neuen Diesel oder Benziners in Zahlung geben. Drittens sind nun auch Hardware-Nachrüstungen vorgesehen, mit denen im Jahr 2019 begonnen werden soll.

Offen ist hingegen noch, wer Garantieleistungen bei umgerüsteten Autos übernimmt

Bei einem Treffen mit Kanzlerin Merkel vor gut zwei Wochen hatte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seinen grundsätzlichen Widerstand dagegen aufgegeben. Dennoch hatte er zuletzt den Eindruck erweckt, dass „technische Lösungen“ nicht unbedingt auf den Einbau neuer Katalysatoren hinauslaufen müssten, sondern auch aus neuer Motor-Software bestehen könnten. Nun heißt es nach Angaben aus Regierungskreisen im jüngsten Entwurf des Programms: „Als weiterer Punkt dient der gezielte Einsatz von Hardware-Nachrüstungen mit Katalysator für die verbleibenden Diesel-Pkw Euro 5 in den Städten mit besonders hoher Belastung.“ Offen ist hingegen noch, wer Garantieleistungen bei umgerüsteten Autos übernimmt.

In welchen Städten und Regionen Nachrüstungen wie Umtauschaktionen von Dieselfahrern in Anspruch genommen werden können, war demnach weiter Gegenstand von Verhandlungen. So sah der jüngste Textentwurf vor, die Programme rund um insgesamt 14 Städte anzubieten, in denen der Jahresmittelwert „über 50“ Mikrogramm pro Kubikmeter liegt. Aus Baden-Württemberg wären darunter Stuttgart, Reutlingen, Heilbronn, Backnang und Ludwigsburg. Bundesweit liegen außerdem noch München, Köln, Düren, Hamburg, Limburg, Düsseldorf, Kiel, Darmstadt und Bochum über diesem Wert.

Nicht Teil dieser Liste wäre jedoch ausgerechnet Frankfurt, das ursächlich für die politische Bewegung der vergangenen Woche in der Diesel-Frage ist. Nach einem sehr weitgehenden Gerichtsurteil, die Rhein-Main-Region betreffend, stehen dort Fahrverbote vor der Tür. Daher hatte Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier, der kurz vor einer Landtagswahl Ende Oktober steht, interveniert und bei Kanzlerin Merkel eindringlich für neue Hilfsangebote für betroffene Autobesitzer geworben. Weil eine Koalitionseinigung ohne eine Lösung für die Region Frankfurt kaum vermittelbar wäre, wurde während des Wochenendes dem Vernehmen nach noch über eine „Härtefallregelung“ verhandelt – damit die Hilfsprogramme auch für Städte unterhalb des Wert greifen.

Die Lösung soll nicht nur für wenige, besonders stark betroffene Städte gelten

Geeinigt haben sich die Regierungsexperten aber offenbar bereits darauf, welcher Personenkreis rund um die Städte Nachrüstungen oder Umtauschprämie beanspruchen kann. Hierzu hatte Scheuer vorgeschlagen, einen Radius von 70 Kilometern um die betroffenen Innenstädte zu ziehen – eine Definition, die Regierungskreisen zufolge jedoch vom Tisch ist. „Es wird keine willkürliche Kilometergrenze geben“, hieß es am Sonntag gegenüber unserer Zeitung: „Stattdessen soll jeder seine Betroffenheit anmelden können, der das berechtigte Interesse hat, in die hochbelasteteten Städte einzufahren.“ Das Verkehrsministerium dementierte diese Darstellung nicht. „Es wird an einer Lösung gearbeitet, die nicht nur auf wenige betroffene Städte ausgerichtet ist“, teilte eine Sprecherin mit: „Wir werden bis Montag einen Weg für eine größere Flächenwirkung für die Entlastung in der Diesel-Thematik finden.“ Dazu könnte auch gehören, die Flottenerneuerung bei Handwerker- oder Lieferfahrzeugen zu fördern. „Ich erwarte, dass eine Lösung gefunden wird, die nicht nur in den unmittelbar betroffenen Städten wirkt“, so Daniela Ludwig, die verkehrspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag.

Bei den Umtauschprämien kursierten am Wochenende Zahlen, die offenbar nur teilweise korrekt sind. Die „Bild am Sonntag“ hatte berichtet, VW wolle je nach Wert des Neuwagens zwischen 4000 und 10 000 Euro bieten, Daimler zwischen 3000 und 10 000 und BMW generell 6000 Euro. Nach Informationen unserer Zeitung ist die Zahl bei BMW korrekt, die Untergrenze bei Daimler dafür zu niedrig, die Obergrenze aber wiederum zu hoch angesetzt.

In unserem Video erklären wir, worum es beim Diesel-Skandal geht: