Mario Draghi bei seiner Abschiedsrede im Parlament Foto: AFP/Fabio Frustaci

Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi bereitet sich Italien auf Neuwahlen im Herbst vor. Das Land wird wieder zu einem Unsicherheitsfaktor.

Diesmal war es endgültig, unwiderruflich: Am Donnerstag hat sich Mario Draghi ins Abgeordnetenhaus begeben, um den Parlamentariern für die Zusammenarbeit der letzten 17 Monate zu danken und ihnen seinen Rücktritt zu präsentieren. Dabei war der scheidende Ministerpräsident sichtlich bewegt. Danach übergab Draghi Staatspräsident Sergio Mattarella sein Demissionsschreiben; das Staatsoberhaupt nahm diesmal den Rücktritt an, nachdem er dies letzte Woche noch abgelehnt hatte.

Am Mittwoch hatten drei der ehemaligen Koalitionsparteien Draghis in einer Vertrauensabstimmung dem Premier die Unterstützung verweigert: Die Fünf-Sterne-Protestbewegung sowie die Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und die Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi sind der Abstimmung ferngeblieben.

Die Sieger der kommenden Wahl zeichnen sich bereits ab

Staatspräsident Mattarella hat nach dem Rücktritt des Regierungschefs die Auflösung der beiden Parlamentskammern verfügt. Er habe ein entsprechendes Dekret unterschrieben, sagte Mattarella am Donnerstagabend in Rom. Damit ist klar: Italien wird früher als geplant ein neues Parlament wählen, der Urnengang muss binnen 70 Tagen vollzogen sein. Eigentlich hätten die Wahlen erst im Frühjahr 2023 angestanden. Bis zur Vereidigung der neuen Regierung wird Draghi geschäftsführend im Amt bleiben. Den neuen Staatshaushalt im hoch verschuldeten Italien wird jedoch die neue Regierung ausarbeiten. Die politische Zusammensetzung der neuen Exekutive scheint bereits festzustehen: Laut allen Umfragen wird dem Rechtsbündnis aus Lega, Forza Italia und den postfaschistischen Fratelli d’Italia (FDI) der Wahlsieg kaum zu nehmen sein.

Mit FDI-Chefin Giorgia Meloni könnte zum ersten Mal in der Geschichte der italienischen Republik eine Frau in den Palazzo Chigi, den Sitz der Regierung, einziehen. Die Parteien befinden sich längst im Wahlkampf: Lega-Chef Salvini versammelte am Donnerstag seine Parteispitzen, um die finanz- und sozialpolitischen Ziele zu formulieren. Als da sind: eine neue Steueramnestie, die Einführung einer Flat Tax sowie Bekräftigung des bisherigen, tiefen Pensionsalters, das Draghi erhöhen wollte.

Die Finanzmärkte reagieren bereits

Die künftigen Regierungspartner Berlusconi und Meloni wären wohl nicht abgeneigt. Mit anderen Worten: Italien ist mit den Rücktritt Draghis wieder zum Unsicherheitsfaktor geworden. Die Finanzmärkte haben angesichts der sich abzeichnenden Rückkehr des Landes zur finanzpolitischen Lässigkeit bereits reagiert: Seit Beginn der Regierungskrise haben die Aktienkurse an der Mailänder Börse zum Teil kräftig nachgegeben, während der Risikozuschlag für die italienischen Staatsanleihen gegenüber den deutschen Bundesschatzbriefen, der sogenannte Spread, in die Höhe schoss.

Eine schlechte Nachricht für die EU – und die Ukraine

Nach dem Abgang des überzeugten Europäers Draghi, unter dem Italiens Ansehen und Gewicht in Brüssel stark gestiegen war, droht das Land aber auch auf europäischer und internationaler Ebene wieder zu einem unsicheren Kantonisten zu werden. Alle drei der mutmaßlichen nächsten Regierungsparteien sind europapolitisch zumindest ambivalent. Die Lega ist offen europafeindlich und hat auch schon Wahlkampagnen mit dem Slogan „Basta Euro“ geführt. Die postfaschistischen Fratelli d’Italia gehen zwar nicht so weit, sind aber auch nicht vor antieuropäischen Reflexen gefeit. Am europafreundlichsten ist noch Silvio Berlusconi, dessen Forza Italia im Europaparlament Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) ist. Dies hat die Partei freilich auch nicht daran gehindert, den in der EVP hoch angesehenen Draghi abzuservieren.

Eine schlechte Nachricht ist der Sturz Draghis auch für die Ukraine, die mit ihm einen überzeugten und engagierten Unterstützer verliert: Draghi hatte von Anfang an alle westlichen Sanktionen unterstützt und – soweit sie in Italien überhaupt verfügbar waren – auch Waffen an Kiew geliefert. Er war auch einer der Ersten gewesen, der sich für einen möglichst schnellen Beitritt der Ukraine in die EU aussprach.